Frankreich beansprucht Vordenker-Rolle in Europa

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hat die umstrittenen Positionen seines Landes in der Debatte um die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zukunft Europas verteidigt. „Wir sind die Macht, die unbequem ist, die stört“, sagte Le Maire der „Süddeutschen Zeitung“. „Ich glaube, das ist eine der Rollen Frankreichs in Europa.“ Le Maire warnte, mangelnde öffentliche Investitionen könnten eine Wirtschaftskrise in Europa auslösen. „Die Geldpolitik ist am Ende ihrer Möglichkeiten. Jetzt ist es an den Regierungen, mit Haushaltsmitteln nachzuhelfen“, sagte er. Deutlich wie nie forderte er die Bundesregierung auf, ihre Ausgaben zu erhöhen, um das schwache Wachstum in der Euro-Zone zu stützen: „Deutschland kann mehr tun. Es hat Spielräume für mehr Ausgaben.“ Sein eigenes Land wolle seine Verschuldung aber verringern, beteuerte Le Maire. Er bekräftigte zugleich eine veränderte Prioritätensetzung Frankreichs: Präsident Emmanuel Macron hatte die Diskussion um die EU-Defizitgrenze von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in einem Interview mit dem britischen Magazin „Economist“ kürzlich als Debatte „aus dem letzten Jahrhundert“ bezeichnet. „Wir sagen einfach nur, dass die drei Prozent keine strategische Kernfrage sind – im Gegensatz zur europäischen Souveränität. Und die hängt von massiven Investitionen in Zukunftstechnologie ab“, so der Minister. Le Maire verteidigte zudem Macrons Äußerungen zur NATO, in denen der Staatschef das transatlantische Bündnis den „Hirntod“ bescheinigt hatte. „Was der Präsident über die NATO gesagt hat, ist schlicht klarsichtig“, sagte er. „Im Kern geht es uns darum, die EU zu verwandeln – von einem gemeinsamen Markt in eine wahre, souveräne Weltmacht. Es gibt keinen Grund, sich vor Frankreichs Ehrgeiz für Europa zu fürchten.“ Der wahrscheinliche EU-Austritt Großbritanniens lehre, „dass die EU sterblich ist“, sagte Le Maire. „Der Brexit mahnt uns, dass kollektiver Selbstmord immer möglich ist. Die politische Verantwortung liegt darin, ihn zu verhindern.“ Der Wirtschafts- und Finanzminister bestritt Spannungen im Verhältnis zwischen Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Zusammenarbeit der beiden laufe gut. „So wie jedes menschliche Verhältnis, ist es eine lebendige Beziehung“, sagte Le Maire. +++