Mihalic kritisiert Fokus auf Einzeltäter im Fall Lübcke

Faeser: Innenminister Beuth lässt wesentliche Fragen unbeantwortet

† Dr. Walter Lübcke

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, hat mit Blick auf die Ermittlungen im Fall Lübcke davor gewarnt, sich durch die Einzeltäter-These von den Hintergründen des mutmaßlichen Täters ablenken zu lassen. „Ich glaube, dass diese strenge Fokussierung auf den juristischen strafrechtlichen Einzeltäter-Begriff uns einfach in die Irre führt“, sagte sie am Mittwoch im Deutschlandfunk. Es müsse unterschieden werden zwischen dem juristischen Einzeltäter-Begriff, zwischen Komplizen und Helfern und rechtsextremen Netzwerken, in die Stephan E. möglicherweise eingebunden gewesen sei und die sonst übersehen werden könnten.

In diesem Zusammenhang verwies die Grünen-Politikerin auf das NSU-Trio. Sie begrüßte, dass offenbar auch andere Straftaten auf einen Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Täter untersucht werden. „Da ist auch die Frage, woher hat er die Waffe beschafft, wer war da möglicherweise beteiligt, mit wem hatte er Kontakt, wie ist es denn mit Combat 18.“ Zudem forderte Mihalic auch, den „geistigen Boden“ anzuschauen, auf dem solche Straftaten begangen werden. Zwar gebe es für Parteien wie die AfD keine juristische Schuld für die Tat, aber man wisse um die Personenverbindungen zwischen AfD-Funktionären und der rechtsextremen Szene. „Da gibt es eine Szene, die bereitet mit ihrem Hass und mit ihrer Rhetorik einen gewissen Nährboden, und auf Worte folgen Taten.“ Die Grünen-Politikerin forderte auch, dass das Bundesinnenministerium eine Task Force einrichtet und auch Rechtsextremismus-Experten und Akteure aus der Zivilgesellschaft zurate zieht, um wirksame Strategien zur Bekämpfung der rechtsextremen Szene zu entwickeln. Stephan E. hatte nach Angaben des Generalbundesanwalts am Dienstag die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gestanden, jedoch behauptet, alleine gehandelt zu haben.

Maas reicht Geständnis im Fall Lübcke nicht

Außenminister Heiko Maas (SPD) hat davor gewarnt, nach dem Geständnis von Stephan E. zum Mord an dem hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke den Fall als erledigt zu betrachten. „Mit einem Geständnis darf die Aufklärung nicht enden. Der Fall und die Hintergründe müssen lückenlos aufgeklärt werden“, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zuvor war bekannt geworden, dass der als rechtsextrem geltende Stephan E. gestanden hat, den Kasseler Regierungspräsidenten erschossen zu haben. In einem Brief an die Bundestagsabgeordneten schrieb Maas, der Mord an Walter Lübcke mache fassungslos. „Fassungslos sind auch viele, viele Kommunalpolitiker und Ehrenamtliche, die täglich Anfeindungen, Drohungen und teils auch Gewalt ausgesetzt sind.“ Vor diesem Hintergrund rief der Außenminister und frühere Justizminister Parteien, Gewerkschaften, Verbände und Medien auf, am Donnerstag im Internet auf allen Social-Media-Kanälen ei  n Zeichen gegen Hass und Gewalt zu setzen. Dass Kommunalpolitiker und Ehrenamtliche vor Ort einer Welle von Bedrohung und Gewalt ausgesetzt seien, sei erschreckend. „Sie sind das Herz unserer Demokratie. Angriffe auf sie sind Angriffe auf uns alle“, sagte Maas den Zeitungen. Kommunalpolitiker seien für alle anderen Bürger da: „Es wird Zeit, dass wir für sie da sind. Deswegen rufe ich parteiübergreifend zum Donnerstag der Demokratie auf.“ Am Donnerstag sollten Alltagshelden, vom Sozialarbeiter bis zum Bürgermeister, im Netz positiv im Rampenlicht stehen. „Alle sind eingeladen, unter #donnerstagderdemokratie die Geschichten unserer Alltagsheldinnen zu erzählen und aus ihrer Sicht zu beschreiben, warum sie so wichtig sind für unsere Demokratie“, sagte Maas. Er selbst werde am Donnerstag über seine Social-Media-Kanäle Namen und Geschichten besonderer Menschen posten. Maas appellierte an seine Parlamentskollegen: „Vielleicht fällt Ihnen auch direkt jemand aus Ihrem Wahlkreis ein, dessen Geschichte Sie am Donnerstag mit dem Hashtag #donnerstagderdemokratie erzählen wollen.“

Bericht: Bundesinnenministerium prüft Verbot von Combat 18

Als Konsequenz aus dem Mord an Lübcke prüft das Bundesinnenministerium, ob die rechtsextreme Gruppe Combat 18 verboten werden kann. Das kündigte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestages an, berichtet „Zeit-Online“ unter Berufung auf Teilnehmer der Sitzung. Das rechte Netzwerk Blood & Honour ist seit dem Jahr 2000 in Deutschland verboten. Combat 18 gilt als Teil dieser Verbindung. Mit dem Verbot von Blood & Honour wurden jedoch weder die Strukturen noch die Logos von Combat 18 verboten. Das solle nun noch einmal geprüft werden, sagte Seehofer Teilnehmern zufolge. Der hessische Innenminister Peter Beuth sagte im dortigen Innenausschuss, er setze sich beim BMI für ein „zeitnahes Verbot“ ein. Die Gruppe war Thema in den Innenausschüssen des Bundestages und des hessischen Landtages, weil davon ausgegangen wird, dass Stephan E., der mutmaßliche Mörder von Lübcke, Kontakt zu ihr hatte. Auch ist nach Ansicht von Innenminister Beuth das Geständnis des tatverdächtigen Stephan E. für den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke ein großer Erfolg der hessischen Ermittlungsbehörden.

Nancy Faeser: Innenminister Beuth lässt wesentliche Fragen unbeantwortet

In der heutigen Sondersitzung des Innenausschusses des Hessischen Landtags hat Innenminister Beuth unter anderem zu einem dringlichen Berichtsantrag von SPD und FDP Stellung genommen. Der dringliche Berichtsantrag besteht aus Fragen zu Stephan E. und dessen Verbindungen in die rechtsextreme Szene in Hessen. Zudem wurde am Mittwoch bekannt, dass Stephan E. gestanden hat, den Mord an Dr. Walter Lübcke verübt zu haben.

Die Innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Nancy Faeser, zeigte sich angesichts der wiederholt dürftigen Informationsbereitschaft des Innenministers verärgert. Faeser sagte nach der Sitzung in Wiesbaden: „Der Mord an Dr. Walter Lübcke stellt eine Zäsur dar. Es ist der erste Mord mit mutmaßlichen rechtsextremistischen Hintergrund an einem Politiker seit der Weimarer Republik und mutmaßlich der zweite rechtsextreme Mord in Kassel. Anstatt die Fragen seitens der Abgeordneten dazu ausführlich zu beantworten, haben wir einen unangemessenen langen Vortrag von Herrn Beuth über die Maßnahmen der Landesregierung gegen Rechtsextremismus der vergangenen Jahre erlebt. Es ging uns aber um eine konkrete Aufklärung. Angesichts des schrecklichen Mordes an Regierungspräsident Dr. Lübcke hätten wir uns konkretere Informationen gewünscht statt leerer Floskeln. Wir stellen uns anhand der vorliegenden Informationen über Stephan E. die Frage, wieso eine Person, die seit 1990 insgesamt 37 Straftaten, darunter ein versuchter Rohrbombenanschlag auf ein Flüchtlingsheim in den 1990er Jahren, begangen hat, seit dem Jahr 2009 nicht mehr im Fokus des Landesamts für Verfassungsschutz stand. Diese Frage wurde durch Innenminister Beuth nicht beantwortet. Offenkundig haben die Verantwortlichen die rechtsextreme Szene in Nordhessen weiterhin unterschätzt. Dies ist umso unverständlicher, da wir seit dem NSU-Untersuchungsausschuss wissen, dass es stabile rechte Netzwerke in Hessen gibt und diese dort auch Gegenstand der Beratung waren.“ Faeser betonte nochmals die Forderung nach einer lückenlosen Aufklärung des Falls. +++