Ein letztes Mal in diesem Jahr ist am vergangenen Montag im Bürgerhaus Hofaschenbach der Gemeinde Nüsttal der Fuldaer Kreistag zusammengetreten. Ein Schwerpunkt der 24. Sitzung in der Wahlperiode 2021 – 2026 markierte neben dem Beschluss zur Gründung einer einhundertprozentigen Tochtergesellschaft „Schulservice gGmbH Landkreis Fulda“ vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen ab dem Schuljahr 2026/27 die Einbringung des Haushaltsentwurfs 2026 durch den Landrat des Landkreises Fulda Bernd Woide (CDU).
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen/Volt stimmte in der Sitzung am Montag gegen die geplante Gründung der sogenannten „Schulservice gGmbH Landkreis Fulda“. Um den dafür notwendigen Personalbedarf an den Grundschulen im Landkreis Fulda zu decken, plant Landrat Bernd Woide, Personal über die neu zu gründende Schulservice gGmbH einzustellen.
Die Schulservice gGmbH Landkreis Fulda soll als einhundertprozentige Tochter der „Rhön Tourismus und Service GmbH“ (RTS) gegründet werden. Nach den vorliegenden Plänen soll sie ohne Aufsichtsstruktur des Kreistages rund 400 Mitarbeitende an 49 Schulstandorten im Landkreis Fulda verwalten.
Im Haupt- und Finanzausschuss des Kreistags hatte die Vorsitzende der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/DIE Grünen/Volt, Deborah Müller-Kottusch, kritisch zu den vorgesehenen Anstellungsbedingungen nachgefragt, zu dieser die Kreisspitze Stellung bezog.
Vorgesehen seien demnach überwiegend Minijob-Beschäftigungen von nicht- oder geringqualifiziertem Personal. Eine Vergütung nach Tarifvertrag sei nicht geplant. Der Betreuungsschlüssel solle bei einer Betreuungsperson für 20 Kinder liegen. Diese Vorstellungen seien nach Auffassung der Fraktion weit entfernt von Forderungen, wie sie unter anderem das Bündnis „kindgerechter Ganztag“ erhebt, dem sich zahlreiche Organisationen angeschlossen haben.
Die Fraktion Bündnis 90/DIE Grünen/Volt betonte, dass gute Kinderbetreuung auch ein Wirtschaftsfaktor sei. Um die wirtschaftliche Arbeitskraft in der Region stabil zu erhalten, seien Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf verlässliche und qualitativ hochwertige Betreuungsstrukturen angewiesen. Das Wissen, dass das eigene Kind gut betreut werde, sei eine unabdingbare Grundvoraussetzung. Die Fraktion bezweifelt, dass dies mit den vorliegenden Plänen erreicht werden könne.
Bündnis 90/Die Grünen/Volt fordert Neuausrichtung des Konzepts
Fraktionsvorsitzende Deborah Müller-Kottusch formulierte die Forderung der Fraktion: „Wir setzen uns für eine qualitativ hochwertige Ganztagsbetreuung im Landkreis Fulda ein. Deshalb fordern wir eine Neuausrichtung des Konzepts, damit die Bedürfnisse von Kindern, Eltern und Beschäftigten berücksichtigt werden. Nur so kann eine zukunftsfähige und wertvolle Ganztagsbetreuung für alle Kinder im Landkreis Fulda gewährleistet werden.“
Wie Birgit Kömpel MdB a.D. von der SPD-Kreistagsfraktion in ihrer Stellungnahme hervorhob, befürworte die Fraktion das Angebot der Nachmittagsbetreuung, zumal diese die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für alle Elternteile ermögliche. Wie Kömpel weiter ausführte, bedauert es die Fraktion, dass der Bund Gesetze beschließt, jedoch die Landkreise und Kommunen bei der Finanzierung alleine gelassen werden. Kömpel: „Doch Kinder sind unsere Zukunft. Und deshalb müssen insbesondere Kommunen im Landkreis dafür sorgen, dass sich junge Familien weiterhin im Landkreis Fulda ansiedeln. Neben Standortvorteilen wie Breitbandausbau und Arbeitsplätzen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein weiteres, wichtiges Kriterium bei der Wohnungssuche.“
Die frühere Bundestagsabgeordnete appellierte an ihre Kreistagskollegen, das Gesetz daher auch als „Chance“ zu begreifen. Die SPD-Fraktion stehe daher fest an der Seite des Landkreises Fulda, wenn es um die Erörterung geht, wie eine bestmögliche Umsetzung aussehen könnte. Bei näherer Betrachtung kam die SPD-Fraktion jedoch zu dem Entschluss, dass die Umsetzung jedoch nicht der Erwartung der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Landkreis entspricht. „Die Gründung einer gGmbH mit der Zielsetzung alle Mitarbeitenden einer Tochtergesellschaft hat für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einen negativen Beigeschmack, zumal eine gGmbH niedrige Löhne zahlen würde, als es der Tarif des öffentlichen Dienstes vorsieht. Schließlich geht es hierbei auch um Sozialleistungen und anderen Gegebenheiten, die im öffentlichen Dienst üblich sind.“ Aus diesem Grund enthielt sich die Fraktion der Abstimmung.
„Das Ganztagsförderungsgesetz stellt den Landkreis vor erhebliche Herausforderungen“
Rainer Kohlstruck von der CWE-Kreistagsfraktion machte in seiner Stellungnahme das Zugeständnis, dass das Ganztagsförderungsgesetzes den Landkreis vor erhebliche Herausforderung stellt. Es sei daher nachvollziehbar, dass der Landkreis nach einem für ihn optimalen Weg sucht, das Programm umzusetzen. Er sieht das hier in der Gründung einer gGmbH. Nach Kohlstruck habe dies jedoch Nachteile für Schulen und auch für Eltern Individuelle standortspezifische Angebote wird es zukünftig nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt geben. Die CWE-Kreistagsfraktion sieht die Gründung auch aus Tarifgründen, die nach der Fraktion zu sehr verschwimmen als nicht sinnstiftend, aus diesem Grund sie wie auch die Fraktion Bündnis 90/DIE Grünen/Volt am Montag gegen die geplante Schulservice gGmbH Landkreis Fulda stimmte.
Der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion Thomas Hering MdL machte hierzu deutlich: „Wir bekommen zum Wohl unserer Kinder eine Bundesvorgabe und die gilt es umzusetzen. Um Wertschätzung und Kindeswohl sollten wir nicht debattieren. Ist diese doch das, was unseren Landkreis auszeichnet. Wir bekommen vom Bund die Vorgabe gemacht, aber ohne dessen Unterstützung. Schauen Sie auf das vielfältige ehrenamtliche Engagement in unserer Region im landesweiten Vergleich. Ich darf das regelmäßig tun. Wir sollten nicht den Fehler machen – bei aller Kritik oder Wünschen, die wir vielleicht auch haben, alles um uns herum schlechtzureden. Es gibt Regionen, die uns beneiden. Es geht darum, das Ganztagsförderungsgesetz flexibel zu gestalten, dass dieses dezentral angeboten werden kann. Wir wissen doch noch überhaupt nicht, wie groß der Anspruch sein wird und welche Zuschüsse vom Land Hessen kommen.“ Der Fraktionsvorsitzende, der auch Aufgaben als Mitglied des Hessischen Landtags für den Wahlkreis Fulda I wahrnimmt, warb bei den Kreistagskolleginnen und -kollegen um mehr Toleranz und warnte davor, die Umsetzung des Landkreises bei dem Ganztagsförderungsgesetz voreilig zu verurteilen.
Schad (FDP): „Wer einen Rechtsanspruch schafft, muss dauerhalft für dessen Finanzierung aufkommen.“
Claus-Dieter Schad von der FDP-Fraktion führte an: „Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen ist inhaltlich richtig und gesellschaftlich sinnvoll. Ich glaube, dies ist unumstritten. Aber gute Absichten aus dem politischen Berlin ersetzen keine solide Finanzierung. Immer neue Leistungsgesetze werden beschlossen, während Landkreise und Kommunen mit dem praktischen generellen und finanziellen Folgen alleine gelassen werden. Wer einen Rechtsanspruch schafft, muss auf Dauer für dessen Finanzierung sorgen. Einmalige Investitionszuschüsse reichen nicht aus, solange Betriebskosten und laufende Ausgaben dauerhaft bei Landkreisen, Städten und Kommunen hängen bleiben. Das ist weder fair – noch verantwortungsvoll und führt langfristig immer zu einer schleichenden Aushüllung der kommunalen Selbstverwaltung. Als Freie Demokraten stehen wir für das Konnexitätsprinzip – wer bestellt, zahlt! Bund und Länder dürfen die Haushalte der Landkreise und Kommunen nicht weiter überfordern. Mit der Gründung der Schulservice gGmbH Landkreis Fulda schaffen wir zunächst einmal Planungssicherheit und eine klare Zuständigkeit, was gut so ist. Wir als FDP-Kreistagsfraktion werden daher dieser Vorlage zustimmen.“
Wie Michael Wahl von der Gruppe Die Linke.Offene Liste in der Sitzung ausführte, seien mit der Neugründung der Schulservice gGmbH Landkreis Fulda wichtige Fragen - beispielsweise, wie das Konzept konkret aussehe und wie die Kinder betreut werden – unbeantwortet geblieben. Darüber sei im Vorfeld nicht gesprochen worden, kritisiert Wahl, der ausführte: „Es wird lediglich eine Maßnahme getroffen, wie eine kostengünstige Maßnahme aussehen könne, über die Inhalte und welches Konzept für die Kinder das Beste ist, wird nicht gesprochen. Das wird alles mit der Unternehmensgründung verbucht. Bei diesem Thema sind wir als Linke.Offene Liste raus und werden dieser Vorlage dementsprechend auch nicht unsere Zustimmung geben.“
Dr. Norbert Höhl von der Fraktion Christen für Osthessen erklärte, dass mit der Gründung der Schulservice gGmbH Landkreis Fulda hochqualifiziertes Personal abgezogen werden könne, dass woanders besser gebraucht werden könne. Das aber auch eingefahrene Strukturen durch Elternteile gut funktionieren, zeige ein Beispiel an der Grundschule in Marbach, an das sich die Kinder gewöhnt hätten. Man müsse die Gründung der gGmbH auch realistisch betrachten, was bedeute, verantwortungsbewusst mit Finanzen umzugehen; auf der anderen Seite müsse man jedoch auch das Wohl der Kinder in Betracht ziehen, was nach Aussagen des Pädagogen mit der Gründung der Schulservice gGmbH nicht gefährdet sei. Im Gegenteil. Auch könne man mit der Gründung finanzielle Mittel einsparen, aus diesem Grund fand die Gründung der Schulservice gGmbH die Zustimmung der Fraktion.
Nach einer dreiviertelstündigen geführten Debatte im Kreistag trat Landrat Bernd Woide noch einmal ans Rednerpult. Woide: „Wir haben mit der Gründung der Schulservice gGmbH Landkreis Fulda mit Nichten etwas zum Gegenstand, was jetzt völlig neu geschaffen werden muss. Es ist doch nicht so, dass es Ganztagsbetreuung an Grundschulen noch nie gegeben hätte und der Landkreis jetzt in der Pflicht ist, hierfür etwas zu schaffen. Mancher Redebeitrag hat sich für mich in etwa so angehört. Bei der einen Schule haben wir mehr, bei der anderen weniger und damit sehr heterogene Betreuungsangebote. Und ich kann mich an keine Diskussion in diesem Kreistag erinnern, die etwas vollkommen Gegensätzliches zum Gegenstand hatte. Das sagt mir, dass eine gewisse Zufriedenheit in der Region mit dieser Situation besteht.
Das nicht alle Schulen im Landkreis mit dem gewissen Betreuungsangebot ausgestattet sind, hat vielleicht auch etwas mit der sozialen Struktur zu tun. Kaum bekommen wir vom Bund diese Vorgabe gemacht, fangen wir im Kreistag an, über Qualität zu debattieren. Der Bund hat sich um alles Gedanken gemacht, nur nicht um Investitionsfinanzierung und Personal. Das, was viele Jahre funktioniert hat, funktioniert mit der Vorgabe des Bundes auf einmal nicht mehr.
Woide: „Der Bund hat sich um alles Gedanken gemacht, nur nicht um Investitionsfinanzierung und Personal!“
Ernsthaft jetzt? Das, was da ist, wird auf einmal von politisch Verantwortlichen negiert und die Vorgabe gemacht, dass wir auf einmal mit Standards an dieses Thema herantreten müssen. Ich glaube, dass ist ein typisch deutsches Phänomen. Nehmen wir in diesem Staat doch einfach mal etwas mehr die Landkreise und Kommunen in die Verantwortlichkeit. Wir im Landkreis Fulda haben diesbezüglich in den vergangenen Jahren eine Menge auf den Weg gebracht – in dezentraler und in verantwortungsvoller Rolle vor Ort, mit Fördervereinen etc. Was ist in diesem Staat jetzt besser dadurch geworden, dass auf einmal ein Rechtsanspruch implementiert worden ist? In dem Ganztagsförderungsgesetz finden sich keinerlei Aussagen zu den Qualitätskriterien. Und das ist genau das Problem: Wir schaffen auf der Bundesebene Ansprüche, sind uns völlig im Unklaren darüber, wer das Ganze ausfinanzieren soll, schaffen Erwartungshaltungen und dann kommen wir zu dem Entschluss, dass alles so schwierig umzusetzen ist und wir daran scheitern, es dann letztlich auch umzusetzen. Vielleicht wäre es klüger, den Kommunen auf kommunaler Ebene mehr Entscheidungsfreiheiten einzuräumen.“
Nach einer etwa 60-minütigen Debatte wurde der Beschlussvorlag zur Gründung einer 100%igen Tochtergesellschaft mit der Bezeichnung „Schulservice gGmbH Landkreis Fulda“ innerhalb der Rhön Tourismus und Service GmbH Landkreis Fulda mit Sitz in Fulda vom Kreistagsvorsitzenden Helmut Herchenhan zur Abstimmung gestellt. Das Stammkapital des Unternehmens beträgt 25.000 Euro.
Dem Beschluss erteilte die Koalition der CDU und FDP-Kreistagsfraktion sowie die Fraktion Christen für Osthessen ihre Zustimmung. Gegen den Beschlussvorlag stimmten die Fraktionen der CWE, Bündnis 90/Die Grünen/Volt sowie die Gruppe Die Linke.Offene Liste. Die SPD- und AfD-Kreistagsfraktionen enthielten sich der Abstimmung. Die Neugründung der „Schulservice gGmbH Landkreis Fulda“ wird damit in die Wege geleitet.
Weiter wurde in der Sitzung über den Antrag der CDU und FDP-Kreistagsfraktion zur Stillförderung im Landkreis Fulda abgestimmt. Auch dieses Thema wurde kontrovers diskutiert. Am Ende wurde der Antrag mehrheitlich angenommen. Ebenso angenommen wurde auch der Antrag der CWE-Fraktion zur Situation von niedergelassenen Fachärzten für Dermatologie im Landkreis Fulda. Der Antrag der SPD-Fraktion zur Fortschreibung der Treibhausgasbilanz wurde mehrheitlich abgelehnt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen/Volt zogen ihren Antrag auf Straßenbegleitgrün zurück.
Kreistagsvorsitzender Helmut Herchenhan (CDU) dankte den Kreistagsmitgliedern am Ende der Sitzung für die konstruktiven Beratungen und schloss mit den Wünschen für ein gesegnetes Weihnachtsfest, einem guten Jahreswechsel sowie einem guten und gesunden Start in das Jahr 2026. Die nächste Kreistagssitzung findet am Montag, den 2. März 2026, statt. Über den Tagungsort wird noch entschieden. Die Sitzung wird sich dann intensiv mit dem Haushalt des Jahres 2026 beschäftigen. +++ jessica auth

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