Kurz erwartet Wahl von der Leyens zur EU-Kommissionschefin

Der gesamte Auswahlprozess der EU-Spitzenämter sei "haarsträubend"

Ursula von der Leyen (CDU)
Ursula von der Leyen

Der ÖVP-Chef und frühere österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz erwartet, dass das EU-Parlament Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen Mitte Juli zur neuen Präsidentin der EU-Kommission wählen wird. „Ich gehe davon aus“, sagte Kurz der „Welt am Sonntag“ auf eine entsprechende Frage. Die EU-Regierungschefs hatten die Unionspolitikerin am Dienstag für das Spitzenamt vorgeschlagen. Er sei optimistisch, dass von der Leyen nicht nur Unterstützung von der Europäischen Volkspartei (EVP), sondern „auch aus anderen Lagern“ erhalten werde.

„Ursula von der Leyen ist erfahren, sie ist sehr international, viele kennen und schätzen sie aufgrund ihrer bisherigen Arbeit“, so der ÖVP-Chef weiter. Er sei jedenfalls erfreut, dass „der Rat am Ende nicht den Sozialdemokraten Frans Timmermans, der die Wahl verloren hat, nominiert hat“. Zugleich kritisierte Kurz die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Suche nach einem EU-Kommissionspräsidenten scharf. „Die Festlegung auf Frans Timmermans als Kommissionspräsident lässt sich nicht erklären“, sagte Kurz der Zeitung weiter. Natürlich würde er als Vertreter eines kleinen Landes respektieren, dass große Länder wie Frankreich und Deutschland einen Führungsanspruch in der EU hätten. „Allerdings hat jeder Mitgliedstaat, unabhängig von Größe und Wirtschaftskraft, Sitz und Stimme im Rat. Insofern müssen derartig gewichtige Entscheidungsprozesse künftig breiter diskutiert und nicht im kleinen Kreis ausgehandelt werden“, so der ÖVP-Chef weiter. Merkel hatte zuletzt Timmermans und nicht den EVP-Wahlsieger Manfred Weber (CSU) als neuen Chef der EU-Kommission unterstützt. Damit konnten sie und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sich aber nicht durchsetzen. Der gesamte Auswahlprozess der EU-Spitzenämter sei „haarsträubend“ verlaufen und dürfe sich so auch „niemals wiederholen“, so der frühere österreichische Bundeskanzler. „Es darf in Zukunft keine derartigen Hinterzimmerdeals mehr geben, wir müssen zwingend die Entscheidungsstrukturen der EU reformieren“, sagte Kurz der Zeitung. Der Prozess müsse transparenter und demokratischer werden.

EU-Kommissionsvorsitz: Dreyer lässt Zustimmung für von der Leyen offen

Die kommissarische SPD-Vorsitzende und rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin, Malu Dreyer, lässt eine Zustimmung der europäischen Sozialdemokraten bei der Wahl von Ursula von der Leyen (CDU) als EU-Kommissionspräsidentin offen. „Es gibt keine Order der SPD-Führung an unsere frei gewählten Abgeordneten. Die SPD-Europaabgeordneten halten die Personalentscheidung der Staats- und Regierungschefs für falsch. Frau von der Leyen stand ja nicht zur Wahl. Deswegen macht sie gerade ihre Werbetour in den Fraktionen. Danach wird sich die sozialistische Fraktion noch mal zusammensetzen“, sagte Dreyer der „Bild am Sonntag“. Die Nominierung von der Leyens als Kandidatin für die EU-Kommissionspräsidentschaft habe aber noch ein Nachspiel bei der Überprüfung des Regierungsbündnisses: „Über die Fortführung der Koalition entscheiden wir bei unserer Halbzeitbilanz im Herbst. Eine wichtige Frage wird auch für uns sein, ob man sich in der Koalition aufeinander verlassen kann“, so die kommissarische SPD-Vorsitzende weiter. Die SPD wirft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, sie nicht rechtzeitig über den Personalvorschlag von der Leyen informiert zu haben. „Frau Merkel hat ein Personalpaket verhandelt, ohne die SPD zuvor miteinzubeziehen. Vertrauensvolle Zusammenarbeit sieht anders aus“, so die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin. Einen sofortigen Bruch der Koalition, wie ihn der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel gefordert hatte, lehnte Dreyer allerdings ab. Gabriel sei von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Das Bundeskabinett entscheide nicht über den EU-Kommissionspräsidenten, so die SPD-Politikerin weiter. Die Nominierung sei Sache der europäischen Staats- und Regierungschefs. „Dort hat sich die Kanzlerin nach dem Veto der SPD enthalten und damit koalitionstreu verhalten. Man muss nicht bei jedem Streit gleich die Koalitionsfrage stellen“, sagte Dreyer der „BamS“.

Europäische Grüne stellen Bedingung an von der Leyen

Kurz vor ihren Gesprächen mit Ursula von der Leyen (CDU) am Montag haben die europäischen Grünen Bedingungen für eine mögliche Unterstützung der Kandidatin für den Posten der Kommissionspräsidentin gestellt. „Ohne Spitzenkandidaten mit europaweiten Wahllisten geht gar nichts für Ursula von der Leyen“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold mit Blick auf die nächsten Europawahlen der „BamS“. Giegold kritisierte die Nominierung von der Leyens. Den Wählern seien Spitzenkandidaten versprochen worden, und jetzt solle die europaweit unbekannte von der Leyen den Posten bekommen. „Das Europaparlament soll so entmachtet werden. So geht das nicht“, sagte Giegold. +++

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