Marburger-Bund-Chefin kritisiert Spahn-Reform zu Notfallversorgung

Im Krankenhaus sei stets ein Facharzt in Rufbereitschaft

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hat den Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für eine Reform der Notfallversorgung kritisiert. „Der Plan des Gesundheitsministers birgt auch die Gefahr, dass die Versorgung schlechter wird“, sagte die Marburger-Bund-Vorsitzende Susanne Johna der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Im Krankenhaus sei stets ein Facharzt in Rufbereitschaft, der jederzeit eingreifen könne. Die Kassenärztlichen Vereinigungen besetzten ihre Notdienste häufig mit sogenannten Pool-Ärzten, die noch keine Fachärzte sind.

„In Notfallzentren unter Leitung der Kassenärzte wäre eine durchgehende Facharzt-Betreuung also nicht garantiert. Das wäre ein Rückschritt“, so die Marburger-Bund-Chefin weiter. Grund der Kritik ist Spahns Vorhaben, „integrierte Notfallzentren“ auf den Geländen der Krankenhäuser zu errichten, und zwar unter Leitung der Kassenärztlichen Vereinigungen. „Was er nicht sagt: Welche Ärzte sollen denn da arbeiten?“, so Johna. Die von den Kassenärztlichen Vereinigungen vertretenen niedergelassenen Ärzte könnten „wohl kaum eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung sicherstellen, sie haben ja schließlich noch ihre Praxen“. In der Realität werde es „also ohne die Klinikärzte nicht funktionieren. Aber möchten die wirklich in den Notfallzentren arbeiten, in denen keine Tarifregeln gelten?“, so die Ärztegewerkschaftschefin. Viele Krankenhäuser seien selbst „händeringend“ auf der Suche nach Ärzten. „Die meisten Klinikärzte werden gar nicht abkömmlich sein, sie werden auf den Stationen gebraucht“, sagte Johna der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der Gesetzentwurf Spahns habe deswegen „eine große Schlagseite“.

Entscheidend sei, dass ein Patient in einem standardisierten Verfahren richtig zugewiesen werde, ob am Telefon oder an den Rettungsstellen der Krankenhäuser. „Dafür brauchen wir keine neuen, wirtschaftlich unabhängigen Betriebe, in denen das Risiko besteht, dass Krankenhausärzte ausgenutzt werden“, so die Marburger-Bund-Chefin weiter. Als Grund für die vielfach überlasteten Rettungsstellen sieht sie ein fehlendes Gesundheitswissen der Patienten. Es sei ein „riesiges Problem, dass die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung vielfach verloren gegangen ist. Früher hat man Großeltern oder Eltern gefragt, was zu tun sei. Heute fehlt oft dieses Erfahrungswissen“, so die Ärztegewerkschaftschefin. Dahingehend forderte sie, dass man die Gesundheitskompetenz der Menschen stärken und für Aufklärung sorgen müsse. „In der Schule sollten wir mindestens im Biologieunterricht Gesundheit zum festen Bestandteil des Lehrplans machen. Und in Ganztagsschulen muss Gesundheitsförderung auch im Nachmittagsprogramm eine viel größere Rolle spielen. Wenn wir die Kompetenzen der Schüler stärken, hilft das allen“, sagte Johna der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Den Vorschlag Spahns, Ärzte durch eine Delegation von Aufgaben an Pfleger zu entlasten, sieht die Verbandschefin ebenfalls kritisch. „Die Pflegekräfte sind aber ebenfalls überlastet und könnten schon daher kaum ärztliche Aufgaben übernehmen. Der Fokus muss darauf liegen, die Ärzte von bürokratischen Pflichten zu entbinden“, so die Marburger-Bund-Chefin. Man brauche eine „Generalinventur der Verwaltungslast, die Ärzten und Pflegern inzwischen aufgebürdet“ werde. Viele Dokumentationspflichten gebe es doch nur, um zu verhindern, dass irgendjemand wegen irgendetwas klagen könnte. „Es werden massenhaft Datengräber geschaffen, von denen kein einziger Patient profitiert“, sagte Johna der Zeitung. Wenn Ärzte „vier Stunden hinterm Schreibtisch“ säßen, um Daten zu erfassen, „ist das ein Skandal, denn hier wird Arzt-Zeit aufgefressen, die den Patienten gehören sollte.“ Daher müssten die Abrechnungen „deutlich vereinfacht werden“, so die Marburger-Bund-Chefin. +++