Merz hört mit – Auf gutem Wege in der Einbahnstraße

Fulda/ Gießen. Wir haben in dieser Kolumne schon mehrfach die Frage des Ortes der Politik beleuchtet, leider ohne wirklich zu klaren Ergebnissen zu kommen. Umso verständlicher wird da, dass Politik und Politiker ständig unterwegs sind. Mit Gerhard Polt gesprochen: Politik, das ist ein ambulantes Geschwerl, weshalb auch auf diesem Feld (zum Verhältnis von Politik und Feld vgl. Kolumne vom 7. September 2014) von einer zunehmenden Ambulantisierung gesprochen werden kann, die nichts anderes ist als der politische Ausdruck der prinzipiellen Unbehaustheit des Menschen.

Die Erkenntnis, dass das Leben ein Jammertal ist, drückt sich eben auch in der Politik aus, wo das Durchschreiten der Jammertalsohlen, vor allem der konjunkturellen, zu den Königsdisziplinen gehört. Auf dem Marsch durch die Talsohle gilt es, immer schön auf den vorgeschrieben Abbaupfaden und -treppen zu bleiben und all die Irrwege (deren revolutionäre Variante übrigens der „lange Marsch“ und deren reformistische der „lange Marsch durch die Institutionen“ ist), die Sackgassen und Abstellgleise, zu vermeiden und nicht in die Zeit-, Ausbau-, Onshore-, Lärmpausenmodell- und sonstigen Korridore zu geraten. Allzu schnell ist man festgefahren, was zur Blockade, in jedem Fall aber zu unerwünschter Entschleunigung führt.

Besonders gefährlich ist natürlich die Einbahnstraße. Nichts, aber auch gar nichts ist auf und in ihr zu erreichen. Solidarität z.B. ist nach allgemeiner Auffassung keine Einbahnstraße, Vertrauen und Liebe auch nicht, Feedback, Kommunikation, Journalismus und eine gute Homepage, Führung, Flexibilität, Wirtschaft und Börse, die Würmtal-Insel und die Kolonialgeschichte, Ausbildung und Förderschule erst recht , Integration und Inklusion schon mal gar nicht. Selbst dem Kapitalismus, der Mission, der Evolution und dem schwarzen Loch wird nachgesagt, jeweils keine Einbahnstraße zu sein, was auch immer das heißen mag. (alle Einträge bei Google, „ist keine Einbahnstraße“ eingeben) „Alkoholismus muss keine Einbahnstraße sein“ (Schlagzeile Gießener Allgemeine Zeitung vom 18. Februar 2012)klingt nicht wirklich beruhigend. Auch Befruchtung, so sagte einmal der große Meister des gesprochenen Wortes Helmut Kohl vor buddhistischen Mönchen (!) in Japan, Befruchtung ist keine Einbahnstraße, das geht vor und zurück! Wer wollte dem widersprechen?

Natürlich kann man die Einbahnstraßen umgehen, indem man Umgehungsstraßen benutzt. Was aber, wenn der Bund die Umgehungsstraße ausbremst (Schlagzeile Frankfurter Rundschau vom 19.Juli 2006) oder wenn der Weg von Schlaglöchern gepflastert ist (so ein MdL von Bündnis 90/Die Grünen im Hess. Landtag am 4. März 2010) Klug ist es, sich auf dem Weg zu den unbekannten Orten der Politik, ob im Hochgebirge oder auf hoher See, an den mittlerweile auch Onshore überall aufgestellten Leuchttürmen zu orientieren, wenn man gut unterwegs und im Flow bleiben will. Wenn freilich der „Leuchtturm in Seenot“ Ist (Schlagzeile Frankfurter Rundschau, 19. März 2010), dann „segelt man auf einer Rasierklinge“ (SPD-MdL im Hess. Landtag am 8. Februar 2011) und schnell schlagen die schweren Wasser der Politik über einem zusammen.

Grundsätzlich ist aber all diesen Fährnissen zum Trotz der Politiker immer gut unterwegs und immer auf einem guten Wege, immer für die gute Sache, häufig für einen guten Zweck auf einem Charity Walk, einem Run and Roll for Help oder auf dem Deutsche Post Ladies Run Wiesbaden. Im Überschwang macht er manchmal auch einen Schritt über den Tellerrand hinaus (so ein Gießener Kreistagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen am 14. November 2005). Da geraten auch die Pedale schon mal aus dem Ruder (Pressemitteilung der Stadtwerke Gießen, 08. Dezember 2007) und schnell ist man jemandem an die Kandarre gefahren (so ein SPD-MdL im Hess. Landtag am 1. Juni 2010). Wo und wie aber auch immer: Die Bewegung ist alles, das Ziel ist nicht oder: Der gute Weg ist das Ziel! Er ist der Königsweg!

PS: Neben den Bewegungen gibt es natürlich immer noch das gewissermaßen antithetische Aussitzen, das von Helmut Kohl zur höchsten und unübertrefflichen Meisterschaft entwickelt wurde. Die Zwillingsschwester des Aussitzens ist die Gesäßdiplomatie. Eine Nebenrolle spielt der Sitzkrieg. Er war auf dem Irrweg und ist auf einem Nebenkriegsschauplatz gelandet. Und Krieg ist keine Einbahnstraße! +++ fuldainfo | gerhard merz