Mehr Burnout-Fälle unter Berufstätigen – KKH warnt vor hoher Dunkelziffer

Der Jahresendspurt bedeutet für viele Berufstätige eine besonders hohe Belastung. In den Unternehmen wird bis zur letzten Minute gearbeitet, zugleich stehen Weihnachtsfeiern, Geschenke, Familienbesuche und weitere Verpflichtungen an. Für zahlreiche Beschäftigte ist diese Phase die stressigste Zeit des Jahres. Besonders betroffen sind dabei Menschen, die bereits seit längerer Zeit unter Dauerbelastung stehen. Der anhaltende Druck hat zunehmend gravierende Folgen und führt immer häufiger zu längeren Arbeitsausfällen.

Nach aktuellen Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse entfielen im vergangenen Jahr aufgrund eines diagnostizierten Burnout-Syndroms 107,3 Fehltage auf 1.000 ganzjährig versicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das entspricht einem Anstieg um 33 Prozent gegenüber vor fünf Jahren, als der Wert noch bei 80,7 Tagen lag. Auch die Zahl der Krankheitsfälle nahm deutlich zu. Seit 2019 stieg sie um 46 Prozent von 2,9 auf 4,2 Krankschreibungen je 1.000 Berufstätige. Im Jahr 2024 war ein beziehungsweise eine Arbeitnehmerin im Durchschnitt 25,7 Tage wegen eines Burnout-Syndroms krankgeschrieben.

Nach Einschätzung der KKH-Expertin Antje Judick spiegeln diese Zahlen jedoch nur einen Teil des tatsächlichen Ausmaßes wider. „Die Zahlen zeigen allerdings nur die Spitze des Eisbergs“, sagt die Arbeitspsychologin. Erfasst würden lediglich jene Ausfalltage, für die ein ärztliches Attest mit entsprechender Diagnose vorliege. Da Burnout weiterhin nicht als eigenständige Erkrankung gilt und häufig unter anderen Diagnosecodes geführt werde, sei von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen.

Gestützt wird diese Einschätzung durch eine forsa-Umfrage im Auftrag der KKH unter rund 1.360 Erwerbstätigen. Demnach geben 55 Prozent der Befragten an, sich bei Stress erschöpft oder ausgebrannt zu fühlen. 27 Prozent berichten, unter Druck bereits niedergedrückt oder depressiv gewesen zu sein. Aktuell fühlen sich 97 Prozent der Berufstätigen zumindest gelegentlich in ihrem Alltag oder im Beruf hohen Anspannungen und Belastungen ausgesetzt. Insgesamt sagt jede beziehungsweise jeder Zweite, dass der Stress in den vergangenen ein bis zwei Jahren zugenommen habe. Als eine der Hauptursachen werden von 49 Prozent hohe Ansprüche an die eigene Person genannt.

Ein klassischer Burnout äußert sich laut KKH häufig durch deutlich wahrnehmbare körperliche und verhaltensbezogene Symptome wie anhaltende Gereiztheit, chronische Erschöpfung sowie ausgeprägte Verhaltensänderungen bis hin zum sozialen Rückzug. Daneben gibt es den sogenannten stillen Burnout, der sich schleichend und weniger auffällig entwickelt, insbesondere auf psychischer Ebene. Betroffene halten nach außen oft den Eindruck von Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit aufrecht, verdrängen eigene Warnsignale und verzögern dadurch eine Auseinandersetzung mit der Erkrankung. „Ein klassischer Burnout betrifft häufig Workaholics mit einem Hang zum Perfektionismus, die ihre Grenzen überschreiten und Warnsignale ignorieren. Von einem stillen Burnout sind eher besonders hilfsbereite Menschen betroffen, die ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen“, erläutert Judick. Beide Formen könnten unbehandelt zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen sowie zu körperlichen Leiden, etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, führen.

Der stille Burnout gilt als besonders schwer erkennbar, da die Betroffenen weiterhin funktionieren und nach außen belastbar wirken. Nach Angaben der Expertin können Warnsignale unter anderem eine erhöhte Sensibilität gegenüber Licht, Lärm oder Berührungen sein, die als unangenehm empfunden werden. Zudem wirkten Betroffene häufig auffällig fröhlich, obwohl sie innerlich stark erschöpft seien.

Zu den Anzeichen für beide Burnout-Formen zählen außerdem Ein- oder Durchschlafstörungen, schnelle Reizbarkeit, Nervosität sowie Stimmungsschwankungen bei kleinen Veränderungen im Alltag. Auch der Wunsch, ständig verfügbar zu sein, und die Unfähigkeit, Nein zu sagen, gelten als typische Hinweise. Angehörigen und Kolleginnen oder Kollegen empfiehlt Judick, das Gespräch zu suchen, dabei jedoch behutsam vorzugehen. Beobachtungen sollten in Ich-Botschaften formuliert werden, um Vorwürfe zu vermeiden.

Betroffene selbst sollten Warnsignale ernst nehmen und frühzeitig handeln. Schlafstörungen, Erschöpfung, Konzentrationsprobleme oder eine steigende Fehlerquote seien Hinweise, die nicht ignoriert werden sollten. „Der erste Schritt ist es, ehrlich zu sich selbst zu sein“, betont Judick. Zudem rät sie, frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, etwa durch Stressbewältigungstechniken, spezielle Burnout-Workshops oder die Begleitung durch Coaches oder Therapeutinnen und Therapeuten. Je früher gegengesteuert werde, desto größer seien die Chancen, schwerwiegende Folgen zu vermeiden. +++


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