Landtagswahl-Hessen: Das Große Kandidaten-Interview

Ausführliche Interviews mit den Kandidaten

Es ist keine ganze Woche mehr bis zur Landtagswahl in Hessen. Die Wahl zum 21. Landtag in Hessen findet am 8. Oktober 2023 statt. Klaus H. Radtke hat den Kandidaten zur Wahl wichtige Fragen gestellt, die besonders den Mittelstand bewegen. Wir haben hier alle Unterredungen zusammengeführt. Viel Spaß beim Lesen der sehr ausführlichen Interviews. +++

Fragen an Nancy Faeser (SPD)
Klaus H. Radtke und Nancy Faeser

Sehen Sie aktuell Änderungsbedarf am Tariftreue- und Vergabegesetz? Welche Kriterien für öffentliche Aufträge in Hessen sind für Sie besonders wichtig oder sollten zukünftig stärker Berücksichtigung finden?

Nancy Faeser: „Ich sehe sogar sehr großen Änderungsbedarf. Das aktuelle Vergabe- und Tariftreuegesetz in Hessen ist weitgehend untauglich. Darunter leiden vor allem mittelständische Unternehmen in Hessen, die ihre Beschäftigten fair bezahlen. Sie gehen leer aus, wenn sie bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge von Unternehmen unterboten werden, die nicht nach Tarif bezahlen. Deshalb braucht es einen vergabespezifischen Mindestlohn. Und vor allem muss die Einhaltung der Tariftreue viel stärker kontrolliert werden.“

Meine zweite Frage beschäftigt sich mit einem der größten Probleme des Mittelstandes, dem Fachkräftemangel. Haben Sie Vorschläge zur Aufwertung der beruflichen Ausbildung? Gibt es weitere Ideen und Ansätze, das Thema Fachkräftemangel in der hessischen, mittelständischen Wirtschaft zu lösen?

Nancy Faeser: „Der Fachkräftemangel ist derzeit die größte Wachstumsbremse in Deutschland. Vor allem die kleinen und mittelgroßen Betriebe leiden darunter, dass sie keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr finden. Deswegen müssen wir die Potenziale, die wir haben, besser aktivieren. Das fängt damit an, dass wir die Zahl derer, die ohne Abschluss von der Schule gehen, verringern müssen. Und wir müssen wieder Begeisterung für die klassische berufliche Ausbildung wecken. Ich sehe, dass sich die Unternehmen enorm engagieren, um ausbildungswilligen Nachwuchs zu finden und zu fördern, aber es braucht eben auch mehr Einsatz der hessischen Politik: Die nächste Landesregierung muss in allen Schulformen Module zur Berufsorientierung einführen, vor allem aber muss sie die Berufsschulen erhalten und stärken – gerade im ländlichen Raum. Trotzdem werden wir den Fachkräftemangel nicht allein mit heimischen Talenten und Potenzialen beseitigen können – ohne qualifizierte Zuwanderer können wir die Folgen des demografischen Wandels nicht ausgleichen. Deswegen habe ich als Bundesinnenministerin das Fachkräfteeinwanderungsgesetz mit Chancenkarte und Punktesystem auf den Weg gebracht, dass es deutlich leichter macht, ausländische Berufsabschlüsse anzuerkennen.“

Meine dritte Frage bezieht sich auf den Finanzstandort Frankfurt. Welche Maßnahmen zum Ausbau und der Festigung des internationalen Finanzstandorts Frankfurt planen Sie?

Nancy Faeser: „Frankfurt ist schon heute der wichtigste Finanzplatz auf dem europäischen Festland und gehört mit der gesamten Region Rhein-Main zu den pulsierenden Wirtschaftsstandorten Europas. Wir haben hier die Europäische Zentralbank, die Hauptsitze der größten deutschen Geldinstitute und Niederlassungen fast aller internationaler Banken. Außerdem forschen in Frankfurt gleich mehrere renommierten Wissenschaftseinrichtungen über die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft. Das geballte praktische und akademische Wissen würde ich gerne nutzen, um aus der Europastadt Frankfurt einen Ort zu machen, an dem die führenden Debatten über eine nachhaltige und gerechte Globalisierung stattfinden. Das Zentrum dessen soll ein Institut für globale und nachhaltige Finanzwirtschaft werden, das ich gerne in Zusammenarbeit mit den bestehenden Lehr- und Forschungsstätten aufbauen möchte.“

In der nächsten Frage geht es um die Digitalisierung. Frau Faeser, […] Was planen Sie, um digitale Kompetenzen in der schulischen Bildung, aber auch in der Weiterbildung stärker zu fördern? Und ein zweiter wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang: wie möchten Sie Bildungseinrichtungen bei der Ausstattung und Wartung von IT-Geräten stärker unterstützen?

Nancy Faeser: „Direkt zum zweiten Aspekt ihrer Frage: Die Lernmittelfreiheit muss unbedingt auf den digitalen Bereich ausgeweitet werden. Das bedeutet, dass sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrerinnen und Lehrer zum Beispiel Laptops oder Tablets vom Land bekommen. Aber dazu braucht es dann eben auch einen funktionierenden technischen Support. Aktuell berichten mir Lehrer davon, dass Tablets wochenlang ungenutzt herumliegen, weil es niemanden gibt, der die Geräte einrichten und warten kann. Außerdem gibt es in Hessen immer noch zu viele Schulen, die kein WLAN haben. Das alles ist ein Armutszeugnis für das Land und die Landesregierung. Zur Ausstattung mit technischen Geräten gehören zwingend auch ein IT-Support und die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrern. Und dann müssen wir die Medienkompetenz und die Medienerziehung verbessern. Lehrpläne müssen überarbeitet und angepasst werden. In Hessen gibt es momentan keine zentrale Einrichtung, die die erforderlichen Inhalte fachlich, technisch und pädagogisch aufbereitet. Ich will in Hessen daher ein ‚Zentrum für Bildung in der Digitalen Welt‘ einrichten.“

Frau Faeser, immer wieder ist von einer Überregulierung die Rede, von Bürokratieabbau und von der Beschleunigung bei den Genehmigungsverfahren. Sollte Deutschland hier nicht bald und grundlegend Optimierungen vornehmen, werden wir wirtschaftlich weiter in Bedrängnis geraten. Daher die Frage an Sie: Wie möchten Sie den dringend notwendigen Bürokratieabbau maßgeblich vorantreiben und eine weitere Überregulierung verhindern? Wie kann die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigt und die Register schneller modernisiert werden?

Nancy Faeser: „Die Digitalisierung der Landesverwaltung muss konsequent vorangetrieben werden. Dazu gehört beispielsweise der umfassende Abbau von Schriftformerfordernissen. Eine erfolgreiche Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung setzt voraus, die Verfahren neu zu denken. Und die hessischen Kommunen bei der Umsetzung der Digitalisierung stärker zu unterstützen.“

Nun zu dem sehr wichtigen Thema Energie, Frau Faeser. Auch dieses ist für den Fortbestand und eine positive Entwicklung des Mittelstandes von enormer Bedeutung. Das Land Hessen hat das Ziel ausgegeben, bis 2045 seinen Strom und Wärmebedarf komplett aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Welche Maßnahmen planen Sie, um diese Ziele zu erreichen? Und wie wollen Sie der bedrohlichen Preisentwicklung entgegenwirken?

Nancy Faeser: „Das, was derzeit teuer ist, sind die fossilen Energieträger. Die erneuerbaren Energien hingegen werden immer günstiger. Umso schlimmer ist es, dass Hessen beim Umstieg auf die Erneuerbaren nicht in die Gänge kommt – und das ausgerechnet mit einer Landesregierung, in der die Grünen das Ressort für Wirtschaft und Energie besetzen. Hessen hat deutschlandweit die längsten Genehmigungsverfahren: Bis hier ein Windrad genehmigt wird, dauert es im Durchschnitt 38 Monate, also mehr als drei Jahre. Das kann so nicht bleiben. Ich wäre als Ministerpräsidentin erst zufrieden, wenn Hessen das Bundesland auch bei den Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien vorn ist. Dafür brauchen wir ein neues Hessentempo. Ich möchte auch, dass in Hessen mehr Flächen für Erneuerbare Energien bereitgestellt werden, vor allem für Windräder und Solarparks. Das Ziel von 2 Prozent der Landesfläche ist bislang nicht umgesetzt. Ich denke dabei auch an Photovoltaikanlagen entlang von Bahntrassen und Autobahnen. Und ich möchte die Nutzung von Photovoltaik auf Dächern stärker fördern, damit die Energiewende schneller vorankommt und Strom bezahlbar bleibt.“

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Bewältigung der Transformation vor allem in der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um die betriebliche Weiterbildung im Zuge der Transformation zu stärken und auch attraktiver zu gestalten?

Nancy Faeser: „Ich bin überzeugt, dass es die Aufgabe von Politik ist, einem so einschneidenden Prozess wie die Transformation nicht zuzusehen, sondern aktiv anzupacken und die Unternehmen bei der Anpassung an die Erfordernisse der Digitalisierung, der Dekarbonisierung und des digitalen Wandels zu unterstützen. Mein Plan ist deshalb ein Transformationsfonds, in dem das Land Geld zur Verfügung stellt für Weiterbildung, für Qualifizierung, für Investitionen in bessere Standortfaktoren und für innovative Zukunftstechnologien. Es geht mir dabei ausdrücklich um kleine und mittelständische Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell nachhaltig und zukunftsfähig aufstellen wollen.“

Eine letzte berufliche Frage: Welche konkreten Vorhaben gibt es Ihrerseits, um die Standortfaktoren für Unternehmens-Gründer in Hessen maßgeblich zu verbessern? Gibt es darüber hinaus Pläne, um Startups, kleine und mittlere Unternehmen im Sinne einer besseren Zusammenarbeit und Abstimmung stärker zu vernetzen?

Nancy Faeser: „Essentiell für die Neugründung von Unternehmen ist der Zugang zum Kapitalmarkt. Und den schaffen Banken, von denen es in Hessen ja viele gibt. Grundsätzlich sehe ich im Finanzplatz Hessen – und insbesondere in der Bankenstadt Frankfurt – ein großes Potenzial für erfolgreiche Unternehmensfinanzierungen. Aber natürlich kann es gar nicht genug Angebote geben, die einen leichten Zugang zum Kapitalmarkt ermöglichen, die Risiken breit streuen und die Abwicklung zentralisieren. Zudem soll der Transformationsrat, den wir im Zuge des Transformationsfonds implementieren wollen, vor allem ein Ort der Vernetzung sein. Dabei geht es – wie beschrieben – um bessere Standortfaktoren und gezielte Investitionen in kleine und mittelständische Betriebe. Und es geht um Gründungen. Wirtschaftsförderinstrumente für Gründungen und Betriebsübernahmen müssen unbürokratisch, niedrigschwellig und technisch einfach ausgestaltet sein. Mein Ziel: Die Gründung eines Start-Ups soll in Hessen innerhalb von 48 Stunden vollständig durchgeführt werden können.“

Frau Faeser, eine Frage, die mich persönlich sehr beschäftigt und die letztendlich auch den Mittelstand tangiert und umtreibt. Wenn ich mich heute in deutschen Großstädten aber auch in kleinen Orten aufhalte, dann bin ich immer wieder über das schnelle Aussterben des Einzelhandels erschrocken. Das Bild wird immer mehr geprägt von Uniformität und von Leerstand. Es existieren bald nur noch Geschäfte von großen Ketten sowie Bäckereien, Optikern und Hörakustikern. Eine bedrohliche Entwicklung, die unsere Städte zunehmend unattraktiver macht. Haben Sie in diesem Punkt konkrete Vorstellungen, wie man diese ungünstige Entwicklung endlich nachhaltig stoppen kann?

Nancy Faeser: „Es stimmt, dass die Lebensqualität vor Ort maßgeblich damit zusammenhängt, ob die Infrastruktur gut ist. Jedes Café, jedes kleine Restaurant, jedes inhabergeführte Ladengeschäft gehört dazu. Ich möchte hessischen Kommunen dabei unterstützen, leerstehende Gewerbeimmobilien aufzukaufen und zu akzeptablen Bedingungen an Gewerbetreibende zu vermieten, deren Angebot das Leben in der Stadt oder auch im Dorf bereichert.“

Frau Faeser, vielen Dank zunächst für die Beantwortung der „Pflichtfragen“. Um unseren Mitgliedern jedoch auch einen kleinen Einblick in die Persönlichkeit Nancy Faeser zu geben, darf ich Ihnen noch drei Fragen stellen, ohne allzu tief in Ihre Privatsphäre vorzudringen.

Frau Faeser, können Sie mir drei Hobbys verraten, denen Sie – trotz Ihres sicherlich sehr angespannten Terminkalenders – gerne nachgehen?

Nancy Faeser: „Ich lese sehr gerne. Lesen ist eines der schönsten Dinge, die es gibt. Auch wenn im Moment zu wenig Zeit bleibt, einfach mal ein gutes Buch zu lesen. Ich mache gerne Ausflüge mit meinem Mann und meinem Sohn – zum Beispiel mit dem Fahrrad. Und ich gehe gerne mit meinem Sohn laufen – auch wenn er schon jetzt viel schneller ist als ich.“

Frau Faeser, was sind Ihre drei Leibspeisen?

Nancy Faeser: „Ich mag Rotes Thai-Curry sehr gerne.“

Was unsere Mitglieder sicher einmal wissen wollen: Frau Faeser, welche drei Orte in Hessen finden Sie ganz besonders attraktiv?

Nancy Faeser: „Mein Lieblingsort in Hessen ist Schwalbach am Taunus. Hier bin ich zu Hause und hier wohne ich gemeinsam mit meinem Mann und meinem Sohn.“

Fragen an FDP Spitzenkandidat Dr. Stefan Naas
Klaus H. Radtke und Dr. Stefan Naas

Sehen Sie aktuell Änderungsbedarf am Tariftreue- und Vergabegesetz? Welche Kriterien für öffentliche Aufträge in Hessen sind für Sie besonders wichtig oder sollten zukünftig stärker Berücksichtigung finden?

Dr. Stefan Naas: „Wir Freie Demokraten setzen uns für ein schlankes und unbürokratisches Vergabegesetz ein. Wir wollen vor diesem Hintergrund das hessische Vergaberecht mittelstandsfreundlicher gestalten und umfassend bürokratische Hemmnisse hinterfragen und beseitigen. Das Vergaberecht darf nicht zum Einfallstor für die Verankerung politisch motivierter, praxisfeindlicher Vorgaben werden (zum Beispiel Festschreibung eines Landesmindestlohnes), sondern muss auf seine eigentliche Aufgabe, nämlich die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs, beschränkt bleiben. Die gesetzlichen Vorschriften und Standards im Sozial- und Umweltbereich sind ausreichend und bedürfen keiner zusätzlichen Verschärfung durch spezifische Landesregelungen. Dadurch werden Aufwand und Bürokratie vermieden, was auch im Interesse der öffentlichen Hand und damit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist.“

Meine zweite Frage beschäftigt sich mit einem der größten Probleme des Mittelstandes, dem Fachkräftemangel. Haben Sie Vorschläge zur Aufwertung der beruflichen Ausbildung? Gibt es weitere Ideen und Ansätze, das Thema Fachkräftemangel in der hessischen, mittelständischen Wirtschaft zu lösen?

Dr. Stefan Naas: „Wir müssen wieder mehr junge Menschen für das Erfolgsmodell der dualen Berufsausbildung begeistern. Dazu müssen die hessischen Berufsschulen in jeder Hinsicht mit den Universitäten konkurrieren können. Es braucht eine vergleichbar hochwertige digitale Infrastruktur an allen Schulen in Hessen, insbesondere an den Berufsschulen. Für die Herstellung und die Wartung eines vergleichbaren Standards wollen wir die Einführung eines Digitalisierungsbudgets prüfen, das die Schulen flexibel und eigenverantwortlich nutzen können. Um wohnort- bzw. betriebsnahe Beschulung zu ermöglichen, müssen wir mit allen Mitteln verhindern, dass Berufsschulangebote in der Fläche verloren gehen. Das Konzept „zukunftsfähige Berufsschule“ von Kultusminister Lorz wird dem nicht gerecht und muss dahingehend grundlegend überarbeitet werden. Außerdem wollen wir den Meister – wie den Master – kostenfrei stellen. Der Arbeitskräftemangel ist derzeit das größte Risiko für die hessische Wirtschaft. Das Land muss in seinem Einflussbereich sämtliche Hebel in Gang setzen um die Einwanderung hochqualifizierter Fachkräfte schneller und einfacher zu gestalten. Die kommunalen Ausländerbehörden in Hessen sind vielerorts überfordert, sodass Verfahren unsäglich lange dauern. Wir setzen uns deshalb für die Schaffung einer Zentralen Ausländerbehörde ein, die sich ausschließlich um die Ausstellung und Anpassung von Aufenthaltstiteln kümmern soll. Entscheidend ist, dass die Zentrale Ausländerbehörde vollständig digital arbeitet und personell gut ausgestattet wird.“

Meine dritte Frage bezieht sich auf den Finanzstandort Frankfurt. Welche Maßnahmen zum Ausbau und der Festigung des internationalen Finanzstandorts Frankfurt planen Sie?

Dr. Stefan Naas: „Wir wollen den Finanzplatz Frankfurt-Rhein-Main durch zusätzliche Institutionen weiter ausbauen und die Stellung von Frankfurt am Main als Europastadt weiter ausbauen. Deshalb setzen wir uns gemeinsam mit der Stadt Frankfurt am Main und der Bundesebene dafür ein, dass die geplante EU-Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche (AMLA) ihren Sitz in Frankfurt am Main hat. Dazu schlagen wir eine gemeinsame Task-Force von Stadt, Land und Bund zur Koordinierung aller Aktivitäten vor. Auf Landesebene unterstützen wir dazu im Rahmen unserer Zuständigkeiten auch die Bemühungen von Stadt und Bund, so schnell wie möglich den Neubau der Europäischen Schule Frankfurt am Main auf den Weg zu bringen. Ein moderner Finanzplatz braucht eine Regulierung, die kompetent und verlässlich ist und die Innovationen zulässt. Hessen muss sich deswegen auf Bundesebene dafür einsetzen, dass bei der Umsetzung von EU-Regulierungen auf „Gold Plating“ verzichtet und auf eine Regulierungsstrategie gesetzt wird, die dem Ziel einer vollständigen Kapitalmarktunion mit identischen Regulierungen gerecht wird. Die Landesregierung hatte angekündigt, Frankfurt zum führenden FinTech-Standort Kontinentaleuropas entwickeln zu wollen. Tatsächlich ist Frankfurt in nahezu allen Rankings abgerutscht. Start-ups im Tech- und InsurTech-Bereich gründen sich in Deutschland fast ausschließlich in Berlin. Das wollen wir ändern, denn Frankfurt ist mit dem Finanzplatz prädestiniert dafür, ein Hotspot für FinTech-Gründungen zu werden. Wir setzen uns für ein „German Tech Festival“ nach dem Vorbild des „Singapore FinTech Festivals“, einem der wichtigsten Events der Branche, am Finanzplatz Frankfurt-Rhein-Main ein. Damit soll Hessen eine Begegnungsplattform für Gründerinnen und Gründer, die Banken-, Finanz- und Versicherungswirtschaft sowie Investorinnen und Investoren von internationaler Bedeutung werden. Auch die Attraktivität der Region als Wohn- und Arbeitsort entscheidet über die Zukunft des Finanzplatzes: Die Region Frankfurt-Rhein-Main muss daher eine weltweit bekannte Marke auch für Lebensqualität vor Ort werden, damit internationale Führungs- und Fachkräfte sich für sie als Standort und Arbeitsplatz entscheiden.“

In der nächsten Frage geht es um die Digitalisierung. Was planen Sie, um digitale Kompetenzen in der schulischen Bildung, aber auch in der Weiterbildung stärker zu fördern? Und ein zweiter wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang: wie möchten Sie Bildungseinrichtungen bei der Ausstattung und Wartung von IT-Geräten stärker unterstützen?

Dr. Stefan Naas: „Schülerinnen und Schüler müssen in der Schule die notwendigen Kompetenzen erwerben, um sich in einer digitalisierten Welt zurechtzufinden. Wir Freie Demokraten wollen daher einen flächendeckenden Informatikunterricht in der Sekundarstufe I bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode einführen, denn Hessen liegt bei der informatorischen Bildung im deutschlandweiten Vergleich hinten. Darüber hinaus sollten Lehrpläne und Kerncurricula besonders mit Blick auf die digitale Bildung regelmäßig überarbeitet und angepasst werden. Für die Umsetzung hochwertiger digitaler Bildung braucht es an allen Bildungseinrichtungen einen vergleichbaren digitalen Standard. Dazu gehören unter anderem die Ausstattung mit schnellem Internet, Hardware wie zum Beispiel Präsentationstechnik (White Boards u.v.m.) und digitale Endgeräte für bedürftige Schülerinnen und Schüler. Um den Leihgerätepool, die Geräte der Lehrkräfte und die Serverinfrastrukturen zu warten, werden wir zudem ein IT-Supportkonzept entwickeln und hierfür jeder Schule ausreichend Ressourcen zur Verfügung stellen. Für die bessere Verfügbarmachung digitaler Anwendungen wollen wir die Einführung einer „white list“ prüfen sowie insbesondere einen Pool KI-gestützter Anwendungen aufbauen, den die Schulen nutzen können. Die Bildungsplattform des Landes muss umfassend weiterentwickelt werden. Da Schulen ihre Bedürfnisse im Bereich von Digitalisierung und digitaler Bildung am besten kennen wollen wir die Einführung eines Digitalisierungsbudgets prüfen, das die Schulen flexibel nutzen können.“

Herr Naas, immer wieder ist von einer Überregulierung die Rede, von Bürokratieabbau und von der Beschleunigung bei den Genehmigungsverfahren. Es ist kein Geheimnis: Sollte die Politik hier nicht bald und grundlegend Optimierungen vornehmen, werden wir wirtschaftlich weiter in Bedrängnis geraten. Wie möchten Sie den dringend notwendigen Bürokratieabbau maßgeblich vorantreiben und eine weitere Überregulierung verhindern? Wie kann die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigt und die Register schneller modernisiert werden?

Dr. Stefan Naas: „Ein umfassender Bürokratieabbau wäre ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif, das wir gerade jetzt ganz dringend brauchen. Neben einem schlanken Vergaberecht haben wir dazu mehrere Ideen auf Landesebene entwickelt. Die bürokratischen Anforderungen für Gründer und Unternehmen wollen wir auf ein Mindestmaß reduzieren. Der Kontakt zwischen Gründern, Unternehmen und Behörden soll im Sinne des One-Stop-Shop-Prinzips gestaltet werden, sodass Anträge, Formulare und Daten nur einmal digital erfasst werden. Das spart Zeitaufwand und Kosten für Unternehmen und für die öffentliche Hand. Das Instrument des einheitlichen Ansprechpartners als Lotsen durch die öffentliche Verwaltung wollen wir stärken und ausbauen. Jedes Gesetz schafft Bürokratie und jede Ausnahme sowie jeder Sondertatbestand erhöht den Aufwand zusätzlich. Wir wollen nach dem Vorbild anderer Länder die Aufgaben des Landesrechnungshofes so erweitern, dass er Gesetze und Vorschriften regelmäßig bezüglich ihres Bürokratieaufwandes überprüft und Vorschläge für Vereinfachungen und Digitalisierung macht. Ein entscheidender Schritt zur Entbürokratisierung ist eine erfolgreiche Digitalisierung der Verwaltung. Ein Staat, der digitalisieren will, muss auch selbst digital arbeiten. Das gilt sowohl für die Interaktion mit Bürgerinnen und Bürgern, für die Interaktionen mit Unternehmen und für die Interaktion mit Vereinen und Verbänden. Es gilt sowohl für die Interaktionen innerhalb der Verwaltungshierarchien als auch für die interne Arbeit. Ohne eine Beschleunigung der digitalen Transformation in der Verwaltung besteht die Gefahr, dass die öffentlichen Verwaltungen zur Innovationsbremse werden. Dass die hessische Landesverwaltung digitale Dienste auf einem Verwaltungsportal anbietet, ist wenigen Menschen bekannt – noch weniger nutzen dieses Angebot. Dass die Nutzerzahlen so gering sind, liegt leider häufig auch an fehlender Benutzerfreundlichkeit und mangelhafter Berücksichtigung der Benutzererfahrung. Die Beantragung einer öffentlichen Leistung sollte nicht komplexer gestaltet sein als die Bestellungen bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen. Mit der vollständigen Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) ist die Digitalisierung nicht abgeschlossen. Die bloße Digitalisierung der Schnittstelle Bürger – Verwaltung (Frontend) greift zu kurz, da die Effizienz der Verwaltung nicht gesteigert wird und die Unzufriedenheit sogar noch zunehmen kann. Vielmehr muss auch der Bereich des Backends digitalisiert werden, wobei eine schlichte Umsetzung analoger Prozesse fahrlässig wäre. Eine digitale Verwaltung benötigt neue Arbeitsbedingungen. Wir fordern einen Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten für Beschäftigte in der Landesverwaltung. Elemente der New-Work Philosophie tragen einem dadurch veränderten Platzbedarf Rechnung. Wir setzen uns dafür ein, offene Bürokonzepte, flexible Arbeitsplätze und eine Kombination aus Einzel-und Gemeinschaftsarbeitsplätzen zu etablieren. Dabei streben wir eine weitere Verstärkung der länderübergreifenden Zusammenarbeit an, damit es nicht zu Insellösungen in Deutschland kommt.“

Nun zu dem sehr wichtigen Thema Energie. Auch dieses ist für den Fortbestand und eine positive Entwicklung des Mittelstandes von enormer Bedeutung. Das Land Hessen hat das Ziel ausgegeben, bis 2045 seinen Strom und Wärmebedarf komplett aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Welche Maßnahmen planen Sie, um diese Ziele zu erreichen? Und wie wollen Sie der bedrohlichen Preisentwicklung entgegenwirken?

Dr. Stefan Naas: „Wir werden in Hessen weiterhin auf Energieimporte angewiesen sein. Wasserstoff wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Um ein breites Angebot und günstige Preise zu ermöglichen, braucht Hessen einen Zugang zum Wasserstoff-Startnetz. Die Leitungsinfrastruktur muss auf Wasserstoff umgerüstet werden. Wir haben deshalb das Wasserstoffzukunftsgesetz vorgelegt. Damit fördern wir den Ausbau der Infrastruktur in allen Sektoren und erleichtern mit der Wasserstoffagentur den Zugang zu den Märkten. Zur Sicherung der Energieversorgung wird aber auch Erdgas noch für viele Jahre benötigt. Die Bundesregierung will neue Gaskraftwerke in der Größenordnung von bis 30 Gigawatt bauen. Etwa die Hälfte davon soll erst Erdgas und später Wasserstoff verbrennen. Wir setzen uns dafür ein, dass auch hessische Standorte für diese neuen klimafreundlichen Gaskraftwerke genutzt werden. Außerdem wollen wir im Bereich der Wärmeversorgung verstärkt Biomasse nutzen und insbesondere in Südhessen die Chancen der Tiefen-Geothermie untersuchen. Die Stadt München zeigt, dass Erdwärme eine gute Option sein kann, um Wärme CO2-frei, grundlastfähig und kostengünstig zu gewinnen. Für uns ist klar, nur durch einen breiten Technologiemix werden wir die Klimaziele erreichen können, ohne unseren Industriestandort und den Wohlstand unseres Landes zu gefährden. Wir stehen für pragmatische Lösungen, die uns Schritt für Schritt zum Ziel bringen.“

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Bewältigung der Transformation vor allem in der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um die betriebliche Weiterbildung im Zuge der Transformation zu stärken und auch attraktiver zu gestalten?

Dr. Stefan Naas: „Für die Beschäftigten bilden betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen ein wichtiges Instrument des lebenslangen Lernens, für Betriebe ermöglichen sie die laufende Anpassung der Fertigkeiten ihrer Beschäftigten an veränderte Anforderungen der Arbeitswelt. Andere Bundesländer haben bereits Initiative ergriffen und landeseigene Förderprogramme für die betriebliche Weiterbildung aufgelegt. Dieses wollen wir auch für Hessen prüfen. Wie im Bereich der schulischen, beruflichen und universitären Bildung wollen wir auch im Bereich der Erwachsenenbildung die Digitalisierung des Kursangebotes und der Lehrmittel vorantreiben, denn hier ist die Vermittlung digitaler Kompetenzen von besonderer Bedeutung. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe sollten die anerkannten Weiterbildungsträger in Hessen stärker unterstützt werden. Die berufliche Weiterbildung ist darüber hinaus eine der zentralen Säulen im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Statt einer Aufstiegsprämie von lediglich 1.000 Euro wollen wir die Meisterausbildung und alle vergleichbaren Qualifikationen vollständig kostenfrei stellen.“

Eine letzte berufliche Frage: Welche konkreten Vorhaben gibt es Ihrerseits, um die Standortfaktoren für Unternehmens-Gründer in Hessen maßgeblich zu verbessern? Gibt es darüber hinaus Pläne, um Startups, kleine und mittlere Unternehmen im Sinne einer besseren Zusammenarbeit und Abstimmung stärker zu vernetzen?

Dr. Stefan Naas: „Wir finden, dass gute Ideen und Konzepte nicht an der fehlenden Finanzierung scheitern dürfen. Deshalb sollen die Instrumente der Wirtschaftsförderung stärker auf die Bedürfnisse von Gründern ausgerichtet werden. Viele erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer werden in den kommenden Jahren altersbedingt ihre Betriebe aufgeben. Die Übernahme eines bestehenden Betriebs ist eine klassische Form der Existenzgründung. Um einen erfolgreichen Betriebsübergangsicherzustellen, Arbeitsplätze zu erhalten und neue Perspektiven zu geben, wollen wir dafür spezielle Förderprogramme auflegen und Beratungsangebote zusammen mit den Kammern ausbauen. Im Rahmen des Hessischen Gründerpreises wollen wir dazu eine Kategorie für gelungene Unternehmensnachfolge etablieren, um für das Thema angemessen zu sensibilisieren. Bestehende Beratungsangebote zum Nachfolgeprozess wollen wir sowohl für die „abgebende“ Generation als auch für potenzielle Nachfolger stärken. Im Bereich der Digitalwirtschaft spielen Start-ups eine zentrale Rolle. Bisher gehört Hessen nicht zu den führenden Start-up-Regionen. In zahlreichen relevanten Statistiken zur Start-up Branche ist Hessen in den vergangenen Jahren abgerutscht und daher allenfalls Mittelmaß. Laut EY Start-up-Barometer fließen nach Berlin mehr als fünfundvierzig Mal mehr Investitionen als nach Hessen. Dieser Rückstand hat sich in den vergangenen fünf Jahren nochmals verstärkt. Unser Land droht abgehängt zu werden. Das wollen wir ändern. Wir wollen dazu Bürokratie abbauen, digitale Angebote der öffentlichen Verwaltungen stärken, mehr Venture-Capital zur Verfügung stellen, eine landesweite Gründungsstrategie auf den Weg bringen, Gründungsstipendien ausbauen und in den Schulen und Hochschulen ein gründungsfreundliches Klima schaffen.“

Herr Naas, eine Frage, die mich persönlich sehr beschäftigt und die letztendlich auch den Mittelstand tangiert und umtreibt. Wenn ich mich heute in deutschen Großstädten aber auch in kleinen Orten aufhalte, dann bin ich immer wieder über das schnelle Aussterben des Einzelhandels erschrocken. Das Bild wird immer mehr geprägt von Uniformität und von Leerstand. Es existieren bald nur noch Geschäfte von großen Ketten sowie Bäckereien, Optikern und Hörakustikern. Eine bedrohliche Entwicklung, die unsere Städte zunehmend unattraktiver macht. Haben Sie in diesem Punkt konkrete Vorstellungen, wie man diese ungünstige Entwicklung endlich nachhaltig stoppen kann?

„Das Aussterben des klassischen Einzelhändlers bereitet mir ebenfalls Sorgen. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig, neben der Konkurrenz durch den wachsenden Online-Handel haben auch die Schließungen im Rahmen der Corona-Pandemie unseren Innenstädten schweren Schaden zugefügt. Es wird eine zentrale Aufgabe der Landespolitik in den kommenden Jahren, die Innenstädte wieder attraktiver zu machen. Dazu zählt aus meiner Sicht zuallererst eine Liberalisierung der Sonntagsöffnung. Die Möglichkeit, 4 Sonntage öffnen zu können sollte ohne Anlassbezug rechtssicher ausgeschöpft werden können. Darüber hinaus wollen wir die Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage erhöhen. Die Innenstadtförderung des Landes war zunächst unzureichend im Rahmen eines Preisausschreibens organisiert, später hat Wirtschaftsminister Al-Wazir das entsprechende Programm einfach eingestellt. Es werden aber größere Anstrengungen als ein Preisausschreiben notwendig sein. Es braucht ein umfassendes Förderangebot des Landes, damit die Kommunen in die Attraktivierung ihrer Innenstädte investieren können. Wenn wir mehr Menschen dazu bewegen wollen, in die Innenstadt zu kommen, müssen die Städte zur Bühne werden. Die Volks- und Stadtfeste dürfen nicht – wie beim diesjährigen Schlossgrabenfest in Darmstadt – durch überzogene Lärmschutzregelungen gefährdet werden. Kulturangebote stärken die Aufenthaltsqualität. Dazu zählen auch die hessischen Bibliotheken. Um die Innenstädte zu stärken müssen die Bibliotheken aus unserer Sicht sonntags öffnen und gebührenfrei sein.“

Herr Naas, vielen Dank zunächst für die Beantwortung der „Pflichtfragen“. Um unseren Mitgliedern jedoch auch einen kleinen Einblick in die Persönlichkeit Naas zu geben, darf ich Ihnen noch drei Fragen stellen, ohne allzu tief in Ihre Privatsphäre vorzudringen. Herr Naas, können Sie mir drei Hobbys verraten, denen Sie – trotz Ihres sicherlich sehr angespannten Terminkalenders – gerne nachgehen?

„Gartenbau, Joggen, Geschichte.“

Herr Naas, was sind Ihre drei Leibspeisen?

„Grüne Soße mit 3 Eiern, Eierpfannkuchen mit Früchten und Vanilleeis, Pizza.“

Was unsere Mitglieder sicher einmal wissen wollen: Herr Naas, welche drei Orte in Hessen finden Sie ganz besonders attraktiv?

„Torhalle Lorsch, Burg Kronberg, Museumslandschaft Kassel Wilhelmshöhe.“

Ministerpräsident Boris Rhein
Klaus H. Radtke und Boris Rhein

Sehen Sie aktuell Änderungsbedarf am Tariftreue- und Vergabegesetz? Welche Kriterien für öffentliche Aufträge in Hessen sind für Sie besonders wichtig oder sollten zukünftig stärker Berücksichtigung finden?

Boris Rhein: „Es ist eines unserer zentralen Ziele als CDU Hessen, Bürokratie abzubauen. Gerade für die Wirtschaft ist ein Übermaß an Vorschriften und Auflagen eine echte Belastung, die reduziert werden muss. Deshalb starten wir ein umfassendes Entbürokratisierungsprogramm. Ziel ist es, Verfahren zu straffen und u.a. stärker zu digitalisieren und Genehmigungen zu vereinfachen. Damit wollen wir dazu beitragen, weiterhin die Rahmenbedingungen für den Erhalt des starken Wirtschaftsstandortes Hessen zu setzen und als Partner der Wirtschaft an einer starken Zukunft für die Menschen in unserem Land arbeiten. Wir verstehen uns dabei in besonderem Maß als Partner des Mittelstands, der das Rückgrat unserer Wirtschaft bildet. Wir haben mit der Novellierung des Hessischen Vergabe- und Tariftreugesetzes bereits wichtige Weichen gestellt, um öffentliche Auftragsvergaben zu beschleunigen und Bürokratie abzubauen. Dazu zählen beispielsweise die Vereinfachung der Anwendung für öffentliche Vergabestellen und für Auftragnehmer sowie anbietende Unternehmen und der ersatzlose Wegfall des Interessenbekundungsverfahrens. Ferner wurden die Vergabe von freiberuflichen Leistungen aus dem förmlichen Vergabeverfahren herausgenommen und die vereinfachte Vergabe in der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) geregelt. Außerdem wurde die Mindestanzahl der einzuholenden Angebote von fünf auf drei Angebote reduziert und die bisherigen Nachprüfungsstellen werden durch Vergabekompetenzstellen ersetzt, die in den Regierungspräsidien, bei der Landesstraßenbauverwaltung Hessen Mobil sowie der Oberfinanzdirektion Frankfurt angesiedelt sind.“

Meine zweite Frage beschäftigt sich mit einem der größten Probleme des Mittelstandes, dem Fachkräftemangel. Haben Sie Vorschläge zur Aufwertung der beruflichen Ausbildung? Gibt es weitere Ideen und Ansätze, das Thema Fachkräftemangel in der hessischen, mittelständischen Wirtschaft zu lösen?

Boris Rhein: „Der Fachkräftemangel in Deutschland ist eine der größten Herausforderungen für den Erhalt unserer Wirtschaftskraft und unseres Wohlstandes. Das Funktionieren der Wirtschaft ist davon abhängig, dass ausreichend Fachkräfte vorhanden sind. Wir begegnen dieser Herausforderung entschlossen und mit einer Vielzahl verschiedener Maßnahmen. Wir haben dabei alle Facetten im Blick – von der die Ausbildung junger Menschen, über die Weiterbildung und bessere Vermittlung von Arbeitskräften bis hin zur Anwerbung und Gewinnung von Fachkräften aus dem In- und Ausland. Die Arbeit des „Neuen Bündnis Fachkräftesicherung Hessen”, in dem die relevanten Akteure aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen und Kommunen eingebunden sind, stellt einen umfassenden und fachkundigen Blick und entsprechende Konzepte sicher. Diese werden wir weiter fortführen und gemeinsam mit dem Bündnis weitere Lösungsansätze erarbeiten, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken und unseren Wirtschaftsstandort weiter zu stärken. Außerdem planen wir einen „Tag des Hessischen Handwerks“ an Schulen. Um dies zu erreichen, ist es für uns von zentraler Bedeutung die berufliche Ausbildung weiter zu stärken. Wir stehen für eine echte Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Wirtschaft, Wohlstand und Fachkräftesicherung brauchen handwerklich begabte Schulabgängerinnen und Schulabgänger ebenso wie Abiturientinnen und Abiturienten, die eine universitäre Ausbildung anstreben. Angebote zur beruflichen Orientierung setzen bereits in der Grundschule an und werden im Laufe der Bildungskarriere in allen Schulformen bis zum jeweiligen Abschluss zielgerichtet fortgesetzt. Wir wollen das Handwerk bereits in der Grundschule und der Sekundarstufe I durch Kooperation mit Beruflichen Schulen, auch im Ganztag, stärken. Unsere Fachkräftecamps, in denen möglichst viele junge Menschen ab 14 Jahren die Möglichkeit erhalten, Zukunftsberufe in Gesundheit und Pflege kennenzulernen und für sich zu entdecken, wollen wir fortführen und auch auf andere Berufsgruppen ausweiten. Die positiven Elemente regionaler Programme wie die des „Limburger Modells“ oder des ProBe („Projekt zur Berufsorientierung“ im Kreis Waldeck-Frankenberg) wollen wir landesweit umsetzen. Wir bekennen uns zum praxisnahen Konzept der Mittelstufenschule mit einem Schwerpunkt auf dem ländlichen Raum und wollen sie als Schulform durch eine besondere Mittelzuweisung und den Ausbau von Kooperationen mit Betrieben explizit fördern. Die duale Ausbildung erfährt unsere besondere Unterstützung. Wir werden unsere Berufsschulen mit modernsten Geräten ausstatten, das Lehrpersonal aufstocken und für dezentrale Standortsicherheit sorgen. Dazu werden wir prüfen, ob wir ein eigenes Kommunales Investitionsprogramm für Berufsschulen („KIP Berufsschulen“) einführen können. Das Konzept „Zukunftsfähige Berufsschule” werden wir fortführen und umsetzen, damit alle Berufsschulstandorte erhalten bleiben können und die duale Ausbildung und der ländliche Raum gestärkt werden. Um an allen Berufsschulstandorten ein möglichst breites Ausbildungsangebot aufrechterhalten zu können, werden wir dabei prüfen, wie Inhalte auch schulübergreifend angeboten werden können. Unsere bestehenden Ausbildungsförderprogramme wollen wir fortführen und an die neuen Bedingungen des Arbeitsmarktes anpassen. Die Verbundausbildung, die besondere Ausbildungsplatzförderung für Hauptschülerinnen und Hauptschüler und das Förderprogramm für Abbrecher, Altbewerber und Jugendliche mit erhöhtem Sprachförderbedarf haben sich als wichtige Beiträge zur Fach- und Arbeitskraftgewinnung etabliert und sind auch wichtige Instrumente zur Vermittlung von Menschen in den Arbeitsmarkt. Mit dem Programm „Wirtschaft integriert“ eröffnen wir gemeinsam mit der Wirtschaft einen Weg zum erfolgreichen Berufsabschluss für Menschen, die eine besondere Deutschförderung benötigen. Diese erfolgreiche Kooperation wollen wir ausbauen. Unsere mobile Initiative „#REAL:DIGITAL“ wollen wir fortführen, um Schülerinnen und Schüler weiter vor Ort bei der beruflichen Orientierung zu unterstützen und Ihnen die verschiedenen Optionen nach der Schule näherzubringen. Angesichts unbesetzter Ausbildungsplätze muss auch mit digitalen Maßnahmen stärker für berufliche Chancen geworben werden. Wichtiger Baustein dabei soll unsere Initiative „Von AzuB – Mach deinen Weg“ sein, die wir fortführen und weiter ausbauen. Ferner wollen wir eine digitale Azubi-App entwickeln, die die Vermittlung von Ausbildungsplätzen weiter verbessern soll, indem sie über eine App als Match angeboten werden. Für uns ist der Meisterbrief ein Zeichen von Qualität und hoher Qualifikation. In Hessen berechtigt er u.a. vollumfänglich zu jedem Studium. Die Ausbildung zum Meister, Techniker sowie Fachwirt werden wir kostenfrei machen. Zudem wollen wir eine Aufstiegsförderung etablieren, die finanzielle Barrieren für Fort- und Weiterbildung abbaut. Neben der Aus- und Weiterbildung ist auch die Vermittlung von Arbeitskräften ein wichtiger Baustein zur Arbeitskräftesicherung. Wir bekennen uns zu einer aktivierenden Politik für mehr Beschäftigung, die Menschen wieder selbstverständlich in den vollwertigen Arbeitsmarkt führt. Die Vermittlung in Arbeit und Ausbildung ist die zentrale Aufgabe der Jobcenter und muss künftig wieder Vorrang haben. Für eine entsprechende Änderung im Sozialgesetzbuch werden wir uns auf Bundesebene nachdrücklich einsetzen. Neben der Akquise der hier vorhandenen Arbeits- und Fachkräfte benötigt es auch eine bessere Anwerbung und Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland. Wir brauchen mehr Fachkräfte-Visa und eine schnellere Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Auch daran werden wir arbeiten – im Bundesrat und in Hessen selbst. Um mehr Fachkräfte aus dem Ausland nach Hessen zu holen, wollen wir eine echte “Fast Lane” für Fachkräfte in Hessen schaffen. Um ausländischen Arbeitskräften einen besseren Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, haben wir u.a. das Hessische Welcome-Center aufgebaut und die Integrationslotsinnen und Integrationslotsen im Rahmen des Hessischen Landesprogramms „WIR – Vielfalt und Teilhabe“ ins Leben gerufen. Diese Maßnahmen wollen wir fortführen und bedarfsgerecht ausbauen. Wir setzen uns dafür ein, dass beim Bund eine neue Agentur für Einwanderung („Work-and Stay-Agentur“) geschaffen wird. Diese soll aktiv um Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt werben. Ihren Aufbau wollen wir aktiv unterstützen und mit hessischen Initiativen verzahnen. Durch eine klare Trennung der Fachkräfteeinwanderung von der Migration Schutzsuchender wollen wir Verfahren beschleunigen. Sofern Bundesrecht dies zulässt, setzen wir uns dafür ein, dass ausländische Studenten mit einem deutschen Hochschulabschluss automatisch eine unbefristete Arbeitserlaubnis in Hessen bekommen. Außerdem setzen wir uns für eine Erhöhung der Erasmus-Förderungen ein, um mehr jungen Menschen aus der EU zu ermöglichen, Hessen im Rahmen von Praktika kennenzulernen und sie so zu animieren, ihre Ausbildung hier zu beginnen.“

Meine dritte Frage bezieht sich auf den Finanzstandort Frankfurt. Welche Maßnahmen zum Ausbau und der Festigung des internationalen Finanzstandorts Frankfurt planen Sie?

Boris Rhein: „Der Finanzplatz Frankfurt ist für die Wirtschaftsregion Frankfurt-RheinMain von enormer Bedeutung. Er beherbergt über 200 Kredit- und Versicherungsinstitute und beschäftigt rund 70.000 Menschen. Nach dem Ranking des Global Financial Centres Index (GFCI) gehört Frankfurt zu den führenden Finanzplätzen der Welt. Die CDU Hessen setzt sich daher auf allen Ebenen dafür ein, den Finanzplatz Frankfurt auszubauen und weiter zu stärken. Ganz generell arbeiten wir daran, die Standortfaktoren und Frankfurts Bedeutung als einer der weltweit führenden Finanzplätze zu festigen und weiter auszubauen. Dazu gehören die hervorragende Verkehrsanbindung und digitale Infrastruktur – beispielsweise mit einem der wichtigsten Flughäfen des Kontinents und einem der weltweit größten Internetknotenpunkte. Um den Akteuren bestmögliche Unterstützung unmittelbar zugänglich zu machen, hat die CDU-geführte Landesregierung die Servicestelle Finanzplatz Frankfurt geschaffen, um einen direkten Austausch zwischen dem Finanzplatz und dem Land zu gewährleisten und bei allen Fragen oder Problemen unmittelbar helfen zu können. Der Finanzplatz Frankfurt besteht jedoch nicht nur aus internationalen Großbanken, sondern auch aus regional ausgerichteten Banken. Der Trend der EU, gerade bei der Bankenregulierung immer weiter zu vereinheitlichen, bringt diese kleinen und regional ausgerichteten Banken vielerorts an den Rand des Leistbaren, weil die Vorgaben zumeist primär auf Großbanken zugeschnitten sind. Wir setzen auf unsere regional verankerte Wirtschaft und die ebenso regional aufgestellten Banken wie Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Wir stehen ein für den Erhalt des Drei-Säulen-Modells im Bankensystem mit den regional verankerten Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Wir werden uns weiter dafür stark machen, dass die Regulierung v.a. aus Brüssel zur Vielfalt unserer Bankenlandschaft passt. In dieser und themenverwandten Fragen werden wir als starkes Land im Herzen Europas unsere Interessen in europäischen Angelegenheiten gegenüber den europäischen Institutionen aktiv einbringen. Das gilt beispielsweise für Die Kleinanlegerstrategie der EU, die wir konstruktiv begleiten werden und dabei vor allem den Gesichtspunkt vertreten, dass deutsche Beratungsmodell zu erhalten. Wir stehen einem möglichen Provisionsverbot vor diesem Hintergrund kritisch gegenüber – gerade auch aus Gründen des Verbraucherschutzes. Die Honorarberatung soll dieses Modell ergänzen, aber nicht ersetzen. Wir sind zudem Ausbilder von finanzwirtschaftlichen Spitzenkräften, die auch auf dem internationalen Parkett gefragt sind. In unsere Kompetenzen wollen wir weiter investieren und die akademische Infrastruktur stärken. Börse, Banken, Versicherer – die gesamte Finanzbranche kämpft um die besten Köpfe. Bereits heute bietet die Universitätsstadt Frankfurt am Main beispielsweise mit dem „House of Finance“ an der Goethe-Universität Frankfurt, der Frankfurt School of Finance & Management sowie dem European Banking Institute ausgezeichnete Einrichtungen und gute Rahmenbedingungen. Sie stärken wir weiter. Wir werden als wichtigen Standortfaktor den Gerichtsstandort am internationalen Finanzplatz Frankfurt stärken, insbesondere durch Schwerpunktsetzungen und Konzentrationen in komplexen Wirtschaftsverfahren. Wir wollen, dass mehr Gerichtsverfahren in englischer Sprache durchgeführt werden können, um die Konkurrenzfähigkeit der staatlichen Justiz gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit zu erhöhen. Wir stärken den Wirtschaftsstandort Frankfurt am Main mit der Einrichtung eines Commercial Court, an dem in Wirtschafts- und handelsrechtlichen Streitigkeiten vor spezialisierten Spruchkörpern in englischer Sprache verhandelt und entschieden werden kann. Von großer Wichtigkeit für den Finanzplatz sind Ansiedlung mit Signalwirkung. Gemeinsam mit dem Bund und der EU wollen wir daher mit der Anti-Geldwäsche Behörde (AMLA) unser Engagement im europäischen Aufsichtswesen weiter schärfen. In Frankfurt – im Herzen Europas – wird diese Behörde den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung resolut und mit geballter Fachkompetenz führen. Wir wollen zudem eine international führende Rolle in Sachen Sustainable/Green Finance einnehmen. Auf dem internationalen Parkett wird es immer wichtiger, Aspekte der Umwelt, Soziales und Unternehmensführung in die Unternehmensstrategie zu integrieren und darüber transparent und nachvollziehbar zu berichten. Frankfurt erhielt Ende 2021 den Zuschlag für das ISSB (International Sustainability Standards Board), das zukünftig globale Mindeststandards im Bereich der finanziellen Nachhaltigkeitsberichterstattung setzen soll. Frankfurt wird insofern die Finanzmetropole sein, von der aus die globalen Berichtsstandards für Nachhaltigkeitsaspekte geprägt werden. Dies belegt die Vorreiterrolle Hessens beim Zukunftsthema nachhaltige Finanzwirtschaft. Darauf wollen wir aufbauen. Nachhaltigkeit ist jedoch ein Prozess und kein Zustand. Im Bereich von „Sustainable Finance“ ist es daher bedeutsam, auch die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu unterstützen. Die ESMA-Leitlinien für die Verwendung von ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffen in Fondsnamen müssen deshalb praktikable Kriterien aufstellen, um Investitionen auch in solche Unternehmen zu ermöglichen, die noch nicht „grün“ sind, sich aber glaubhaft auf den Weg dorthin gemacht haben. Wir unterstützen den Aufbau eines Finanzdatenclusters, dem sogenannten „Financial Big Data Cluster“, um Daten aus verschiedenen Quellen des Finanzmarktes rechtssicher miteinander zu verknüpfen. Insgesamt stehen für das Projekt 20 Mio. € Fördermittel bereit.“

In der nächsten Frage geht es um die Digitalisierung. Was planen Sie, um digitale Kompetenzen in der schulischen Bildung, aber auch in der Weiterbildung stärker zu fördern? Und ein zweiter wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang: wie möchten Sie Bildungseinrichtungen bei der Ausstattung und Wartung von IT-Geräten stärker unterstützen?

Boris Rhein: „Wir als CDU stehen wie keine andere Partei in Hessen für die Schaffung moderner Bildung mit digitalen Angeboten. Wir haben die Schule der Zukunft im Blick:

• Waren 2019 nur etwa 30 % der Schulen an gigabitfähiges Internet angeschlossen, waren es bis Ende 2022 über 90 %.
• Auch der flächendeckende WLAN-Ausbau an Schulen hat deutlich an Fahrt aufgenommen. Bis zum Ende der Laufzeit des Digitalpakts (2024) wird der Großteil der Schulen mit WLAN in allen Unterrichtsräumen ausgestattet sein.
• Über 1.780 Schulen und mehr als 900.000 Personen nutzen mittlerweile das Schulportal Hessen; unter den weiterführenden Schulen sind es bereits 98 %. Damit stellen wir digitale pädagogisch aufbereitete und ständig aktualisierte Lernangebote, Medien und Anregungen zur Verfügung, die Lehrkräfte mit ihren Schülerinnen und Schülern unmittelbar nutzen können.

Allein an diesen Beispielen wird bereits deutlich, dass wir massiv in die Digitalisierung der Hessischen Schulen investiert haben und dies auch weiter tun. Wir sind auf einem sehr guten Weg. Im Rahmen des Digitalpaktes wurden über 500 Mio. € in die Digitalisierung der hessischen Schulen investiert. Das Land Hessen hat bei der Umsetzung des DigitalPakt Schule den vom Bund vorgesehenen verpflichtenden Eigenanteil als einziges Land von 10 % auf 25 % erhöht. Wir halten es für einen Skandal, dass die Ampel-Regierung im Bund noch immer keine Anschlussfinanzierung für den Digitalpakt vorgelegt hat und daher noch immer kein verlässlich finanziertes Konzept für den angekündigten Digitalpakt 2.0 des Bundes vorliegt. Die Bundesregierung darf die Schulen nicht von der Entwicklung abhängen. Wir werden daher die „Strategie Digitale Schule“ Hessen weiter umsetzen und pädagogische Innovation mit digitalen Vorhaben voranzutreiben, indem wir z. B. unser Schulportal Hessen weiterentwickeln und die Schulabläufe umfassend modernisieren und digitalisieren. Die „Strategie Digitale Schule“ bietet die Chance, pädagogische Innovation mit digitalen Vorhaben vorantreiben. Gemeinsam mit den Schulträgern und unseren gut ausgebildeten Lehrkräften, denen zudem viele Weiterbildungsangebote im Bereich digitaler Bildung offenstehen, schaffen wir damit die Voraussetzungen für ein modernes, digitales und zukunftsfähiges Lernumfeld. In Kooperation mit den hessischen Schulträgern sorgen wir dafür, dass die WLAN-Ausleuchtung in Hessens Klassenräumen und der IT-Support für Schulen vor Ort ausgebaut wird. Wir setzen den Rahmen für digitale Hausmeister, die die Infrastruktur an den Schulen pflegen und warten. Unser Ziel ist es, dass an jeder weiterführenden Schule mindestens ein IT-Supporter seinen Dienstort hat, und so auch ggf. die umliegenden kleineren Grund- und Förderschulen betreuen kann. Kinder sollten ab Klasse 7 eine Möglichkeit erhalten, im schulischen Kontext mit einem digitalen Endgerät zu lernen. Dies werden wir in Unterstützung der Schulträger und in Zusammenarbeit mit dem Bund sicherstellen und zu einheitlichen Standards kommen. Wir schaffen an jeder Schule virtuelle Schulräume, um Kindern und Jugendlichen beste Perspektiven für das Zeitalter der Digitalisierung zu ermöglichen. Der Virtual-Reality-Raum wird das neue Computer-Zimmer jeder Schule. Als ergänzendes Angebot – insbesondere für Kinder, die z.B. aus gesundheitlichen Gründen langfristig nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können – und zur qualitativ hochwertigen Bereitstellung der notwendigen technischen Grundlagen, werden wir eine komplett digitale Pilotschule aufbauen. Damit Datenschutz nicht zur Digitalisierungsbremse wird, wirken wir auf eine bundeseinheitliche Strategie zum Datenschutz in Schulen hin. Dabei soll zum Beispiel eine Positivliste für Software bereitgestellt werden. Zur Stärkung der digitalen Kompetenzen in der Schülerschaft werden wir unser Schulfach Digitale Welt flächendeckend in Hessen als Regelfach für die Jahrgangsstufen 5 und 6 einführen. Wir setzen uns zudem für eine Stärkung des Fachs Informatik in der gesamten Sekundarstufe I ein. Für Lehrkräfte streben wir verpflichtende Fortbildungen im Bereich Medienbildung an.“

Herr Rhein, immer wieder ist von einer Überregulierung die Rede, von Bürokratieabbau und von der Beschleunigung bei den Genehmigungsverfahren. Sollte Deutschland hier nicht bald und grundlegend Optimierungen vornehmen, werden wir wirtschaftlich weiter in Bedrängnis geraten. Wie möchten Sie den dringend notwendigen Bürokratieabbau maßgeblich vorantreiben und eine weitere Überregulierung verhindern? Wie kann die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigt und die Register schneller modernisiert werden?

Boris Rhein: „Wir brauchen ein umfassendes Entbürokratisierungsprogramm. Ziel ist es, Verfahren zu straffen, stärker zu digitalisieren und Genehmigungen zu vereinfachen. Wir wollen das Planungs- und Genehmigungsrecht auf allen Ebenen grundlegend überarbeiten, um wichtige Infrastruktur- und Investitionsvorhaben in allen Bereichen schneller zu realisieren. Das Verfahren bei der Genehmigung der Impfstoffproduktionsstätte in Marburg hat gezeigt, dass Genehmigungen schnell gehen können. Das muss der neue Normalfall werden. Die Planungsbeschleunigung darf sich dabei nicht auf einzelne Projekte oder bestimmte Vorhabenarten beschränken, sondern muss gleichermaßen für alle Verkehrs-, Bau- und Infrastrukturprojekte gelten. Diese Forderung richten wir auch an den Bund und reichen ihm die Hand für einen echten Tempo-Pakt. Der Vorschriftenbestand am Ende der Legislaturperiode muss deutlich unter dem zu Beginn liegen. Dafür prüfen wir, wie wir uns dem Prinzip des „1 in 2 out“ möglichst weit nähern können. In Modellprojekten werden wir die Schaffung „bürokratiefreien Zonen“ prüfen, in denen die Möglichkeiten von Experimentierklauseln, Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigungen sowie Ermessensspielräume stärker und gebündelt genutzt werden. Einer der Haupttreiber von Bürokratie ist die Europäische Union. Immer mehr Berichtspflichten, Vorgaben und Kontrollen schnüren v.a. kleinen und mittleren Betrieben in Handwerk und Landwirtschaft die Luft ab. Wir setzen uns ein für einen Belastungsstopp aus Brüssel! Wir treten für eine 1:1 Umsetzung europäischer Regeln ein und für das Subsidiaritätsprinzip: Nicht jedes Problem in Europa muss von der EU gelöst werden. Wir unterstützen die „Better Regulation Strategy“ der EU und treten dafür ein, den Mitgliedsstaaten innerhalb der europäisch definierten Rahmenbedingungen größtmöglichen Handlungsspielraum bei der konkreten Umsetzung zu belassen. Einhergehend mit dem Bürokratieabbau ist eine Beschleunigung der Digitalisierung in der Verwaltung nötig. Die Errichtung eines eigenen Digitalministeriums hat sich im bundesweiten Vergleich als vorbildlich erwiesen und weiteres Optimierungspotenzial aufgezeigt. Deshalb bauen wir es zu einem Zukunftsministerium aus, das alle Themen der Digitalisierung sowie die Bereiche Forschung und Technologie bündelt und maßgebliche Zukunftsthemen und -entwicklungen noch stärker und vorantreibt. Eine große Chance zur Erreichung dieser Ziele ist die Digitalisierung der Verwaltung. Wir wollen eine Verwaltung, deren Leistungen im Land und in den Kommunen durchgehend und übergreifend vom Antrag bis zum Bescheid auch digital, rund um die Uhr (24/7), einfach, transparent, barrierefrei und zuverlässig zur Verfügung stehen. Dabei soll auch bei digitalen Verwaltungsleistungen der Mensch weiter im Mittelpunkt stehen. Ziel ist, dass alle Bearbeitungsschritte, vom Antragseingang über die Vorgangsbearbeitung bis zur Bescheidzustellung und Veraktung vollständig digital durchgeführt werden können.

Folgende Prinzipien werden wir bei unserer Strategie zur Verwaltungsdigitalisierung weiterverfolgen:
• Bürger sollen Informationen nur noch einmal mitteilen. Die Daten können für künftige Interaktionen wiederverwendet werden („Once only-Prinzip“).
• Im „One-Stop-Shop“-Verfahren können Bürgerinnen und Bürger in nur einer digitalen Sitzung eine gewünschte Dienstleistung abwickeln.
• Leistungen werden in bestimmten Lebenslagen wie z.B. der Geburt eines Kindes automatisiert bereitgestellt, ohne gesonderten Antrag – im Einklang mit Datenschutz und nur mit entsprechender Einwilligung der Bürgerinnen und Bürger („No-Stop-Shop-Verfahren“)

Wir werden die digitale Transformation der Verwaltungsbehörden vollenden. Die noch offenen Leistungen aus dem Onlinezugangsgesetz (OZG) werden gemeinsam mit den Kommunen stringent umgesetzt und die Erfahrungen, die Ebenen übergreifend mit Kommunen, Bund und den anderen Ländern z.B. im Rahmen des EfA-Prinzips („Einer für alle“) gewonnen wurden wollen wir für die zukünftige Digitalisierung von Verwaltungsleistungen positiv nutzen. Wir sind dabei auf einem guten Weg. Hessen befindet sich in der bundesweiten Statistik von flächendeckend verfügbaren Onlineservices mit 203 OZG-Leistungen auf Platz 3. Von den 695 im Rahmen des OZG umzusetzenden Leistungen (Land/Kommunal) wurden 492 Leistungen umgesetzt. Das zentrale Bindeglied zwischen Staat und den Bürgern sind die Kommunen. Sowohl Bürger als auch Mitarbeiter profitieren erheblich von digitalen Verfahren. Deswegen wird die durchgehende Digitalisierung der hessischen Kommunen und die Digitalkompetenz der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter durch einen Digitalpakt der Hessischen Landesregierung mit den Landkreisen, Städten und Gemeinden energisch vorangebracht. Das Land und die Kommunalen Spitzenverbände haben daher bereits 2019 eine Vereinbarung zur Unterstützung der Kommunen bei der Digitalisierung geschlossen. Das Land finanziert mit fast 17 Mio. Euro in erster Linie die Umsetzung des OZG in sogenannten kommunalen Digitalisierungsfabriken. Das Land ermöglicht den Kommunen zudem den kostenfreien Zugang zur Plattform civento, mit der Verwaltungsdienstleistungen digitalisiert werden können. Den mobilen Zugang zu Verwaltungsleistungen werden wir über die Hessen App, die für alle Verwaltungsdienstleistungen kostenlos zur Verfügung gestellt wird, noch weiter ausbauen. Wo sinnvoll, wollen wir Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz nutzen, z.B. durch Einsatz von Chatbots, digitale Assistenten etc. Digitalisierungsprojekte im Land und den Kommunen wollen wir schnell, effizient und kostenbewusst umsetzen, wo sinnvoll auch durch agile Steuerung. Softwarelösungen sollen vorrangig dem open-source-Standard entsprechen. Wir wollen durch den Ausbau der Beratungs-Kapazitäten Landesstellen, Kommunen und öffentliche Institutionen aktiv bei der weiteren Digitalisierung unterstützen.“

Nun zu dem sehr wichtigen Thema Energie. Auch dieses ist für den Fortbestand und eine positive Entwicklung des Mittelstandes von enormer Bedeutung. Das Land Hessen hat das Ziel ausgegeben, bis 2045 seinen Strom und Wärmebedarf komplett aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Welche Maßnahmen planen Sie, um diese Ziele zu erreichen? Und wie wollen Sie der bedrohlichen Preisentwicklung entgegenwirken?

Boris Rhein: „Die CDU Hessen bekennt sich zu den beschlossenen Zielen zur Reduzierung von Klimagasemissionen, die wir einhalten werden. Wir wollen Hessen bis 2045 klimaneutral machen. Die vereinbarten Zwischenschritte werden wir im Rahmen der europäischen, bundesweiten und hessischen Vorgaben erfüllen. Unsere Ziele leiten sich dabei ab von den Zielen und Verabredungen der EU und des Bundes. Es bringt nichts für das Klima, wenn Hessen allein strengere Ziele als der Bund verfolgen würde. Mehr Einsparungen in Hessen könnten dann einfach durch mehr CO2-Ausstoß in anderen Ländern kompensiert werden. Wir unterstützen daher die auf europäischer Ebene beschlossenen Schritte zur Einführung des „ETS2“ als wichtigen marktwirtschaftlichen Ansatz für effizienten Klimaschutz. Unser langfristiges Ziel ist ein einheitlicher und sektorübergreifender Zertifikatehandel, der einen einheitlichen CO2-Preis in ganz Europa schafft und so dafür sorgt, dass sich die günstigste CO2-Vermeidungstechnik durchsetzt. Damit wird Europa bis möglichst 2045 die erste klimaneutrale Region der Welt. Auf Landesebene setzen wir auf Information, Vernetzung, Förderung und Anreize, um den Treibhausgasausstoß zu reduzieren. Damit wollen wir die best-practice-Beispiele zum Standard machen und Räume schaffen, in denen Innovation und Fortschritt für Klimaschutz umgesetzt werden. Wir haben mit dem Klimagesetz und dem Integrierten Klimaschutzplan 2030 die wesentlichen Rahmenbedingungen gesetzt. Im ersten Integrierten Klimaschutzplan 2025 haben wir rund 170 konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz umgesetzt. Im Nachfolge-Plan IKSP 2030 haben wir nun weitere 90 Maßnahmen eingeleitet. Im Doppelhaushalt 23/24 investieret Hessen 1,8 Milliarden Euro in Projekte zum Klimaschutz. In der Mittelfristigen Finanzplanung bis 2026 sind insgesamt 4,5 Milliarden Euro dafür vorgesehen. Die vereinbarten Maßnahmen werden wir priorisieren und entsprechend umsetzen. Um die energiepolitischen Ziele zu erreichen, starten wir eine Energieoffensive für Hessen. Um die Energiekrise und die Energiepreiskrise wirksam zu bekämpfen und uns langfristig unabhängig vom Import fossiler Energieträger zu machen, muss gelten: Freie Fahrt in Hessen für die verfügbare Energie! Keine ideologischen Scheuklappen, sondern ein umfassender Rundumblick sind angesagt. Technologieoffenheit bedeutet an der Stelle auch, die Forschung in diesem Bereich in Deutschland zu ermöglichen. Es liegen viele technische Ansätze für eine klimafreundliche, sichere und günstige Energieerzeugung als grundlastfähige Ergänzung zu den Erneuerbaren für die Zukunft auf dem Tisch. Wir sollten keinen Weg vorgeben oder gar einen Lösungsansatz ausschließen. Jede gute Idee verdient eine Chance. Spitzenforschung für alle Energieformen muss wieder in Deutschland stattfinden und Hessen zum Leitstandort für Innovationen bei Energieerzeugung und -speicherung werden. Wir bauen dafür ein Exzellenzcluster “Saubere Energie 2040” am House of Energy auf. Beispielhaft sollen die Nutzungsmöglichkeiten von Wellen- und Gezeitenkraftwerken, Geothermischen Anlagen, vertikalen Windkraftanlagen, Agro-PV, Floating-PV, modernste Speichersysteme, Flüssigsalzreaktoren oder Transmutationsanlagen erforscht werden. Nicht durch staatliche Vorgaben, sondern durch Freiheit, Technologie- und Forschungsförderung werden neue saubere Energien zum Durchbruch gebracht – von Wasserstoff bis Bioenergie. Es darf keine Denkverbote für neue Energiequellen geben – in der Umsetzung aber pragmatische Kompromisse. Pauschale Verbote gehen hingegen an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei, führen zu Widerstand und gefährden die Akzeptanz für den Klimaschutz. Wir denken die Transformation unserer Energieversorgung ganzheitlich: Neben der Energieproduktion denken wir auch an Speicherung und Verteilung. Nur in einem funktionieren Gesamtkomplex führt eine regenerative Energieerzeugung zu einer verlässlichen Energieversorgung. Die vorhandenen technischen Lösungen müssen zur Marktreife gebracht und die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich weiter vorangetrieben werden. Wir setzen dabei auf eine klare No-Blackout-Politik. Unseren wichtigen Standortvorteil der umfassenden Versorgungssicherheit müssen wir unbedingt erhalten. Der notwendige Umbau der Energieversorgung darf nicht zu einer Unterversorgung führen. Mit der Wirtschaft – vor allem mit Industrie und Mittelstand – wollen wir die Beratung und den Wissenstransfer intensivieren und das Instrument der Carbon Contracts for Difference verstärkt nutzen, um den Energieverbrauch zu reduzieren und klimafreundlich zu modernisieren. Im Bereich der erneuerbaren Energiequellen wollen wir den Ausbau aller verfügbaren regenerativen Energieformen vorantreiben sowie Hindernisse und Hürden abbauen und Genehmigungsprozesse beschleunigen. Die Nutzung von Solarenergieanlagen auf unseren Dächern, auf freien Gewerbe- und Industrieflächen, an und über Autobahnen und Bahnstrecken, über Parkplätzen und – wo das möglich ist – auch über landwirtschaftlichen Flächen und als floating PV über Wasserflächen bietet unendliche Chancen für die Produktion sauberer Energie. Die Nutzung von PV muss so attraktiv sein, dass sie bei allen Vorhaben zur Regel wird. Wir wollen in einem Modellprojekt erproben, ob Autobahnen partiell mit Solarflächen überspannt werden können. Auf einer der Neubaustrecken, die wir in Hessen planen, wollen wir dazu eine Teststrecke errichten. Wie im Energiegesetz festgeschrieben, werden wir 1% der Landesfläche für Photovoltaik bereitstellen. Hybride Nutzungsformen, insbesondere auf Dächern, sollen dabei Vorrang genießen. Soweit geeignete und angemessene Landesfläche verfügbar sind, werden wir diese für hybrid genutzte PV-Anlagen zur Verfügung stellen. Wir starten das 100.000-Dächer-Programm zur Unterstützung des Photovoltaikausbaus. Um Investitionen zu ermöglichen, werden vergünstigte oder zinslose Darlehen bereitgestellt. Um bestmögliche Wirksamkeit zu erzielen, werden wir das Angebot flexibilisieren und unter anderem auch auf Außenfassaden ausweiten. Das erfolgreiche Solar-Kataster werden wir fortführen und noch intensiver bewerben. Damit werden wir Eigentümern von Dachflächen ihre Ertragschancen vor Augen führen. Wir wollen dies auf Frei- und Konversionsflächen ausweiten. Vorgaben zur Solarpflicht für neue und bestehende Privathäuser auf Bundes- und EU-Ebene sollen in Hessen durch steuerliche Anreize flankiert werden. Zur Sicherstellung der Technologieoffenheit sollen sich künftige Eigentümer auch für alternative Energiequellen entscheiden können. Wir werden bürokratische und steuerliche Belastungen von Photovoltaikanlagen weiter reduzieren. Unser Ziel ist völlige Steuer- und Abgabenfreiheit für selbstgenutzten PV-Strom und die deutliche Vereinfachung von Genehmigungsverfahren. Besonders werden wir die Einschränkungen des Denkmalschutzes für die PV-Nutzung überarbeiten und reduzieren. Die Nutzung von Freiflächen-Photovoltaik werden wir ausweiten, dabei aber die Beschränkung auf landwirtschaftlich benachteiligte Gebiete grundsätzlich beibehalten. Die Zubaubegrenzung von derzeit 35 MW pro Jahr werden wir deutlich anheben. Brach- und Konversionsflächen sollen prioritär genutzt werden. Um Nutzungskonkurrenzen zu minimieren, setzen wir uns verstärkt für Agri-Photovoltaik – also Solarparks bei gleichzeitiger landwirtschaftlicher Flächenbewirtschaftung – ein. Wir heben die Potenziale Hessens bei der Nutzung der Windenergie. Als Vorreiterland haben wir bereits 2% der Landesfläche als Vorranggebiete ausgewiesen und damit die bundesweiten Vorgaben als eines der ersten Länder erfüllt. Diesen Weg setzen wir fort und forcieren damit einen ambitionierten, landschaftsverträglichen und gesellschaftlich akzeptierten Ausbau der Windenergie in Hessen. Im Rahmen der Neuaufstellung der Teilpläne Energie in der Regionalplanung werden wir zur Erreichung der bundesgesetzlich vorgeschriebene 2,2% der Landesfläche als Windvorranggebiet insbesondere alle aktuell mit Windkraftanlagen bebauten Flächen zu Vorrangflächen für Repowering ausweisen, um dort eine Anschlussnutzung zu ermöglichen. Wir werden beim Bund dafür werben, für Investitionen in Windkraftanlagen und andere erneuerbare Energien Superabschreibungen zu ermöglichen und damit die steuerliche Absetzbarkeit deutlich zu verbessern. Die Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen müssen substanziell gestrafft und beschleunigt werden. Um insbesondere das Nadelöhr am Verwaltungsgerichtshof zu entlasten, schaffen wir im Rahmen des Infrastrukturbeschleunigungsgesetzes einen zusätzlichen Infrastruktur-Senat. Privates Engagement in der Energieerzeugung muss noch mehr belohnt werden. In der Nachfolge der aktuellen Strompreisbremse setzen wir uns beim Bund für ein Modell „PrivatPlusEnergie“ ein, bei dem die Erzeuger regenerativer Energie besonders profitieren. Wer selbst erneuerbaren Strom produziert und verbraucht, soll für seinen restlichen Verbrauch besonders gefördert werden. Mieterstrom- und Contracting-Modelle beziehen wir in diese Unterstützung ein und bringen sie damit voran. In einem zweiten Schritt soll dieses Modell für industrielle Betriebe realisiert werden.“

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Bewältigung der Transformation vor allem in der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um die betriebliche Weiterbildung im Zuge der Transformation zu stärken und auch attraktiver zu gestalten?

Boris Rhein: „Mit Blick auf den Fachkräftemangel ist die Bedeutung von betrieblicher Weiterbildung enorm gestiegen. Die Arbeitswelt der Zukunft baut auf Qualifikationen und Erfahrungen von Menschen jedweden Alters auf. Lebenslanges Lernen und permanente Weiterbildung werden immer stärker selbstverständlicher Teil der Arbeits- und Lebenswirklichkeit. Wir werden eine neue Weiterbildungsinitiative schaffen, um Menschen auf neue Berufsbilder, digitale Anforderungen und Veränderungen in der Arbeitswelt vorzubereiten. Wir wollen daher die Weiterbildung auf allen Ebenen stärken und eine Aufstiegsförderung etablieren, die finanzielle Barrieren für Fort- und Weiterbildung abbaut. Wir werden am Bildungsurlaubsanspruch von fünf Tagen für alle Beschäftigten festhalten und die Angebote von Bildungsveranstaltungen weiter fördern. Das Spektrum der anerkannten Veranstaltungen haben wir kürzlich um digitale Bildungsangebote erweitert, um die positiven Erfahrungen aus der Pandemie zu verstetigen.“

Eine letzte berufliche Frage: Welche konkreten Vorhaben gibt es Ihrerseits, um die Standortfaktoren für Unternehmens-Gründer in Hessen maßgeblich zu verbessern? Gibt es darüber hinaus Pläne, um Startups, kleine und mittlere Unternehmen im Sinne einer besseren Zusammenarbeit und Abstimmung stärker zu vernetzen?

Boris Rhein: „Die Startup-Branche bringt Innovationen und Dynamik in die Wirtschaft und leistet einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit Hessens. Wir wollen deshalb Start-Ups weiter fördern und bekennen uns mit Nachdruck zum Start-up-Standort Hessen. Wir wollen unsere 2018 gestartete Startup Initiative Hessen fortsetzen und Hessen als führenden Startup-State weiterentwickeln. Die Zahl der Neugründungen in Hessen steigt und unser Land liegt in vielen bundesweiten Rankings auf den Spitzenplätzen. Um diese Entwicklung noch weiter voranzutreiben, wollen wir neue Initiativen starten und insbesondere auch den Gründungen im ländlichen Raum einen weiteren Schub verleihen. Ein wichtiger Bestandteil ist die Vernetzung zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Aus diesem Grund wollen wir an unseren bestehenden Anlaufstellen wie z.B. dem StartHub Hessen, dem TechQuartier oder dem Runden Tisch Startup-Ökosystem FrankfurtRheinMain festhalten und sie ausbauen. Sie dienen als Anlaufstellen für Startups, Investorinnen und Investoren, Hochschulen, Inkubatoren, etablierte Unternehmen sowie andere Netzwerke. Die bestehenden Angebote werden hier gebündelt und Beratungen durchgeführt. Damit wollen wir für einen kontinuierlichen Austausch zwischen den unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren sorgen und diese gemeinsam ins Gespräch bringen. Mit Gründungsbotschaftern und einem Landespreis für Schülerfirmen wollen wir sowohl in den Schulen als auch in den Hochschulen für das Thema werben und jungen Menschen aufzeigen, welche Möglichkeiten es in diesem Bereich gibt und welche Anlaufstellen dafür in Hessen zur Verfügung stehen.
Wir werden das bestehende Unterstützungsangebot für Gründer speziell an Hochschulen bzw. für Studierende erweitern. Durch die Initiative „ZusePower“ werden wir einen neuen Schub für Gründungen aus Hochschulen und Wissenschaft in Gang setzen. Jede Hochschule erhält dafür 10 Euro pro Studierendem, mit der künftig die Startup-Kultur gefördert wird. So können Arbeitsplätze in Co-Working-Spaces geschaffen und Kontakte zu Investoren hergestellt werden. Wir wollen die Bereitstellung von Mikro-Krediten, Kapital für Kleinunternehmen, Innovationsdarlehen sowie die Gründungs- und Wachstumsfinanzierung zur Finanzierung von Unternehmensgründungen ausbauen und auch die Rahmenbedingungen für Risikokapital verbessern. Wir haben in Hessen in den letzten Jahren bereits eine Reihe an Förder- und Kapitalprogrammen für Startups ins Leben gerufen, wie z.B. den Futury Venture Growth Fonds, den Futury Regio Growth Fonds, das Gründerstipendium „Push“, LOEWE, Distr@l oder den Hessischen Gründerpreis. Gleichzeitig schaffen wir einen Innovations- und Gründerfonds und unterstützen die Aktivität bereits bestehender Fonds wie z.B. den CARMA-Fond. Um mehr privates Wagniskapital zu mobilisieren, wollen wir die Sichtbarkeit der Startup Branche verbessern. Dafür wollen wir u.a. jährlich ein internationales Startup Festival in Hessen ausrichten und damit Gründerinnerinnen und Gründern die Möglichkeit geben sowohl international als auch national sichtbarer zu werden. Auch unseren Hessischen Gründerpreis wollen wir fortführen und jährlich vergeben. Außerdem wollen wir einen Beauftragten für Startups schaffen, eine Datenbank bereitstellen, die als zentrale Anlaufstelle alle wichtigen Informationen für Gründerinnen und Gründer in einer Hand enthält und Existenzgründungen durch weniger Bürokratie künftig in 48 Stunden möglich machen. Unser Ziel ist es insbesondere auch weibliche Gründerinnen stärker zu unterstützen. Hierfür wollen wir ein eigenes Förderprogramm etablieren.“

Herr Rhein, eine Frage, die mich persönlich sehr beschäftigt und die letztendlich auch den Mittelstand tangiert und umtreibt. Wenn ich mich heute in deutschen Großstädten aber auch in kleinen Orten aufhalte, dann bin ich immer wieder über das schnelle Aussterben des Einzelhandels erschrocken. Das Bild wird immer mehr geprägt von Uniformität und von Leerstand. Es existieren bald nur noch Geschäfte von großen Ketten sowie Bäckereien, Optikern und Hörakustikern. Eine bedrohliche Entwicklung, die unsere Städte zunehmend unattraktiver macht. Haben Sie in diesem Punkt konkrete Vorstellungen, wie man diese ungünstige Entwicklung endlich nachhaltig stoppen kann?

„Mir liegen unsere Innenstädte sehr am Herzen. Und um langfristig die Zukunft der Innenstädte zu gestalten, wollen wir verschiedene Modellregionen auswählen, die sich in ihrer Größe und geografischen Lage unterscheiden. Die wollen wir fördern und neue zukunftsfähige Gesamtkonzepte erproben, die den Handel, die Gastronomie, die Städteplanung, den Klimaschutz, die Aufenthaltsqualität und viele weitere Punkte gemeinsam denken. Wir wollen lebenswerte Innenstädte mit einem lebendigen und starken Einzelhandel – dazu gehört auch die Prüfung von vier Sonntagsöffnungen ohne Anlassprüfung. Wir wollen die Förderprogramme zur Stärkung und Belebung unserer Innenstädte, wie beispielsweise „Zukunft Innenstadt“, „Lebendige Zentren“ oder „Ab in die Mitte!“ weiterführen und ausbauen. Und wir werden auch das „Bündnis für die Innenstadt“ fortsetzen. Klar ist aber auch: Alle Beteiligten – Land, Städte und Handel – müssen weiter an der dauerhaften Belebung unserer Innenstädte arbeiten, die sich verändern werden und verändern müssen. Attraktive kulturelle Angebote und verbesserte Aufenthaltsqualität, neue Nutzungsformen, ein Mix aus Wohnen, Kultur, Gastronomie, Handel und Gewerbe – unsere Innenstädte müssen mehr bieten als der schnelle Klick im Netz.“

Herr Ministerpräsident, vielen Dank für die Beantwortung der „Pflichtfragen“. Um unseren Mitgliedern jedoch auch einen kleinen Einblick in die Persönlichkeit Boris Rhein zu geben, darf ich Ihnen noch drei Fragen stellen, ohne allzu tief in Ihre Privatsphäre vorzudringen.

Können Sie mir drei Hobbys verraten, denen Sie – trotz Ihres sicherlich sehr angespannten Terminkalenders – gerne nachgehen?

„Wenn es meine sehr wenige Zeit erlaubt, dann fahre ich gerne mit meinem Rennrad oder wandere mit meiner Familie zum schönsten Taunusgipfel, dem Altkönig. Das dritte Hobby, Joggen, mache ich sogar täglich: Ich laufe morgens fünf Kilometer.“

Was sind Ihre drei Leibspeisen?

„Natürlich esse ich sehr gerne hessische Speisen, und dazu gehört für mich Grüne Sauce und Ahle Wurscht. Und eine weitere Leibspeise ist für mich eine leckere, herzhafte Gulaschsuppe.“

Was unsere Mitglieder sicher einmal wissen wollen: Herr Rhein, welche drei Orte in Hessen finden Sie ganz besonders attraktiv?

„Hessen ist so unglaublich schön und so vielfältig, da kann ich mich nicht auf drei Orte festlegen. Von unserem schönen Willingen über Bad Wildungen und Bad Hersfeld mit unseren tollen Festspielen bis hin zum wunderbaren Taunus mit dem Altkönig, zur Bergstraße, zum traumhaften Rheingau und natürlich zu meiner Heimat Frankfurt bietet Hessen alles, was man sich nur wünschen kann.“

Tarek Al-Wazir Grüne
Klaus H. Radtke und Tarek Al-Wazir (v.l)

Sehen Sie aktuell Änderungsbedarf am Tariftreue- und Vergabegesetz? Welche Kriterien für öffentliche Aufträge in Hessen sind für Sie besonders wichtig oder sollten zukünftig stärker Berücksichtigung finden?

Tarek Al-Wazir: „Mit der Novellierung des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes (HVTG) wurden deutliche Verbesserungen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen in Hessen erreicht. Es gibt einerseits den öffentlichen Auftraggeberinnen und -gebern das notwendige Werkzeug, nachhaltig und wirtschaftlich im Wettbewerb zu beschaffen, andererseits wurden zwischenzeitlich überflüssige Vorschriften und Sonderregelungen gestrichen, so dass Wettbewerbshindernisse für Bewerber und Bieter ausgeräumt wurden. Insgesamt begrüße ich sehr, dass die Anwendung sozialer und ökologischer Kriterien gestärkt wurde, damit wird Mensch und Umwelt geholfen, gleichzeitig kommen Unternehmen schneller zu neuen Aufträgen.“

Haben Sie Vorschläge zur Aufwertung der beruflichen Ausbildung? Gibt es weitere Ideen und Ansätze, das Thema Fachkräftemangel in der hessischen, mittelständischen Wirtschaft zu lösen?

Tarek Al-Wazir: „Die Folgen der demografischen Entwicklung für den Arbeitsmarkt und die Veränderungen der Arbeitswelt machen neue Wege in der dualen Ausbildung sowie eine enge Zusammenarbeit bei der Fachkräftesicherung in Hessen notwendig. Ich setze mich dafür ein, mehr junge Menschen für die Ausbildung zu begeistern. Dafür nutzen wir verschiedenen Instrumente und fördern die beruflichen Orientierung, etwa in den energierelevanten Berufen mit unserem Projekt „Energiewendeheld:innen“. Zeitgleich informiert und begeistert die aktuell laufende Kampagne „Von A zu B“ die jungen Menschen von der dualen Ausbildung dort, wo sie viel Zeit verbringen: In den Sozialen Medien. Gleichwohl gilt weiterhin: Wir brauchen wieder mehr Wertschätzung für die duale, berufliche Ausbildung, wir müssen mehr Berufsorientierung in die Schulen bringen. Eine Ausbildung ist weiterhin die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, zudem gibt es in Hessen keine Sackgassen mehr, man kann mit mittlerer Reife und einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung genauso studieren gehen wie mit Abitur.“

Welche Maßnahmen zum Ausbau und der Festigung des internationalen Finanzstandorts Frankfurt planen Sie?

Tarek Al-Wazir: „Auch die Finanzwelt ist im Wandel, Geldströme verlagern sich weg von klimaschädlichen hin zu klimafreundlichen Aktivitäten. Von uns unterstützte Akteure wie das Green and Sustainable Finance Cluster Germany halten das Ambitionsniveau hoch und bieten gleichzeitig eine lebendige Plattform zum Austausch. Zudem bewirbt sich Frankfurt aktuell darum, Sitz der EU Behörde zur Geldwäschebekämpfung (AMLA) zu werden, und das mit recht guten Chancen. Für eine starke AMLA brauchen wir einen glaubwürdigen, zentralen und nachhaltigen Standort wie eben Frankfurt. Im Gegenzug würde die Ansiedlung dieser wichtigen europäischen Behörde natürlich weiter den Finanzplatz an sich stärken.“

Was planen Sie, um digitale Kompetenzen in der schulischen Bildung, aber auch in der Weiterbildung stärker zu fördern? Und ein zweiter wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang: wie möchten Sie Bildungseinrichtungen bei der Ausstattung und Wartung von IT-Geräten stärker unterstützen?

Tarek Al-Wazir: „Aus meiner Sicht ist die Digitalisierung eine große Chance für die Einführung moderner Unterrichtsmethoden. Es geht eben nicht nur darum, ein Whiteboard in den Klassenraum zu stellen und ansonsten weiter Unterricht wie in der Kreidezeit zu machen. Ich werbe dafür, dass alle Schülerinnen und Schüler in den weiterführenden Schulen ein Tablet bekommen und diese Ausstattung dann für einen pädagogischen Aufbruch an unseren Schulen zu nutzen.“

Wie möchten Sie den dringend notwendigen Bürokratieabbau maßgeblich vorantreiben und eine weitere Überregulierung verhindern? Wie kann die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigt und die Register schneller modernisiert werden?

Tarek Al-Wazir: „Ich bin dafür, dass wir systematisch alle Verwaltungsvorgänge auf überflüssige „Schleifen“ überprüfen. Das wird nicht nur langfristig zu schnelleren Verfahren führen, sondern auch Personalkapazitäten freisetzen, etwa in den Regierungspräsidien. Ich stelle mir eine Prüfung in drei Schritten vor: Erst prüfen, ob ein Verfahren insgesamt abgeschafft werden kann, dann den Prozess optimieren und natürlich digitalisieren.“

Das Land Hessen hat das Ziel ausgegeben, bis 2045 seinen Strom und Wärmebedarf komplett aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Welche Maßnahmen planen Sie, um diese Ziele zu erreichen? Und wie wollen Sie der bedrohlichen Preisentwicklung entgegenwirken?

Tarek Al-Wazir: „Unsere Wirtschaft muss klimaneutral werden. Eine nachhaltige Energieversorgung ist Voraussetzung einer nachhaltigen Ökonomie. Ohne den weiteren Ausbau der Erneuerbare Energien wird es nicht gehen. Nachdem die jetzige Bundesregierung endlich die Hemmnisse für die Wind- und Solarenergie abgebaut hat, nimmt inzwischen der Ausbau der Windkraft in Hessen wieder Fahrt auf, und die Photovoltaik erlebt einen nie erlebten Schub. Klar ist aber: Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, wir müssen noch viel schneller werden. Bis die Erneuerbaren Energien ihren Kostenvorteil auf dem Energiemarkt voll ausspielen können, finde ich es sinnvoll, einen zeitlich begrenzten Industriestrompreis einzuführen, um während der Transformation wettbewerbsfähig zu bleiben und den Wirtschaftsstandort auch für energieintensive Branchen nicht zu schwächen.“

Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um die betriebliche Weiterbildung im Zuge der Transformation zu stärken und auch attraktiver zu gestalten?

Tarek Al-Wazir: „Die hessische Wirtschaft ist strukturell gesund und verfügt über einen stabilen Arbeitsmarkt, geringe Arbeitslosigkeit und eine hohe Beschäftigung. Für mehr Fachkräfte auf dem hessischen Arbeitsmarkt liegt weiterhin großes Potential in der Weiterbildung und Qualifizierung. Für den Erhalt und die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit von Fachkräften sind unsere Bildungscoaches in Hessen im Einsatz, die Betriebe und Beschäftigte beraten und bei Nachqualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen begleiten. Zudem gibt es natürlich weiterhin die Aufstiegsprämie in Höhe von 1.000 Euro für die erfolgreiche Teilnahme von Fachkräften an einer beruflichen Aufstiegsqualifizierung. Und in der nächsten Legislaturperiode soll die Meisterprüfung komplett kostenlos werden.“

Welche konkreten Vorhaben gibt es Ihrerseits, um die Standortfaktoren für Unternehmens-Gründer in Hessen maßgeblich zu verbessern? Gibt es darüber hinaus Pläne, um Startups, kleine und mittlere Unternehmen im Sinne einer besseren Zusammenarbeit und Abstimmung stärker zu vernetzen?

Tarek Al-Wazir: „Mit einem dynamischen Start-up-Ökosystem, investitionsstarken Unternehmen und landesweit zahlreichen Beratungsangeboten für Gründerinnen und Gründer ist Hessen bereits jetzt ein attraktiver Start-up- und Gründungsstandort. Langfristig stützt sich die Weiterentwicklung des hessischen Gründungs- und Start-up-Ökosystems auf vier wesentliche Säulen: Kooperation und Vernetzung, Talent- und Nachwuchsförderung, Finanzierung und Förderberatung sowie Sichtbarkeit und Imagepflege des Standorts. Als konkretes, bereits existierendes Beispiel will ich hier unser push!-Stipendium anbringen, seit 2022 vergibt die Hessische Landesregierung mit push! einen einmaligen Zuschuss von bis zu 40.000 Euro an vielversprechende Gründerinnen und Gründer, die ihr Start-up in Hessen auf- und ausbauen möchten. Mit Hilfe von push! sollen innovative Ideen zu tragfähigen Geschäftsmodellen weiterentwickelt werden.“

Herr Al-Wazir, eine Frage, die mich persönlich sehr beschäftigt und die letztendlich auch den Mittelstand tangiert und umtreibt. Wenn ich mich heute in deutschen Großstädten aber auch in kleinen Orten aufhalte, dann bin ich immer wieder über das schnelle Aussterben des Einzelhandels erschrocken. Das Bild wird immer mehr geprägt von Uniformität und von Leerstand. Es existieren bald nur noch Geschäfte von großen Ketten sowie Bäckereien, Optikern und Hörakustikern. Eine bedrohliche Entwicklung, die unsere Städte zunehmend unattraktiver macht. Haben Sie in diesem Punkt konkrete Vorstellungen, wie man diese ungünstige Entwicklung endlich nachhaltig stoppen kann?

Tarek Al-Wazir: „Städte und Gemeinden müssen sich an die Veränderungen der Lebensgewohnheiten und des Kaufverhaltens der Bürgerinnen und Bürger anpassen. Durch die Abwanderung von Geschäften und Arbeitsplätzen in die Peripherie, ins Internet und ins Home-Office gibt es immer weniger Anlässe für die Menschen, ‚in- die-Stadt-zu-gehen‘. Die Innenstädte müssen sich neu erfinden, sie können mit den entsprechenden Konzepten wieder attraktive Orte des Erlebens und Zusammenkommens werden, etwa durch einzigartigen regionalen Einzelhandel, kulturelle Angebote, durch eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Gastronomie oder durch die attraktive Gestaltung des angrenzenden öffentlichen Raums mit gesteigerter Aufenthaltsqualität.“

Können Sie mir drei Hobbys verraten, denen Sie – trotz Ihres sicherlich sehr angespannten Terminkalenders – gerne nachgehen?

„Ich bin treuer Offenbacher Kickers-Fan und wann immer es geht im Stadion dabei. Außerdem erledige ich kleine und große handwerkliche Projekte bei mir zuhause gern selbst, da gibt es immer was zu tun. Und auch wenn es eher unspektakulär ist: Ich lese gern.“

Was sind Ihre drei Leibspeisen?

„Gleich drei fällt mir schwer, ich bin da wenig wählerisch und esse fast alles, kein Stadionbesuch ohne Rindscurrywurst mit Pommes, unter der Woche mittags reicht mir aber auch oft ein etwas gehaltvollerer Salat. Und ich bin ein großer Griechenlandfan, eine Strandtaverne mit gutem Bauernsalat, Tzatziki und einem „Mythos“-Bier, was Besseres kann ich mir kaum vorstellen.“

Was unsere Mitglieder sicher einmal wissen wollen: Herr Al-Wazir, welche drei Orte in Hessen finden Sie ganz besonders attraktiv?

„Der Wilhelmsplatz in Offenbach an Markttagen, das ändert bei vielen ihr Offenbach-Bild. Der Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel, ein Unesco-Welterbe, das ändert bei vielen ihr Kassel-Bild. Und die Aussichtsplattform auf dem Main-Tower in Frankfurt. Der Rundumblick auf die Skyline von oben und weit darüber hinaus bietet gleichzeitig die Erkenntnis, dass Frankfurt-Rhein-Main eine der grünsten Metropolregionen der Welt ist.“

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