KAB fordert dazu gravierende Reformen zur gesetzlichen Krankenversicherung

Künzell. Provozierend klangen die Fragen „Können wir es uns noch leisten krank zu sein? – Hat die gesetzliche Krankenversicherung eine Zukunft?“ die die Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Diözesanverband Fulda anlässlich ihrer diesjährigen Jahresauftaktveranstaltung in den Raum stellte. Zu dem IMPULS 2016 hatte der Sozialverband die Referentin der KAB Deutschlands im Grundsatzreferat, die Juristin Sabrina Schmalz, München eingeladen.

Die gesetzliche Krankenversicherung, als eine der Säulen des sozialen Sicherungssystems in Deutschland, habe sich über Jahrzehnte bewährt, so Schmalz, Expertin für Arbeits- und Sozialrecht in der KAB. Wenngleich nur Anspruch auf Leistungen bestehe, die notwendig, ausreichend und zweckmäßig seien, sei die GKV ein Garant für eine gute gesundheitliche Absicherung. Eine Weiterentwicklung, um gesellschaftlichen Gegebenheiten gerecht zu werden, war schon immer eine Herausforderung für das Solidarsystem. Diese Herausforderung sei allerdings in den letzten Jahren deutlich größer geworden. „Wer behauptet, die gesetzliche Krankenversicherung leide unter der demographischen Entwicklung und könne zukünftig nicht mehr bestehen, verkennt die Tatsachen“ so die KABlerin.

Zum Beispiel seien die geburtenstarke Jahrgänge des 20. Jahrhunderts jetzt in einer Alterskohorde, in der erhöhter medizinischer Bedarf bestehe, andererseits sei aber auch die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten und damit der Beitragszahler in die gesetzliche Krankenversicherung gestiegen. Der Produktivitätszuwachs würde zwar ausreichen, das Problem seien jedoch zu geringe Lohnsteigerungen. Hinzu kämen die hohe Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse sowie eine steigende Zahl von Ungelernten und schlecht Qualifizierten, die sehr wenig verdienen. „Eine vollwertige Versorgung für jede und jeden kann über die GKV geleistet werden, wenn jede/r Einwohner/in in der GKV pflichtversichert ist“ so die Referentin. Dazu müsste die Beitragsbemessungsgrenze mindestens auf die der Rentenversicherung erhöht werden und für die Einkünfte der gleiche prozentuale Anteil eingezahlt werden. Genauso müsste der volle Beitragssatz für positive Einkünfte neben denen aus nichtselbständiger Arbeit erhoben werden. „Wir brauchen eine Vollversicherung für alle über die GKV, über die private Krankenversicherung könnten darüber hinaus Zusatzversicherungen abgeschlossen werden“. Eine Reihe von weiteren Forderungen formulierte die KAB schon seit Jahren in einem eigenen Konzept zur gesetzlichen Krankenversicherung.

Auf die aktuelle Lage eingehend kritisierte sie, dass zusätzliche Kosten, verursacht durch den Gesetzgeber, wie auch Ausgabensteigerungen durch allgemeine Teuerung, alleine von den Versicherten, d.h. Arbeitnehmern und Rentner, zu tragen seien. Durch die Festschreibung des Arbeitgeberanteils am Beitragssatz zahlen Versicherte derzeit – abhängig von der Krankenkasse – einen Zusatzbeitrag von bis zu 1,7 %. Weitere Steigerungen seien abzusehen. Positiv sieht sie die Maßnahmen zur gesundheitlichen Prävention, kritisiert aber deutlich die festgelegte Querfinanzierung von staatlichen Aufgaben durch die GKV. Auch sei es mehr als notwendig, im Bereich der Krankenhäuser Reformen durchzuführen. Aber auch hier könne es nicht sein, dass Beitragszahler zur Kasse gebeten werden und die in der Pflicht stehenden Bundesländer sich aus ihrer Verantwortung herausziehen. Weiterhin mahnte Schmalz eine Reform zur Begrenzung der Arzneimittelkosten an.

Unter dieser Prämisse sieht sie die Forderung der KAB Deutschlands, initiiert durch die KAB Fulda, schnellstens zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zurückzukehren, als mehr als berechtigt an. „Die Haltung der KAB wird nicht nur von Gewerkschaften gestützt, sondern aktuell auch von einer Bundesratsinitiative der Länder Hamburg und Rheinland-Pfalz“ macht Schmalz der KAB Fulda Mut für ihre Kampagne „Zurück zur Parität“. Begonnen hatte die Jahresauftaktveranstaltung mit einem Gottesdienst in der Künzeller Pfarrkirche. KAB Diözesanpräses Pfarrer Christian Sack forderte die Teilnehmer auf, im Jahr der Barmherzigkeit als Zeugen Christi aufzutreten und sich Menschen, die Hilfe benötigen, zuzuwenden. „Wenn wir Glauben und Botschaft der Barmherzigkeit leben, ecken wir an und müssen uns mit dem ´Kompliment´ Gutmensch beschimpfen lassen“. Nur durch unerschrockenes Engagement für Hilfesuchenden könne die sich immer schneller drehende Spirale des Hasses in unserem Land gestoppt werden. Unter den Gästen konnte KAB Diözesanvorsitzender Wolfgang Spiegel, Hann-Münden, auch den Beigeordneten der Gemeinde Künzell, Rainer Kremer begrüßen, der in Vertretung von Bürgermeister Timo Zentgraf ein Grußwort sprach. In diesem betonte er die Bedeutung des Engagements der KAB auf der örtlichen Ebene. +++ fuldainfo | Michael Schmitt