Kühnert wirft Wirtschaftsministerium Täuschung bei Gasumlage vor

Staatsrechtler halten Gasumlage nicht für verfassungswidrig

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wirft dem Wirtschaftsministerium bei der Gasumlage Täuschung vor – und fordert Korrekturen. In der öffentlichen Kommunikation sei vor dem Kabinettsbeschluss „von Pleiten die Rede gewesen, die vermieden werden sollen, Schwarz auf weiß in einem Papier, das wir Abgeordnete bekommen haben“, sagte Kühnert der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).

Anschließend habe das Haus von Robert Habeck (Grüne) erklärt, „den Versorgern müssten trotz Umlage auch Gewinne ermöglicht werden“. Kühnerts Vorwurf: Wenn „begründet der Eindruck entsteht, ein Ministerium dehne die Wahrheit an dieser Stelle, fällt das am Ende auf uns alle zurück und muss korrigiert werden.“ Die SPD wolle „ausschließen, dass gesunde Unternehmen, die anfallende Mehrkosten in ihrer Gassparte locker ausgleichen könnten, die Gasumlage zur Bereicherung in Anspruch nehmen können“, sagte Kühnert der „NOZ“. „Wenn auf rechtlichem Wege nichts geht, ist es eine politische Aufgabe von Minister Robert Habeck, solchen Unternehmen klarzumachen, dass sie sich selbst schaden, wenn sie ihren Antrag auf Unterstützung nicht zurückziehen“, sagte Kühnert.

Staatsrechtler halten Gasumlage nicht für verfassungswidrig

Mehrere Staatsrechtler sehen keine rechtlichen Probleme bei der Gasumlage für die Verbraucher zur Stützung der Gasimporteure. Joachim Wieland, Professor für Öffentliches Recht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, sagte dem „Handelsblatt“: „Es ist verfassungsrechtlich zulässig, die Erhebung und Verteilung der Gasumlage allein von der außerordentlichen Steigerung der Gaspreise abhängig zu machen, die durch den Krieg in der Ukraine verursacht ist.“ Auch aus europarechtlicher Sicht hat Wieland keine Bedenken. „Die Ausschüttung der mit der Gasumlage erzielten Einnahmen an Unternehmen stellt nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs keine Beihilfe dar, weil es sich nicht um Finanzmittel des Staates handelt.“ Gleichwohl hält Wieland es für möglich, dass die Umlage vor Gerichten juristisch angegriffen wird. „Auch wenn Klagen nach meiner Einschätzung keine Aussicht auf Erfolg haben werden, ist eine Klagewelle natürlich nicht auszuschließen.“

Auch der Münchener Staatsrechtler Martin Burgi hält etwaige Klagen nicht für einen „Selbstläufer“, da die Gasumlage „nicht per se verfassungswidrig“ erscheine. Kritisch könne gesehen werden, ob die Umlage „gleichheitskonform“ ausgestaltet worden sei, sagte er dem „Handelsblatt“: „Im Grunde werden alle Gaskunden beziehungsweise Gasimporteure über einen Kamm geschoren, egal, ob sie einen langfristigen Gasliefervertrag haben, ob sie überhaupt betroffen sind oder nicht.“ Burgi gibt aber zu bedenken, dass der Bereich der Umlagen bislang immer relativ großzügig von der Rechtsprechung behandelt worden sei. Bei der Umlage über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) seien etwa über 20 Jahre „gigantische Summen“ umgewälzt worden. „Diese Umlage ist niemals durch ein Gericht beanstandet worden.“ Bei der Gasumlage kämen die aktuelle Notlage und eine gewisse Eilbedürftigkeit hinzu. „Deswegen glaube ich, dass auch Gerichte an den Verordnungsgeber eher großzügigere Maßstäbe  anlegen“, so Burgi.

Der Staatsrechtler Hanno Kube hatte bereits Anfang August der dts Nachrichtenagentur gesagt, die Gasumlage werfe nicht nur ökonomisch, sondern auch rechtlich schwierige Fragen auf. „Einerseits haben die Kunden privatrechtliche Lieferverträge abgeschlossen, auf die sie sich grundsätzlich verlassen können sollten, andererseits können staatliche Markteingriffe aus übergeordneten Gründen erforderlich sein, hier zur Unterstützung der systemrelevanten Unternehmen.“ Die Frage einer möglichen Verfassungswidrigkeit ließ er ausdrücklich offen, genauer zu prüfen bleibe aber, wer die Solidarleistung richtigerweise erbringen müsse – der Kreis der Gaskunden oder aber die Gemeinschaft der Steuerzahler. +++

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