Intensivmediziner begrüßen Lockdown-Verlängerung

Schüler und Lehrer kritisieren Beschluss als substanzlos

Die Intensivmediziner haben die Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März begrüßt, kritisieren jedoch das uneinheitliche Vorgehen der Länder bei Schulen und Kitas. „Die Fortsetzung des Lockdowns ist aus meiner Sicht des Intensivmediziners richtig und vernünftig“, sagte Uwe Janssens, Ex-Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), der „Rheinischen Post“. „Ich begrüße es sehr, dass sich der Zielwert geändert hat und jetzt die Inzidenz von 35 genannt wird – das zeigt mir, dass die Experten, die die Bundesregierung beraten, auch gehört und verstanden werden“, sagte der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler. „Mit Blick auf die Beschlüsse zur Öffnung der Schulen hätte ich mir allerdings ein einheitliches Vorgehen sehr gewünscht und bin enttäuscht, dass es wieder 16 individuelle Regelungen geben wird“, sagte Janssens. „Es ist mutig, in einem Zeitraum über Öffnungen zu sprechen, in dem wir Ansteckungsgefahr und Krankheitsverlauf der Mutationen noch nicht wirklich gut kennen.“

Wirtschaft vermisst nach Bund-Länder-Konferenz Planungssicherheit

Die deutsche Wirtschaft bemängelt nach den Beschlüssen der Bund-Länder-Konferenz zur Verlängerung des Lockdowns fehlende Planungssicherheit für das Hochfahren der Betriebe. „Für einen erfolgreichen Neustart brauchen wir im Großhandel einen verlässlichen Vorlauf, um unsere Partner aus Gastronomie und Hotellerie, aber auch Großküchen und Kantinen rechtzeitig und umfänglich ausrüsten und beliefern zu können“, sagte Anton Börner, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Öffnungspläne von Bund und Ländern seien trotz der Verständigung auf einen ersten Schwellenwert zu vage, erklärte Börner: „Hier ist dringend eine weitere Konkretisierung notwendig.“

Landkreistag fordert Aufhebung der Ein-Personen-Regel

Nach der Ministerpräsidentenkonferenz zur Corona-Strategie fordert der Deutsche Landkreistag, zügig weitere Öffnungsschritte zu beschließen, etwa ein Ende der strengen Kontaktbeschränkung. „Der fortgesetzte Lockdown ist an die Akzeptanz und das Vertrauen der Menschen gekoppelt. Das ist ein wichtiger Punkt. Deshalb sollten wir neben der Öffnung der Schulen und der Friseure die ganz enge Kontaktbeschränkung auf eine Person außerhalb des eigenen Haushalts so schnell wie möglich aufgeben“, sagte der Präsidenten des Landkreistages, Landrat Reinhard Sager, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Wir begrüßen es, dass Bund und Länder einzelne Schritte in Richtung einer Öffnung verabredet haben. Der erkennbare Rückgang bei den Infektionszahlen eröffnet perspektivisch die Spielräume, um zu Lockerungen zu gelangen. Dafür ist es wichtig, dass Bund und Länder zügig weitere Öffnungsschritte abstimmen“, so Sager weiter. „Die fortdauernden Belastungen sind nur vermittelbar, wenn der Plan mit realistischen, erreichbaren Zahlen unterlegt wird, anhand derer man abschätzen kann, was ab welchem Wert wieder geöffnet werden kann“, fügte er hinzu. „Die bereits vorgelegten Stufenpläne einzelner Bundesländer weisen in die richtige Richtung.“

Schüler und Lehrer kritisieren Beschluss als substanzlos

Die Bundesschülerkonferenz hält den Beschluss von Ministerpräsidenten und Kanzlerin in Sachen Schule für vollkommen unzureichend. „Der Beschluss, wenn man ihn so nennen kann, ist mehr als ernüchternd. Ein einheitliches Vorgehen wäre nicht nur wünschenswert, sondern essenziell gewesen“, sagte der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Dario Schramm, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Mal wieder können die Länder völlig frei entscheiden, wie sie mit Schulen verfahren, das ist vor allem hinsichtlich der Akzeptanz der Maßnahmen fatal.“ Schramm fügte hinzu: „Zwei Landkreise aus unterschiedlichen Bundesländern mit derselben Inzidenz – in dem einen ist die Schule offen, in dem anderen nicht. Das versteht doch wirklich kein Mensch.“ Der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz sagte: „Ich bin zutiefst enttäuscht, dass man es im Föderalismus mal wieder nicht geschafft hat, einen Weg zu gehen.“ Er ergänzte: „Für mich ist ebenfalls fraglich, wofür es die Kultusministerkonferenz aktuell noch benötigt, wenn die Entscheidungen doch wieder völlig unabgestimmt auf Länderebene stattfinden.“ Der Schülervertreter warnte: „Das Chaos ist komplett, wenn wir uns die anstehenden Abiturprüfungen anschauen. Der eine Schüler wird sich vor Ort in der Schule vorbereiten können, ein anderer muss auf den qualitativ schlechteren Distanzunterricht hoffen – von einem einheitlichen Vorgehen ist das weit entfernt.“ „Schulen haben oberste Priorität“ – so werde es seit Monaten gesagt. „Wir haben heute aber keinen konkreten Pläne bekommen was das eigentlich in der Praxis bedeutet“, sagte Schramm. „Der Frust der Schüler wird mit solch nichtssagenden Papieren nur gestärkt.“ Ganz ähnlich äußerte sich der Deutsche Lehrerverband. „Der Deutsche Lehrerverband bedauert es, dass die Bundesländer sich in der Frage der Schulöffnungen nicht auf eine gemeinsame Öffnungsstrategie haben einigen können und wiederum nicht einheitlich nach dem Infektionsgeschehen, sondern nach politischen Erwägungen gehandelt wird“, sagte Lehrerverbands-Chef Hans-Peter Meidinger der „Rheinischen Post“. „Damit gehen die Bundesländer, die jetzt vorpreschen, ohne dass die Inzidenzzahlen das hergeben, ein großes Risiko ein“, warnte Meidinger. Der Lehrerverband erwarte, „dass diese Länder zumindest beim Gesundheitsschutz das Menschenmögliche tun, um Ansteckungsrisiken in Schulen zu minimieren.“ Konkret forderte Meidinger den massenhaften Einsatz von regelmäßigen Selbsttestungen wie in Österreich bei Schülern und Lehrkräften, eine qualifizierte Maskenpflicht auch für Schülerinnen und Schüler, die Beschaffung von Raumluftfilteranlagen und Anstrengungen, Lehrkräfte früher als bisher vorgesehen zu impfen.