Konservative für höhere Löhne – Gewerkschaften dagegen

Lohnzurückhaltung -in Deutschland- bedeutet weniger Inlandsausgaben

Lohnabrechnung

Fulda. Der britische „Economist“ problematisiert die deutschen Exportüberschüsse und fordert höhere Löhne in Deutschland. Für einige deutsche Gewerkschaften offensichtlich Anlass, sich mit Händen und Füßen, aber ohne den Kopf gegen höhere Löhne zu wehren. Der Economist hat einen für seine Verhältnisse sehr klugen Kommentar zur Problematik der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse geschrieben. Es sei die deutsche Lohnzurückhaltung, die sowohl die deutsche als auch Weltwirtschaft in ein gefährliches Ungleichgewicht manövriert habe! Zitat: „Pay restraint means less domestic spending and fewer imports. Consumer spendig has dropped to just 54 Prozent of GDP, compared with 69 Prozent in America and 65 Prozent in Britain.“ Zu Deutsch: Die Lohnzurückhaltung (in Deutschland) bedeutet weniger Inlandsausgaben und weniger Importe. Die Konsumausgaben sind auf nur 54 Prozent des BIP gesunken, verglichen mit 69 Prozent in Amerika und 65 Prozent in Großbritannien. Und auch die aus dieser Problemanalyse folgende Empfehlung ist unbestreitbar richtig: In Deutschland müssen die Löhne und die öffentlichen Investitionen steigen. Korrekt ist auch die Beobachtung, dass die Löhne in Deutschland im Durchschnitt 2016 nur um 2,3 Prozent und damit um weniger als in den Vorjahren gestiegen sind. Es braucht also in Deutschland politische Maßnahmen, um Lohnabschlüsse in einer vernünftigen Höhe durchzusetzen.

So vernünftig und richtig diese Aussagen sind, so schockierend ist die Auffassung der Industriegewerkschaft IGBCE. Diese bestreitet in einer Veröffentlichung, die Leistungsbilanzüberschüsse ließen sich auf zu niedrige Lohnsteigerungsraten in Deutschland zurückführen. Zitat: „Richtig ist, dass über eine längere Phase die deutschen Lohnstückkosten im Vergleich zu anderen europäischen Staaten langsamer wuchsen. Es wird dabei aber oft übersehen oder verschwiegen, dass sich Lohnstückkosten aus Löhnen und Produktivität zusammensetzen. Man kann daraus ableiten, dass in Deutschland die Produktivität stärker als in anderen europäischen Ländern gestiegen ist, oder die vergleichsweise höhere Lohnentwicklung im Ausland nicht durch eine entsprechende Produktivitätssteigerung gedeckt war. (…) Die unterschiedlichen Lohnstückkostenentwicklungen oder zu niedrige Lohnabschlüsse in Deutschland können also zur Erklärung der hohen Außenhandelsüberschüsse und der Leistungsbilanz nicht herangezogen werden“. Bravo, besser hätten das die deutschen Arbeitgeberverbände auch nicht sagen können. Wir wissen jetzt aus erster gewerkschaftlicher Hand, dass die oft gehörte Behauptung, die deutschen Gewerkschaften könnten derzeit einfach keine höheren Löhne durchsetzen, falsch ist. Es ist vielmehr so – das belegt dieses Zitat – das große Teile der deutschen Gewerkschaften keine höheren Löhne durchsetzen wollen.

Wenn die Produktivität etwas mit den Lohnverhandlungen zu tun hat – wie die BSGE sagt – , dann führen geringere Lohnsteigerungen (im Verhältnis zur Produktivität) zu jeweils geringeren Lohnstückkosten und die These, die deutsche Volkswirtschaft hätte sich Vorteile durch zu geringere Lohnsteigerungen verschafft, ist absolut richtig. Nicht richtig ist dagegen die oft geäußerte Behauptung, dass in Deutschland die Produktivität stärker als in anderen europäischen Ländern gestiegen sei. So hat z. B. Frankreich bei der Produktivitätsentwicklung gegenüber Deutschland die Nase vorn. Dass die IGBCE die anderen Länder (gemeint sind wohl die Gewerkschaftskollegen in den anderen Ländern!) erwähnt, die über ihre Verhältnisse gelebt hätten, das eigene unter-den-Verhältnissen-leben aber zuzukleistern versucht, ist schon ein unglaublich dreistes Stück gewerkschaftlicher Meinungsmache in Deutschland. Festzuhalten bleibt, dass es bei den deutschen Gewerkschaften inzwischen möglich ist, offen die Position der Arbeitgeber zu vertreten, ohne dass es zu sofortigen Massenaustritt ihrer Mitglieder kommt. +++ rh

Sie können uns jederzeit Leserbriefe zukommen lassen.

Diskutieren kann man auf Twitter oder Facebook

Hier können Sie sich für den fuldainfo Newsletter anmelden. Dieser erscheint täglich und hält Sie über alles Wichtige, was passiert auf dem Laufenden. Sie können den Newsletter jederzeit wieder abbestellen. Auch ist es möglich, nur den Newsletter „Klartext mit Radtke“ zu bestellen.

Newsletter bestellen