Herbstvollversammlung in Fulda begonnen

Thierse: Kirche darf sich nicht von Reformkurs abbringen lassen

Kardinal Reinhard Marx

Die deutschen Bischöfe sind am Montag in Fulda zu ihrer Herbstvollversammlung zusammen gekommen. Dabei geht es auch um den geplanten Reformprozess „Der synodale Weg“, den die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) anstrebt. Der Prozess soll vier Punkte umfassen: den Umgang der Kirche mit Macht, die kirchliche Sexualmoral, die umstrittene Ehelosigkeit von Priestern (Zölibat) und die Position von Frauen in der Kirche. Insgesamt geht es um den Versuch, die Katholische Kirche und ihre Hierarchie stärker für Frauen zu öffnen.

Thierse: Kirche darf sich nicht von Reformkurs abbringen lassen

Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat die Katholische Kirche aufgefordert, sich von den geplanten Reformen – die unter dem Stichwort „Der synodale Weg“ zusammengefasst sind – nicht durch „Reaktionäre im Vatikan“ abbringen zu lassen. „Ich wünsche mir, dass die Deutsche Bischofskonferenz Verdächtigungen und falsche Beurteilungen dieses Prozesses aus Rom geschlossen abwehrt“, sagte Thierse, der dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehört, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Denn er wünsche sich, dass die Katholische Kirche in Deutschland diesen Weg gehen könne – „nicht um die Weltkirche zu spalten, sondern um angemessen auf das zu reagieren, was in Deutschland los ist, mit der Kirche und mit den Christen“. Den Vorwurf, die Bischöfe würden einen Sonderweg gehen und die Weltkirche spalten, wies Thierse zurück. „Dabei haben die Bischöfe die Pflicht, auf die pastorale Situation im eigenen Land richtig und angemessen zu reagieren. Da sollen sie sich durch Reaktionäre im Vatikan nicht irritieren lassen.“

Wegscheide für die Bischöfe

Die Kirchen-Volks-Bewegung „Wir sind Kirche“ sieht die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz als Wegscheide für die Bischöfe an. Sind diese bereit, endlich die Verantwortung zu übernehmen für die jahrzehntelange Vertuschung sexualisierter Gewalt innerhalb der Kirche? Sind sie endlich auch bereit, die Betroffenen angemessen zu entschädigen und mit der grundlegenden Aufarbeitung zu beginnen, z.B. durch Einrichtung einer Wahrheitskommission? Und sind sie entschlossen genug – gegen alle Widerstände in den eigenen Reihen und aus dem Vatikan – sich zu dem von ihnen selber vorgeschlagenen Erneuerungsprozess des verbindlichen Synodalen Weges uneingeschränkt zu bekennen?

Dass die deutschen Bischöfe in gleichberechtigter Weise mit den „Laien“ über die heißen Eisen „Macht, Partizipation und Gewaltenteilung“, „Sexualmoral“, „Priesterliche Lebensform“ und „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ beraten wollen, mag aus römischer Sicht unerhört sein. Doch genau dies sind die Themen, die die vor genau einem Jahr veröffentlichte schockierende MHG-Studie als Risikofaktoren für sexualisierte Gewalt und deren Vertuschung analysiert hat. Alle Verantwortlichen im Vatikan wie im deutschen Episkopat, die immer noch meinen, mit formalen Verweisen auf das Kirchenrecht oder vatikanische Weisungsbefugnisse sich jeder Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre verweigern zu können, müssen sich fragen lassen, wie sie dies angesichts des verheerenden Glaubwürdigkeitsverlustes der Kirche rechtfertigen können. Denn nicht nur in Deutschland, sondern weltweit befindet sich die römisch-katholische Kirche in einer existenziellen Krise. Diese mag vom Missbrauchsskandal nicht ausgelöst sein, findet hierin aber einen Brennpunkt.

Diese Zusammenhänge können und dürfen nicht mehr geleugnet werden. Deshalb darf der von den deutschen Bischöfen vorgeschlagene Synodale Weg nicht gestoppt werden, noch bevor er begonnen hat. Weltkirche darf nicht gegen Ortskirchen ausgespielt werden. Wir sind Kirche warnt jedoch davor, zu viel Hoffnung auf den Synodalen Weg zu setzen, solange nicht geklärt ist, wer in welcher Weise am Zustandekommen der Beschlüsse beteiligt wird und welche Verbindlichkeit sie haben. Bestenfalls könnte es aber auch gelingen, dass die Beratungen in Deutschland wie auch bei der im Oktober in Rom stattfindenden Pan-Amazonas-Synode neue Wege für die Kirche entwickeln, die für die Weltkirche hilfreich sein könnten. Mit mehreren Appellen an die deutschen Bischöfe – auch gemeinsam mit der Betroffenenorganisation „Eckiger Tisch e.V.“, der Aktion „Maria 2.0“ und anderen Reformgruppen – hat Wir sind Kirche wiederholt die große Mehrheit der Bischöfe unterstützt, die sich für eine Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt in der Kirche und einen grundlegenden Erneuerungsprozess einsetzen.

An vier Tagen werden zahlreiche Gespräche geführt, Beschlüsse gefasst und Arbeitssitzungen abgehalten. Die Vollversammlung, die nicht öffentlich stattfindet, ist das höchste Gremium der katholischen Kirche in Deutschland. Die Zahl der Mitglieder beträgt zurzeit 69. +++