Schäuble mahnt zu „klugem“ Umgang mit EZB-Urteil

Schulz: EZB-Urteil schädigt deutschen Ruf

Wolfgang Schäuble (CDU)
Wolfgang Schäuble (CDU)

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat zu einem „klugen“ Umgang mit dem Verfassungsgerichtsurteil über Käufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) gemahnt. Das Urteil müsse man „respektieren, ohne die Unabhängigkeit der EZB und der Bundesbank infrage zu stellen“, sagte Schäuble der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Das Bundesverfassungsgericht habe nicht gesagt, dass die Entscheidungen der EZB irgendeine rechtliche Vorschrift verletzen oder geldpolitisch falsch seien. Es habe nur kritisiert, dass man nicht ausreichend erkennen könne, dass die erforderliche Abwägung ausreichend stattgefunden habe.

„Wenn die EZB eine entsprechende Erklärung noch liefert, ohne dass es so aussieht, als handele sie auf Anweisung eines nationalen Gerichts, dann ist der Konflikt lösbar“, sagte der Bundestagspräsident. „So zerschlägt man Gordische Knoten.“ Unterdessen sei er der Auffassung, dass es in der CDU und CSU keinen großen Streit über den Umgang mit dem Urteil gebe. „Es gibt in der Union keine großen Meinungsunterschiede, wie mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzugehen ist. Das gilt auch für die meisten anderen Fraktionen. Aber ernst müssen wir den Vorgang natürlich nehmen“, so Schäuble. Sorge mache ihm dagegen die mögliche Wirkung in anderen europäischen Ländern. „Gefährlich kann die kommunikative Wirkung des Urteils in der europäischen Debatte sein, wenn das Urteil aus Karlsruhe instrumentalisiert wird.“

Schulz: EZB-Urteil schädigt deutschen Ruf

Der SPD-Europaexperte Martin Schulz sieht den Ruf Deutschlands in der EU durch das Verfassungsgerichtsurteil über Käufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) beschädigt. „Dieses Urteil fügt Deutschland und dem Euro Schaden zu. Sieht man einmal von eingefleischten Gegnern der EU ab, stößt es außerhalb Deutschlands auf großes Unverständnis“, sagte der frühere Präsident des europäischen Parlaments dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Schulz deutet das Urteil als Abkehr von einem bisherigen Konsens an, wonach EU-Organe nationalen Institutionen übergeordnet seien. „Den Richtern fällt es offenbar schwer, sich damit abzufinden, dass ihre gefühlte Allzuständigkeit Grenzen hat. Karlsruhe offenbart nicht bloß einen Sinneswandel, sondern einen Gesinnungswandel“, kritisierte der frühere SPD-Parteichef. Er warf den Richtern Fahrlässigkeit vor. „Die Jubelschreie in Warschau und Budapest sowie in den Parteizentralen der Anti-  Europäer – bei uns die AfD – waren ja nicht zu überhören“, sagte Schulz. Die Richter hätten gewusst, was sie mit diesem Urteil auslösen. „Wegen einer Kompetenzstreitigkeit haben sie diesen Jubel billigend in Kauf genommen. Sie müssen deshalb jetzt mit dem Vorwurf leben, dass ihre Rechtsprechung Europa mehr schadet als nutzt“, sagte er. Schulz begrüßte die Ankündigung der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland zu prüfen. „Frau von der Leyen zeigt klare Haltung. Ich unterstütze sie darin aus voller Überzeugung.“ Als Hüterin der EU-Verträge müsse sie „den harten Schlag aus Karlsruhe parieren“, sagte er. Er hoffe, dass Bundeskanzlerin Merkel sie darin unterstützt – „am Mittwoch im Bundestag blieb sie jedoch, wie so oft, im Ungefähren“, beklagte der SPD-Kanzlerkandidat der Bundestagswahl 2017 gegenüber dem RND. Die Richter hatten in ihrem Urteil vom 5. Mai das EZB-Kaufprogramm beanstandet und sich damit zum ersten Mal über eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs hinweggesetzt. Dieser hatte den Käufen zugestimmt. +++