Ökonomen: Einschränkung des Bewegungsradius schadet Wirtschaft kaum

Kubicki kritisiert Einschränkung der Bewegungsfreiheit

Ökonomen halten die wirtschaftlichen Folgen einer Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer in Gebieten mit besonders hohen Infektionszahlen für überschaubar. „Wenn die berufliche Mobilität weiter möglich bleibt, dürften sich die wirtschaftlichen Zusatzkosten in Grenzen halten“, sagte Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW), der „Welt“ (Mittwochausgabe). Touristik, Gastronomie, Shoppingausflüge seien ohnehin nicht möglich. Auch aus Sicht von Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), ist entscheidend, dass „die Fahrt zum Produktionsort weiterhin möglich bleibt“.

Auch die Auswirkungen des verlängerten Lockdowns bis Ende Januar auf die heimische Volkswirtschaft werden von Ökonomen als eher gering eingeschätzt. Die Verlängerung sei für die betroffenen Branchen, vor allem Einzelhandel und Gastronomie, schmerzlich, sagte Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, der „Welt“. Aber man dürfe nicht übersehen, dass große Teile der Wirtschaft, vor allem die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, geöffnet blieben. „Solange dies aufrechterhalten wird, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht so gravierend, dass man einen starken Einbruch der Wirtschaftstätigkeit befürchten muss“, sagte Fuest. Ähnlich sieht dies IW-Direktor Hüther. Entscheidend sei, dass die Industrie nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Darin sieht er den großen Unterschied zum Frühjahr, als Grenzen geschlossen und Lieferketten unterbrochen waren. Eine weitere Verlängerung des Lockdowns über den Januar hinaus müsse aber unbedingt vermieden werden, sagte Hüther. Beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht man davon aus, dass die Verlängerung des harten Lockdowns nur kurzfristig auf der wirtschaftlichen Erholung lastet. „Werden die Infektionszahlen damit effektiv gedrückt, ist eine kräftige Erholung im Frühjahr möglich“, sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen der „Welt“.

Kubicki kritisiert Einschränkung der Bewegungsfreiheit

Der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki übt scharfe Kritik an der geplanten Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf einen engen Radius rund um den Wohnort. Die Idee für dieses neue Instrument habe „keine ausdrückliche gesetzliche Verankerung“, sagte er dem „Handelsblatt“. „Ein Instrument also, über das abermals keine parlamentarische Debatte stattgefunden hat und das hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wird“, sagte Kubicki. Damit scheine sich hier alles zu wiederholen, was im Laufe des vergangenen Jahres hinsichtlich der fehlenden öffentlichen und parlamentarischen Debatte gesagt worden sei. „Entgegen aller Beteuerungen ist im Kanzleramt kein Lerneffekt eingetreten“, so Kubicki. Der FDP-Politiker äußerte zudem rechtliche Vorbehalte. „Bestenfalls können die Landesparlamente es in Gänze absegnen oder eben nicht“, sagte er. Eine Radius-Regelung müsse jedenfalls, ähnlich wie die Ausgangssperre „an hohe Voraussetzungen gebunden“ sein. “ Dass diese Hürde durch die Anknüpfung an den Inzidenzwert gewahrt ist, scheint fast ausgeschlossen“, ist Kubicki überzeugt. „Wir erleben im Moment, wie dieser Wert durch die Meldeverzögerung der Feiertage faktisch ohne belastbare Basis ist.“ Wer aber solche Beschränkungen durchsetzen möchte, brauche eine belastbare Evidenz und müsse sich auf einen hohen Begründungsaufwand einstellen. Zudem dürfe nicht übersehen werden, dass das Infektionsschutzgesetz inzwischen ausdrücklich regele, dass Maßnahmen nicht zu einer kompletten sozialen Isolation führen dürften. „Auch das muss in Einklang mit dem Vorschlag gebracht werden, weil nicht jeder seine sozialen Kontakte in bestimmten Radien pflegt“, sagte Kubicki. „Wer also seine kranke Oma außerhalb des Radius besuchen muss, darf hieran nicht gehindert werden.“ Das Instrument scheine daher „weder praktikabel noch rechtlich sicher zu sein“. +++

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