Géraldine Schwarz erhält Winfried-Preis

„Werk soll eine Ermutigung sein“

Die Publizistin Géraldine Schwarz ist heute von der Stadt Fulda mit dem „Winfried-Preis“ der Stadt ausgezeichnet worden. Der Preis wird an Persönlichkeiten oder Institutionen verliehen, die sich um die Völkerverständigung in Beziehung auf das Vorbild des Heiligen Bonifatius besonders verdient gemacht haben. Nach Überzeugung der Dr.-H.-G. Waider-Stiftung für Völkerverständigung und Frieden, die den Preis in Abstimmung mit der Stadt Fulda vergibt, hat Géraldine Schwarz mit ihrem Buch „Die Gedächtnislosen“ einen bedeutsamen Beitrag zur Neubesinnung auf den Wert der europäischen Einigung und der deutsch-französischen Freundschaft geleistet.

Ihr Werk führe authentisch vor Augen, dass eine gelebte Kultur der Vergangenheitsaufarbeitung der Schlüssel zur Gestaltung einer von Frieden und Freiheit geprägten, offenen Gesellschaft in Gegenwart und Zukunft sein könne, hieß es in der Begründung für die Verleihung. Für die Stadt Fulda und die Dr.-H.-G.-Waider-Stiftung ist es die 19. Preisverleihung. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und ging in der Vergangenheit an Persönlichkeiten wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker oder Kardinal Karl Lehmann († 11. März 2018 in Mainz). In der Geschichte des Winfried-Preises ist Géraldine Schwarz bisher die jüngste Preisträgerin. 1974 als Tochter einer französischen Mutter und eines deutschen Vaters in Straßburg geboren, arbeitete Géraldine Schwarz als Korrespondentin der Nachrichtenagentur AFP in Paris. Darüber hinaus arbeitete Schwarz als Autorin und Dokumentarfilmerin. Sie selbst bezeichnet sich als „Kind Europas“. Für ihr Buch „Die Gedächtnislosen“ wurde sie im vergangenen Jahr mit dem „Europäischen Buchpreis“ ausgezeichnet.

„In ‚Die Gedächtnislosen‘ kommen die Emotionen zu ihrem Recht“, so Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Aleida Assmann, in ihrer Laudatio. Die Nachforschungen von Géraldine Schwarz stünden im Spannungsfeld zwischen der Familienloyalität einerseits und der Zukunft eines historischen Wandelns andererseits. Das Werk zeige eindrucksvoll, wie man Gefühle und Loyalität aufrechterhalten und gleichzeitig der Wahrheit ins Auge sehen könne. Dies sei möglich, weil diese Wahrheit nicht nur beschämend, sondern auch befreiend sei, so Aleida Assmann heute in Fulda.
Vor dem Hintergrund des diesjährigen Stadtjubiläums (1275 Jahre Klostergründung Fulda) sagte Fuldas Oberbürgermeister, Dr. Heiko Wingenfeld, dass der Apell, der mit dem Winfried-Preis verbunden sei, nämlich stehend „für ein gemeinsames Europa“, in beängstigender Weise von Jahr zu Jahr aktueller zu werden scheine. „In diesem Jahr stimmt mich eine Erkenntnis und Botschaft unseres Jubiläumsjahres in besonderer Weise nachdenklich. In unserer Geschichte gab es 1275 Jahre noch nie eine so lange Phase, in der Frieden herrschte. 74 Jahre seit 1945 und in mehr als tausend Jahren war es keiner Generation vergönnt, so lange in Frieden zu leben, wie in unserer“, so Wingenfeld. Der Blick in die Geschichte zeige, dass „eine so lange Zeit des Friedens“ nicht selbstverständlich sei. Dass sich Géraldine Schwarz vor dem Hintergrund ihrer journalistischen Tätigkeit in ihrem Buch mit der Frage beschäftigt, wie ihre Großeltern in Zeiten des Krieges lebten und damit die Vergangenheit ihrer Familie in Deutschland und Frankreich in der NS-Zeit beleuchtete, sei, so Oberbürgermeister Wingenfeld, äußerst bemerkenswert.

Géraldine Schwarz bedankte sich für die große Ehre, die ihr mit dem Winfried-Preis, der ihrer Meinung nach in der Vergangenheit an bedeutende Persönlichkeiten verliehen wurde, die „Großes im Leben“ geleistet haben, heute Abend noch einmal zuteilgeworden sei. In ihrer Erwiderung sprach sie von ihrem Erstlingswerk, als eine Ermutigung, etwas in die Gesellschaft hineinzutragen, „ihr etwas mitzugeben“. Etwas mehr Wissen in die Gesellschaft hineinzutragen, diese Aufgabe sei gewiss keine leichte. „Manchmal fühle ich mich entmutigt“, sagte Géraldine Schwarz bei der Preisverleihung. Die Unwissenheit der Menschen über die Geschichte, die sie insbesondere dann vernehme, wenn sie auf Schülerinnen und Schüler in Deutschland und Frankreich trifft, würde sie sprachlos machen. „Aber auch in bürgerlichen Kreisen, in denen die individuelle Verantwortung, für die ich in meinem Buch einstehe, beschränkt ist, denn sie beschränkt sich auf das allgemeine Erbe, das wir bewahren und unseren Kindern hinterlassen wollen; Für eine Welt, die nicht zur Klimahölle werden darf“, sagte Géraldine Schwarz, Preisträgerin des Winfried-Preises der Stadt Fulda 2019 beim Festakt zur offiziellen Urkundenverleihung des Preises heute in Fulda.

Hintergrund: Der Winfried-Preis und die Dr.-Heinz-G. Waider-Stiftung für Völkerverständigung und Frieden. Der Namensgeber und Stifter des Winfried-Preises, Dr. Heinz-G. Waider, stammte einst aus Fulda und lebte zuletzt in Neuss. Der im Oktober 2015 verstorbene Mäzen hat Winfried Bonifatius aus zweierlei Beweggründen als prägende Persönlichkeit für die Namensgebung ausgewählt: Zum einen stellt er die Verbindung zu Waiders alten Heimat Fulda her. Was aber für Waider nach seinen Erfahrungen im zweiten Weltkrieg noch viel wesentlicher war: Mit seinem Werk hat der angelsächsische Missionar völkerverbinden und friedensstiftend gewirkt, indem er die christliche Botschaft auf dem Kontinent verbreitet hat. +++ jessica auth