Kritik aus CDU an Höhe des Wiederaufbaufonds

Barley: Merkel muss Rechtsstaatlichkeit stärken

Zum Auftakt des EU-Gipfels haben der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Carsten Linnemann, und der Europaabgeordnete Markus Pieper vor der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) favorisierten Finanzierung des geplanten 750-Milliarden-Hilfsprogramms gewarnt. „Das Volumen des Fonds ist zu groß“, schreiben die beiden CDU-Politiker in einem Gastbeitrag für die „Rheinische Post“.

Es drohe eine Überlastung der ganzen EU. Mit dem 750-Milliarden-Fonds drohe die EU bereits in der Eurokrise gemachte Fehler zu wiederholen. „Als die Eurokrise die Konstruktionsmängel schonungslos offenlegte, wurden Rettungsschirme aufgespannt, die Druckerpresse der EZB angeworfen und politische Durchhalteparolen kreiert.“ Sie warnten, die Finanzkraft Deutschlands und damit der Raum für grenzüberschreitende Umverteilung seien endlich. Die geplante Wiederaufbauhilfe stelle auch die Vereinbarkeit mit den Europäischen Verträgen infrage. Die darin für den Katastrophenfall verankerte einmalige Ausnahme vom Verschuldungsverbot der EU treffe auf den Wiederaufbaufonds nicht zu, weil die EU für dessen Finanzierung über die gesamte nächste siebenjährige Haushaltsperiode Schulden aufnehmen solle. „Also auch dann, wenn wir Corona hoffentlich längst überwunden haben“, so die CDU-Politiker. Nötig seien „ehrliche Reformen statt neuer Schulden“. Ein Reformprogramm müsse die Währungsunion auf stabilere Füße stellen und es müsse auch ein Restrukturierungsverfahren für Staaten beinhalten, das ein geordnetes Ausscheiden aus dem Euro-Raum möglich mache.

Barley: Merkel muss Rechtsstaatlichkeit stärken

Vor dem Gipfel, auf dem über den Wiederaufbauplan in der Coronakrise beraten wird, fordern EU-Parlamentarier von Bundeskanzlerin Angela Merkel ein stärkeres Einsetzen für Rechtsstaatsprinzipien. Auszahlungen aus dem Wiederaufbaufonds und dem EU-Haushalt sollten daran gekoppelt werden, dass Mitgliedstaaten rechtsstaatliche Prinzipien wahren: „Einmal in sieben Jahren haben Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs bei diesen Verhandlungen die Gelegenheit, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken“, sagte Katarina Barley, die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, der „Welt“ (Freitagausgabe). Sie bezieht sich auf den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), der für die Jahre 2021 bis 2027 beschlossen werden soll. „Das sind sie Minderheiten, Journalisten, Künstlern und Oppositionellen in den Mitgliedsländern schuldig, in denen europäische Grundwerte missachtet werden. Wenn das Verhandlungsergebnis keinen starken Rechtsstaatsmechanismus enthält , werde ich ihm nicht zustimmen, und ich setze darauf, dass die Mehrheit im Europäischen Parlament das genauso sieht.“ Das Europäische Parlament muss dem Kompromiss zustimmen. Auch von den Grünen kommen Forderungen nach einem effektiven Rechtsstaatsmechanismus. „Merkel hat betont, wie wichtig ihr die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit seien“, sagte etwa Daniel Freund, der für die Grünen-Fraktion im Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments sitzt. „Wenn die Bundesregierung in den Verhandlungen nicht auf einem starken Rechtsstaatsmechanismus beharrt, der über das hinausgeht, was Michel vorgeschlagen hat, macht sich Merkel unglaubwürdig.“ Dann könne ganz Europa sehen, wie „heuchlerisch“ ihre Haltung sei. „Ohne starken Rechtsstaatsmechanismus wird das Parlament dem Wiederaufbauplan und dem MFR nicht zustimmen.“ Die EU-Kommission will, dass Geld aus dem EU-Haushalt und damit auch aus dem Wiederaufbauplan nur komplett fließt, wenn die Empfängerstaaten keine Grundrechte ihrer Bürger verletzen. Dieser Rechtsstaatsmechanismus richtet sich in erster Linie an Ungarn und Polen. Vor allem der ungarische Premierminister Viktor Orbán wehrt sich dagegen. Er hatte damit bereits Erfolg: Der in der derzeitigen Verhandlungsgrundlage vorgesehene Rechtsstaatsmechanismus kann erst ausgelöst werden, wenn eine kaum erreichbare qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten Sanktionen fordert. Sogar dieser Vorschlag könnte aber in den Verhandlungen gestrichen werden. +++