Führende Unionspolitiker verlangen neue Wahlkampfstrategie

Die Unionsparteien müssten auch politisch heikle Themen anpacken

Berlin. Führende Unionspolitiker haben von Bundeskanzlerin Angela Merkel eine neue Strategie im Wahlkampf gegen die AfD gefordert. „Wer davon spricht, es sei Ausdruck einer europäischen Normalisierung, dass es jetzt auch bei uns eine rechtspopulistische Partei gibt, der hat zu früh aufgegeben“, sagte Jens Spahn, Staatssekretär im Finanzministerium und Präsidiumsmitglied der CDU, der „Welt“: „Dazu bin ich nicht bereit, ich will die AfD überflüssig machen“, sagte der CDU-Politiker bei einem Gespräch mit CSU-Vize Manfred Weber.

Um die AfD aus dem Bundestag zu halten, brauche es aber vor der Bundestagswahl 2017 eine schärfere inhaltliche Profilierung, sagte Spahn: „In Zeiten, in denen die Wahlbeteiligung steigt und trotzdem die Populisten rechts und links gewinnen, ist die asymmetrische Demobilisierung offensichtlich nicht das richtige Konzept. Wir brauchen deshalb eine andere Wahlkampfstrategie als beim letzten Mal.“ Die asymmetrische Demobilisierung bezeichnet die Strategie des gezielten Verwischens von Unterschieden zum politischen Gegner, um diesem die Mobilisierung zu erschweren. Manfred Weber, stellvertretender CSU-Chef und Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, fordert in dem Gespräch in der Zeitung eine klarere Kante im Wahlkampf: „Es geht nicht um Gefühle statt Inhalten, sondern im Gegenteil um inhaltliche Profilierung. Wir haben in der jüngeren Vergangenheit Wahlkämpfe mit der Strategie geführt, den politischen Gegner nicht zu provozieren.“ Aber jetzt habe sich die Stimmungslage komplett verändert. „Die Menschen suchen nach Orientierung und Sicherheit. Solche Zeiten zwingen zu einem klaren Profil.“ Nur weil die CSU den „bürgerlichen, rechten Bereich“ eingebunden habe, sei sie in Bayern Volkspartei geblieben. Spahn fordert von seiner eigenen Partei, sich dies zum Vorbild zu nehmen: „Wir müssen auch als CDU wieder stärker von rechts in die Mitte integrieren. Sonst geben wir den Anspruch auf, Volkspartei zu sein. Dabei ist es allerdings nicht hilfreich, wenn uns jede Woche jemand von der CSU an den Kopf wirft, wir wären rot-grün geworden.“

Die Unionsparteien müssten auch politisch heikle Themen anpacken: steigende Kriminalität, zu viele Zuwanderer in Parallelgesellschaften, die sich gar nicht integrieren wollen, Formen von radikalem Islam, die wir bei uns nicht dulden sollten. „Entweder wir als CDU packen diese Themen offensiv an oder es tun andere mit platten, teils rassistischen Parolen.“ Noch seien die an die AfD verloren gegangenen Wähler zurückzugewinnen. Weber und Spahn übten angesichts des langen Streits über die Flüchtlingspolitik Selbstkritik: „Zu Beginn der Flüchtlingskrise gab es auch in Teilen der CDU unter der Überschrift `Willkommenskultur` eine sehr einseitige Wahrnehmung“, meinte Spahn: „Die Fragen, Zweifel und Sorgen haben anfangs in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle gespielt.“ Weber warnte die eigene Partei hingegen vor überzogener Kritik an der Schwesterpartei: „Es hat auch in der CSU Einzelne gegeben, die verbal immer noch eins draufgelegt und immer noch schärfer gesprochen haben. Wir müssen schon aufpassen, dass wir es nicht überziehen. Wenn wir gegen die Populisten gewinnen wollen, brauchen wir eine sachlich gute Antwort und müssen mit der CDU gemeinsam überzeugen.“ +++