Neues Geständnis im Fall Lübcke?

SOKO Liemecke - Ermittler finden eine "Datensammlung zu Personen und Objekten"

† Dr. Walter Lübcke

Der Verdächtige im Mordfall des ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, Stephan Ernst, will offenbar ein neues Geständnis ablegen. Fragen dazu soll der in Kassel inhaftierte Hauptverdächtige Journalisten des ARD-Politmagazins Panorama beantwortet haben. Dies hatte Ernsts Verteidiger mitgeteilt. Über den genauen Inhalt eines möglichen neuen Geständnisses sagte er aber nichts. Unterdessen musste in der heutigen Sitzung des Innenausschusses des Hessischen Landtags Innenminister Beuth zu einem Dringlichen Berichtsantrag von SPD, Freien Demokraten und Linken zur Rolle der Sicherheitsbehörden bei der Beobachtung des mutmaßlichen Mörders von Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke, Stephan E., Stellung beziehen.

Rudolph (SPD): Stephan E. vermutlich auch 2011 und 2014 aktenkundig

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Günter Rudolph, sagte dazu am Donnerstag in Wiesbaden: „Der Innenminister hat heute erstmals erklärt, dass die Sicherheitsbehörden vermutlich auch nach 2009 Erkenntnisse über Stephan E. hatten. So soll er auf einem Lichtbild aus dem Jahr 2011 zu sehen sein. Außerdem soll er im Jahr 2014 in einem Aktenstück aufgetaucht sein. Damit steht einmal mehr die Frage im Raum, wieso Stephan E. vom Radar der Sicherheitsbehörden verschwinden konnte. Wie kann es sein, dass man Bilder eines jahrzehntelangen aktiven Rechtsextremen aus der Kasseler rechten Szene zum Zeitpunkt der Lichtbildaufnahme und der Entstehung des Aktenstücks nicht, nun aber vermutlich schon Stephan E. zuordnen kann? Es ist und bleibt nicht nachvollziehbar, wieso, insbesondere nach dem Bekanntwerden der Taten des NSU, offensichtlich kein besonderer Fokus der Sicherheitsbehörden auf der rechtsextremen Szene in Hessen und vor allem in Kassel lag. Die neuen Informationen werfen zudem weitere Fragen auf: Wurde zum Zeitpunkt der Entstehung des Lichtbilds und des Aktenstücks versucht, die darauf zu sehende Person zuzuordnen und falls ja, mit welchem Ergebnis? Wurden im Anschluss weitere Recherchen durchgeführt um eine Zuordnung der Person zu ermöglichen? Wir können aus der Antwort des Ministers nur Schlussfolgern: Die Salamitaktik in Sachen Information von Innenminister Beuth geht weiter.“ Auch der Vorwurf eines möglichen Geheimnisverrats durch die Veröffentlichungen des Abgeordneten Jürgen Frömmrich habe sich nach Angaben von Rudolph weiter erhärtet. „Wir werden den Sachverhalt nochmals intensiv durchleuchten und erneut prüfen“, so der Parlamentarische Geschäftsführer abschließend.

Müller (FDP): Minister bleibt Antworten schuldig

„Der Minister bleibt weiter die Antworten auf die entscheidenden Anfragen schuldig“, sagt Stefan Müller, innenpolitischer Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, nach der heutigen Sitzung des Innenausschusses. Dies betreffe insbesondere die wichtigen Fragen zur Rolle der Sicherheitsbehörden bei der Beobachtung des mutmaßlichen Mörders des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, Stephan E.. Bemerkenswert sei, dass die Entscheidung, dass es sich bei Stephan E. um einen abgekühlten Rechtsextremisten handelt, schlicht durch Sperrung der Akte erfolgt sei. „Eine Informationspolitik, die der Transparenz und Aufklärung dient, sieht anders aus“, kritisiert Müller. Die Informationen wären wichtig, um Erkenntnisse zu gewinnen, welche weiteren Veränderungen in der Struktur der Sicherheitsbehörden vorgenommen werden müssen. Dass die Oppositionsabgeordneten in der Sitzung gerade seitens der Grünen aufgefordert wurden, jetzt erst einmal die Ermittlungen abzuwarten, sei der Gipfel der Unverschämtheit. „Es geht um nichts weniger als die Aufklärung eines Mordes und die notwendigen Veränderungen in der Struktur der Sicherheitsbehörden“, erinnert Müller. In der Diskussion um einen möglichen Geheimnisverrat durch den Abgeordneten Frömmrich seien die Antworten des Innenministers nicht anders zu interpretieren, als dass Frömmrich zwar die elf Nennungen des Namens Stephan E. veröffentlichen durfte, aber die weiteren Informationen nicht von der Herabstufung der Akte umfasst waren.

SOKO Liemecke – Ermittler finden eine „Datensammlung zu Personen und Objekten“

Im Mordfall des Kasseler Regierungspräsidenten, Herrn Dr. Walter Lübcke, haben die Ermittler der SOKO Liemecke bei der Auswertung der sichergestellten Datenträger des beschuldigten Stephan E. unter anderem Aufzeichnungen über etwa 60 Personen und Objekte gefunden. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden von dem Beschuldigten verschiedene Informationen, über zum Teil Personen des öffentlichen Lebens bzw. Objekte, überwiegend aus dem Großraum Kassel, erhoben und gespeichert. Diese Erhebung der Daten durch den beschuldigten Stephan E. liegt überwiegend mehr als 10 Jahre zurück, im Schwerpunkt im Zeitraum von 2001 bis 2007. Unmittelbar nach Bekanntwerden wurde seitens des Hessischen Landeskriminalamtes zunächst eine Bewertung des Sachverhaltes durchgeführt, um festzustellen, ob für die dort genannten Personen und Objekte eine Gefährdung besteht. Bei der einzelfallbezogenen Prüfung haben sich derzeit keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung ergeben, die polizeiliche Maßnahmen erforderlich machen würden. Alle aufgeführten Personen und Objektverantwortlichen werden dennoch seit heute Morgen im Rahmen dieser Gefährdungsbewertung persönlich durch die hessische Polizei kontaktiert und über den Sachverhalt informiert. Grundsätzlich gilt: Bei polizeilichem Bekanntwerden solcher Daten mit eventuell gefährdeten Personen, die ihren Wohnsitz in oder Bezüge nach Hessen haben, erfolgt immer eine intensive, zum Teil auch länderübergreifende Überprüfung des Sachverhaltes in Verbindung mit einer sich anschließenden Gefährdungsbewertung. Das Hessische Landeskriminalamt führt laufend eine aktualisierte Recherche hinsichtlich aktueller Gefährdungshinweise durch. Sofern sich Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung für einzelne Personen oder Personengruppen ergeben, werden diese durch das Hessische Landeskriminalamt oder die ortszuständige Polizeibehörde kontaktiert und entsprechende Schutzmaßnahmen eingeleitet. +++