Lockdown wird wohl bis 31. Januar verlängert – Weitere Maßnahmen

Ökonomen erwarten wegen Lockdown-Verlängerung längere Schwächephase

Ein Tag vor den offiziellen Beratungen der Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben sich Bund und Länder auf mehrere Maßnahmen geeinigt, manche Punkte sind aber auch noch strittig. Der Lockdown soll wohl zunächst bis 31. Januar verlängert werden, eine erneute Bund-Länder-Konferenz am 27. Januar soll dann über eine abermalige Verlängerung oder über mögliche Lockerungen entscheiden. Das gehe aus einem Bericht einer Besprechung der Chefs der Staats- und Senatskanzleien mit dem Kanzleramt von Montagnachmittag hervor, berichtete das Wirtschaftsmagazin „Business Insider“ am Abend.

Neu beschließen wollen Bund und Länder laut des Berichts auch eine neue Schnelltest-Truppe mit mehreren tausend Helfern für Alten- und Pflegeheimen. Zuletzt hatte es Kritik an der bereits geplanten deutlichen Ausweitung der Tests gegeben, da dafür das Personal fehle. Nun soll es auf Wunsch des Kanzleramtes eine bundesweite Bewerbungshotline geben, die von der Bundesagentur für Arbeit betrieben wird. Alle Interessierten mit medizinischem Hintergrund können sich dann dort bewerben. Details zu den Jobs, etwa das Gehalt und die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, sind allerdings noch unklar. Beim bisherigen Streit-Thema Schulen und Kitas läuft es bislang darauf hinaus, dass die bestehenden Regelungen fortgeschrieben werden. Heißt: Schulen und Kitas bleiben im Grundsatz dicht, allerdings soll es Notbetreuung und Möglichkeiten des Distanzlernens geben. Über eine mögliche Lockerung dieser Maßnahmen sollen Bund und Länder bereits beraten, so der Wunsch vor allem der SPD-geführten Länder, möglicherweise bereits in der zweiten oder dritten Kalenderwoche. Neben dem genauen Wortlaut der Schul- und Kita-Regelungen strittig sind noch drei andere Themen: So fordern die Länder beim Thema Impfstoff-Lieferungen vom Bund verlässliche Ziel-Zahlen. Zudem fordern sie für vom Lockdown betroffene Betriebe wie schon bei den November- und Dezemberhilfen Abschlagszahlungen im Rahmen der Überbrückungshilfe III. Und auch Arbeitnehmer, die ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, sollen finanziell unterstützt werden. Im Gespräch sind Entschädigungszahlungen für Verdienstausfälle.

Gesundheitsminister knüpft Lockerungen an Durchimpfung der Ü70

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält laut interner Äußerungen eine Lockerungspolitik in der Pandemie für möglich, wenn die besonders gefährdete Altersgruppe der Über-70-Jährigen geimpft ist. Nach diesem „entscheidenden Zwischenetappenziel“ werde die Belastung im Gesundheitssystem eine andere sein, sagte Spahn am Montag bei einer nicht-öffentlichen Sitzung des Gesundheitsausschusses im Bundestag, berichtet das „Handelsblatt“. Dieser Punkt werde „deutlich vor dem Sommer“ erreicht sein, fügte Spahn laut Sitzungsteilnehmern hinzu. Fast neun von zehn Menschen, die in Deutschland an oder mit dem Coronavirus gestorben sind, waren 70 Jahre oder älter. Der Altersmedian liegt laut Robert-Koch-Institut (RKI) bei 84 Jahren. „Wenn wir mit der Impfung der Gruppe über 70 Jahre durch sind, halte ich eine Schließung von Hotels, Gaststätten, Einzelhandel und ähnlichen Einrichtungen in großem Stil nicht mehr für gerechtfertigt“, sagte auch der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich dem „Handelsblatt“. Diese Einschränkungen würden schließlich mit der drohenden Überlastung der Krankenhäuser begründet, sagte Hennrich. Eine Durchimpfung bei den Über-70-Jährigen sowie in Pflegeheimen werde dazu führen, „dass sich die Zahl der schweren Verläufe und die damit verbundenen intensivmedizinischen Behandlungen in den Krankenhäusern reduziert“, sagte der Politiker. Zwar müssten Abstandsregeln und das Tragen von Masken „bis weit in den Sommer“ gelten, auch große Publikumsveranstaltungen würden schwierig bleiben – doch in der Debatte um die Corona-Strategie komme bislang zu kurz, „welche Auswirkungen die Impfung der Risikogruppen auf die Einschränkung der Freiheitsrechte und die einschränkenden Maßnahmen hat“.

Ökonomen erwarten wegen Lockdown-Verlängerung längere Schwächephase

Die geplante Verlängerung des Lockdowns wird nach Ansicht mehrerer Ölonomen die wirtschaftliche Erholung verzögern. Ob Deutschland erneut in eine Rezession rutsche, hänge stark davon ab, ob die bislang intakte Erholung des Industriesektors weitergehe, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest dem „Handelsblatt“. „Eine längere Schließung großer Teile des Einzelhandels wird sich irgendwann auch auf die Nachfrage nach Industriegütern auswirken“, sagte der Ökonom. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat wegen der Härte der zweiten Infektionswelle seine Wachstumsprognose bereits von 5,2 Prozent auf 3,5 Prozent gekürzt. Für DIW-Präsident Marcel Fratzscher befindet sich die deutsche Wirtschaft bereits in einer erneuten Rezession: „Nach einem schrumpfenden vierten Quartal erwarten wir einen wirtschaftlichen Einbruch von mehr als zwei Prozent jetzt im ersten Quartal 2021“, sagte Fratzscher dem Blatt. Die Hoffnung eines wirtschaftlichen Neustarts liege dann auf dem zweiten Quartal. Dies werde aber nur dann gelingen, wenn die Infektionswelle bis Februar abebbe und die Einschränkungen dann zum größten Teil aufgehoben werden könnten. „Wenn dies nicht gelingt, dann könnte die Wirtschaft in Deutschland noch länger leiden und die Gefahr von Unternehmensinsolvenzen und Arbeitslosigkeit deutlich zunehmen“, warnt Fratzscher. Auch Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), sieht die deutsche Volkswirtschaft „technisch gesehen“ bereits in einer Rezession, allerdings in einer leichten: Solange die Industrieproduktion und das Baugewerbe sich weiter positiv entwickelten, werde der Einbruch nicht annähernd an jenen vom Frühjahr 2020 heranreichen, sagte er dem „Handelsblatt“. Für den weiteren Jahresverlauf rechne das IfW noch mit einem positiven Wirtschaftswachstum – „bei weiterhin enormer Unsicherheit“. So falle es bei den aktuell noch sehr hohen Infektionszahlen in vielen Regionen Deutschlands schwer, an umfangreiche Lockerungen im Februar zu glauben. „Bestenfalls ist mit teilweisen Lockerungen, beispielsweise im Einzelhandel, zu rechnen.“ +++

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