NRW-Agrarminister fordert Kurskorrektur bei Nutztierhaltung

Tiere sollten "fünf Freiheiten" genießen

Berlin. Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne) fordert eine deutliche Kurskorrektur in der Nutztierhaltung. „Die Haltungssysteme und Haltungsbedingungen sind den Bedürfnissen der Tiere anzupassen und nicht umgekehrt“, sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Tierhaltung dürfe nicht der Agrarindustrie überlassen werden. Stattdessen fordert Remmel eine unabhängige „Tierhaltungskommission auf Bundesebene, die verbindliche Standards für eine tiergerechte Haltung von Nutztieren erarbeitet und bei Fragen der Tierhaltung als Beratungsgremium zur Verfügung steht.“

Diese Kommission soll ein Expertengremium sein, besetzt von Wissenschaftler und Experten, wie dies auch etwa bei der Trinkwasser-Kommission schon gängige Praxis ist. „Wir haben oft genug den Fall, dass Rassen überzüchtet sind und Haltungsbedingungen bei den Tieren dazu führen, dass sie krank oder aggressiv werden. Hier muss eine Wende im Stall stattfinden.“ Remmel hat ein umfangreiches Konzept für eine „Nachhaltige Nutztierhaltung“ erarbeitet, das er am heutigen Mittwoch seinen Kollegen bei der zweitägigen Agrarministerkonferenz vorlegen möchte. Der Grünen-Politiker hält Änderungen in der Tierhaltung, Tierzucht, dem Einsatz von Antibiotika und im Umweltschutz für notwendig. Zudem müssten die Einkommen der Bauern besser gesichert werden, nicht zuletzt über höhere Verbraucherpreise für Produkte aus nachhaltiger Tierhaltung. Tiere sollten „fünf Freiheiten“ genießen, heißt es in dem Positionspapier: „Freiheit von Hunger und Durst, von haltungsbedingten Beschwerden, von Schmerz und Verletzungen, von Angst und Stress und die Freiheit zum Ausleben eines artgerechten Verhaltens.“

Auch Amputationen an Tieren – wie das Coupieren von Schweineschwänzen oder Putenschnäbeln – stehen „für eine überkommene und von der Gesellschaft nicht mehr akzeptierte Form der Nutztierhaltung“. Für den Deutschen Tierschutzbund ist eine Systemwende längst überfällig. „Bisher hat der Gesetzgeber versagt“, kritisierte der Präsident Thomas Schröder. Es gebe keinen ausreichenden gesetzlichen Rahmen, der für Tierschutz im Stall sorgt, noch eine staatliche Tierschutzkennzeichnung, die dem Verbraucher Orientierung bringe. „Wenn über 40 Millionen männliche Eintagsküken wie Müll entsorgt werden, dann muss auch dem letzten Tiernutzer klar sein, dass es so nicht weitergehen kann, weitergehen darf“, sagte Schröder den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Tiere dürfen nicht dem Diktat des Strebens nach konstantem Wirtschaftswachstum unterworfen werden, sondern es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, dass Tiere, die für die Produktion von Lebensmitteln gehalten werden, ausreichend geschützt werden.“ Dazu gehöre, dass tiergerechte Haltungsformen vom Staat gefördert werden, insgesamt der Konsum von tierischen Produkten reduziert wird und die Produktion auf die innerstaatliche Versorgung beschränkt wird. +++