Rufe nach Debatte über Öffnung von Geschäften

Niedersachsen legt Stufenplan für Corona-Lockerungen vor

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Der Handel fordert angesichts sinkender Corona-Infektionszahlen eine breite Debatte über die Öffnung von Geschäften. „Wir benötigen konkrete Rahmenbedingungen für eine mögliche Wiedereröffnung des Einzelhandels“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Darüber müssen wir jetzt öffentlich in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft diskutieren, das darf nicht nur hinter verschlossenen Türen stattfinden.“ Der Nicht-Lebensmittelhandel brauche „Licht am Ende des Tunnels“. Es müsse klar sein, „bei welchen Pandemie-Zahlen welche Maßnahmen wieder gelockert werden können“.  Genth stellte zugleich die Fokussierung auf eine Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner infrage. Man müsse in der Pandemie überlegen, ob die Konzentration auf diesen Zielwert „der alleinige Maßstab für Lockerungen sein kann“.

Der HDE-Hauptgeschäftsführer hob hervor, es sollte zumindest abgestufte Öffnungsmaßnahmen für den Handel geben. Beispielsweise könne „zumindest das Einkaufen mit strenger Kundenzahlbegrenzung wieder zugelassen werden“. Genth fügte hinzu, es sei sehr zu begrüßen, dass der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) „einen ersten konkreten Vorschlag für mögliche Wege aus dem Lockdown ins Spiel gebracht hat“. Dies sei der richtige Ansatz. Wenn der Nicht-Lebensmittelhandel dagegen bis zum Erreichen einer Inzidenz von unter 50 „komplett in den Tiefschlaf geschickt“ werden solle, ignoriere dies, dass die Hygienekonzepte der Händler in der Vergangenheit hervorragend funktioniert hätten. Auch die Fitnessbranche fordert angesichts rückläufiger Neuansteckungen mit dem Coronavirus von der Politik ein Konzept für die schrittweise Rückkehr in den Betrieb. „Wir wünschen uns einen Stufenplan für die Wiedereröffnung“, sagte die Präsidentin des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV), Birgit Schwarze,  den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Sobald sich die Situation entspannt und die Zahl der Neuinfektionen wieder sinkt, muss die Politik eine Strategie zu schrittweisen Lockerungen vorlegen.“ Die Fitnessstudios hätten im vergangenen Jahr umfassende Hygienekonzepte erarbeitet, „es hat gut funktioniert“. Vielen Betrieben drohe nun der Ruin, nachdem sie erst in Hygienemaßnahmen investiert hätten, danach schließen mussten „und jetzt die versprochenen Hilfszahlungen nicht erhalten“, kritisierte Schwarze. Den Menschen und auch den Fitnessbetreibern fehle derzeit „eine Perspektive in der Pandemie“. Viele hätten sich auf die Impfpolitik der Regierung verlassen, „jetzt werden sie hängen gelassen“. Die Schließung von Trainingseinrichtungen habe überdies massive Auswirkungen auf die Gesundheit in der Bevölkerung. „Die Pandemie bedeutet für viele: Homeoffice, Sofa, Fastfood. Das ist der Start in Zivilisationskrankheiten.“ Fehlende Bewegung habe zudem Folgen für die psychische Gesundheit. „Es ist eine fatale Entwicklung. Dies wird von der Politik unterschätzt“, monierte Schwarze. Auch der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks fordert klare Perspektiven für eine Wiederöffnung der Betriebe. „In einer ersten Stufe sollten Kitas und Schulen wieder öffnen. In der nächsten Stufe sollten die Friseure wieder öffnen können“, sagte Verbandspräsident Harald Esser den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Als Voraussetzung nannte Esser, dass die Sieben-Tage-Inzidenz bei einem Wert unter 50 liege und sich die Reproduktionszahl ebenfalls stabil unter der kritischen Marke von 1,0 bewege. Um die Sicherheit in den Friseursalons zu erhöhen, forderte der Verband zudem eine Verschärfung der Maskenpflicht für die Betriebe: Kunden und Mitarbeiter sollten verpflichtet sein, medizinische Masken zu tragen, so Esser.

Niedersachsen legt Stufenplan für Corona-Lockerungen vor

Die Landesregierung in Niedersachsen hat für den Fall weiter sinkender Infektionszahlen einen Corona-Lockerungsplan erarbeitet. Er reicht von der Stufe 1 (geringes Infektionsgeschehen), wo fast alles wieder möglich ist, bis zur Stufe 6 (eskalierendes Infektionsgeschehen), in der so gut wie gar nichts mehr geht, berichtet die „Neue Osnabrücker Zeitung“. Demnach sieht der Plan vor, dass öffentliche und private Zusammenkünfte ohne Personenbegrenzungen, Abstand und Masken erst wieder möglich sein sollen, wenn die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche unter zehn liegt. Im Freizeitsport sind in Stufe 1 wieder alle Sportanlagen geöffnet und Kontaktbeschränkungen aufgehoben. Öffnen dürfen auch wieder Fitnessstudios, Schwimmbäder, Kneipen, Discos und Clubs sowie Hotels und Saunen. Prostitution ist bei einem geringen Infektionsgeschehen mit Hygienekonzept ebenfalls zugelassen. Auch für Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen gibt es so gut wie keine Einschränkungen mehr. Auch die Schulen und Kitas würden in einen Normalbetrieb zurückkehren. Aktuell liegt die Sieben-Tage-Inzidenz niedersachsenweit bei 82 (Stand: 27. Januar). Demnach befindet sich das Land dem Plan zufolge in Stufe 4 (starkes Infektionsgeschehen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz zwischen 50 und 100). Demnach sind Kontakte auf den eigenen Hausstand und eine weitere Person beschränkt, Gastronomie und Einzelhandel sind geschlossen. Bei den Schulen setzt das Land vorrangig auf Homeschooling, lässt aber an Grundschulen und in Abschlussklassen zum Teil Präsenzunterricht zu. Erklärtes Ziel der Landesregierung ist es, landesweit unter 50 zu kommen, um die Infektionsketten wieder nachverfolgen zu können. Der Einzelhandel und die Gastronomie sollen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 50 wieder öffnen dürfen – allerdings nur, wenn die Reproduktionszahl gleichzeitig unter 0,8 liegt. Liegt der sogenannte R-Wert darüber, müssen die Restaurants geschlossen bleiben  , ebenso die Geschäfte mit Ausnahme der Supermärkte. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen ab, welches etwa eineinhalb Wochen zurückliegt. Liegt der R-Wert über 1, steckt ein Infizierter im Mittel mehr als einen weiteren Menschen an. Liegt der Wert unter 1, verringert sich die Zahl der Neuinfektionen deutlich. Theater und Kinos sollen ebenfalls ab einer Inzidenz unter 50 und einem R-Faktor, der geringer als 0,8 ist, unter Auflagen wieder öffnen dürfen. Der Plan endet bei Stufe 6 mit einer Inzidenz von über 200 und einem Reproduktionsfaktor von mehr als 1,2. In diesem Fall gehen die Einschränkungen so weit, dass gar kein Besuch mehr empfangen werden darf, alle Freizeiteinrichtungen und Geschäfte mit Ausnahme von Supermärkten nicht mehr öffnen dürfen und alle Schulen und Kitas komplett geschlossen bleiben müssen und nur eine geringe Notbetreuung anbieten dürfen. Bei dem Stufenplan der Landesregierung handelt es sich um einen Entwurf, der nun zur Diskussion gestellt wird. Er soll als grobe Leitlinie für die nächsten sechs Monate dienen. Eine endgültige Entscheidung über das weitere Vorgehen will das Land aber erst nach der nächsten Ministerpräsidenten-Runde mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang Februar treffen.

Kommunen: Lockerungen erst bei flächendeckender Inzidenz unter 50

Der Städte- und Gemeindebund hat davor gewarnt, falsche Schlüsse aus den sinkenden Corona-Infektionszahlen zu ziehen. Lockerungen sollten erst vorgesehen werden, wenn „die Zahl der Gesundheitsämter mit niedrigen Inzidenzen weiter deutlich zunimmt und zu einer flächendeckenden Entwicklung führt“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Bisher hätten von 412 Gesundheitsamtsbezirken weniger als 30 eine Inzidenzzahl unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro Woche erreicht. Als erstes müssten Kitas und Grundschulen „unter Beachtung der Hygienevorschriften wieder behutsam Öffnungsperspektiven bekommen“, forderte Landsberg. „Auch der Einzelhandel, der seit Monaten zu leeren Innenstädten führt, und das für ihn so wichtige Weihnachtsgeschäft nicht nutzen konnte, kann dann in einem nächsten Schritt ebenfalls langsam wieder in Betrieb gehen.“ Gleiches könne für die Friseure gelten.

Bildungsministerin warnt vor verfrühter Öffnung der Schulen

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat vor einer verfrühten Öffnung der Schulen in der aktuellen Corona-Lage gewarnt. „Erst wenn die Infektionszahlen stabil runtergehen, und wir genauere Erkenntnisse über die Mutationen haben, können die Schulen wieder nach und nach geöffnet werden“, sagte sie den Zeitungen der „Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft“. „Große Vorsicht bleibt ein guter Ratgeber“, fügte Karliczek hinzu. Sie versicherte zugleich, dass bei allen Öffnungsüberlegungen die Schulen und Kitas „natürlich immer vorn stehen“. Die Ministerin sprach sich dabei für ein regional unterschiedliches Vorgehen aus. „Dort, wo das Infektionsgeschehen wieder unter Kontrolle ist, wird man sich mehr erlauben können als an anderen Landesteilen“, sagte die CDU-Politikerin. +++