Festakt zum 70-jährigen Bestehen der Bundes-GSP im Bayerischen Landtag

General a.D. Naumann und GSP-Präsident Hans-Peter Bartels. (v.l) Foto: privat

So sehr der Mensch im Grunde seines Herzens auch beseelt vom Frieden sein mag, so bitter ist die tägliche Wirklichkeit. Kriege toben rund um den Globus. Was folgt daraus? Nur eine solide Sicherheits- und Verteidigungspolitik kann letztlich hin zu einer funktionierenden Friedensordnung führen, um den zahllosen weltweiten Konflikten zumindest ansatzweise wirkungsvoll zu begegnen. Seit 70 Jahren hat sich die heutige Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) dem Ziel verschrieben, durch renommierte Experten eine breite Öffentlichkeit über Sicherheitspolitik zu informieren und mit ihr über die Notwendigkeit zu diskutieren. Im Münchner Landtag, dem Ort ihrer Gründung noch als „Gesellschaft für Wehrkunde“ (GfW), feierte die GSP, die über 6.000 Mitglieder in 80 Sektionen zählt, jetzt mit ihrem Präsidenten Dr. Hans-Peter Bartels dieses Jubiläum. Ein Fest also nur mit positiver „Begleitmusik“? Mitnichten. Denn General a.D. Dr.h.c. Klaus Naumann schrieb in seiner Festrede „Vom Scherbenhaufen zur Zeitenwende – Perspektiven europäischer Sicherheitspolitik“ seinen Zuhörerinnen und Zuhörern auch einige durchaus unbequeme Wahrheiten über die jahrelang betriebene deutsche Russlandpolitik ins Stammbuch. Die Bedeutung der GSP als unabhängiger und überparteilicher Verein hoben der Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Dr. Wolfgang Heubisch und Ministerialdirigent Dr. Johannes Dimroth vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) hervor. Dimroth würdigte das Leitbild der GSP, worin es heißt: „Wir kommunizieren den im Grundgesetz verankerten Gedanken einer wehrhaften Demokratie als Voraussetzung für Frieden, Freiheit und Sicherheit.“

Freiheit ist unbezahlbar

Berührt von dem, was Naumann insbesondere zum Schluss seiner mit stehendem Applaus bedachten Rede gesagt hatte, zeigte sich Fuldas GSP-Sektionsleiter Michael Trost. Dessen Feststellung, „die bequeme Stabilität der vergangenen Jahre, die Nichthandeln erlaubte, ist vorbei“, hatte im Publikum, vor allem aber bei Trost, für deutlichen Nachhall gesorgt. Europa müsse begreifen, was die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas ganz schlicht ausgedrückt habe: „Die Heizkosten können nahezu unerträglich werden, aber Freiheit ist einfach unbezahlbar.“ Nur Menschen, die begriffen, dass „Freiheit niemals Freiheit von allen Bindungen bedeutet, sondern Freiheit für Verantwortung ist, können in dieser Welt der Zukunft bestehen.“ In seiner Analyse setzte Deutschlands ehemals ranghöchster Soldat der Bundeswehr und der NATO ein weiteres deutliches Zeichen. Im Wettstreit mit den globalen Autarkien könne und werde sich die freie Welt, zu der Deutschland gehöre, behaupten, weil „Freiheit unsere stärkste Waffe ist. Das ist die Waffe, vor der die Putins und Xis dieser Welt zittern.“

Wehrhafte Demokratie

„Diese Freiheit bewahren, sie zu schützen“, dazu sind alle aufgerufen, „jeder an seinem Platz. Das muss und wird auch in Zukunft Leitmotiv für die Öffentlichkeitsarbeit der GSP Sektion Fulda sein“, bekräftigte Trost mit Blick auf Naumanns Rede. Fuldas GSP-Sektionsleiter fügte hinzu, wenn er an 70 Jahre GSP in Deutschland denke, dann „bin ich zuallererst persönlich dankbar, dass wir in unserem heimatlichen Umfeld nun schon seit fast 40 Jahren mit ehrenamtlichen, loyalen und engagierten Mitstreitern im Vorstand und etwa 130 Mitgliedern für den Erhalt unserer freiheitlichen Demokratie beitragen konnten.“ Dies erscheine umso wichtiger in einer Zeit, in der das Durchhaltevermögen der Deutschen angesichts von Putins Krieg und seinen Folgen in Form steigender Preise und Inflation „auf eine harte Probe gestellt“ werde. Vor diesem Hintergrund forderte Trost: „Wir alle sind, wie von unserer Sektion immer wieder angemahnt, auch in Zukunft aufgerufen, für eine wehrhafte Demokratie einzutreten.“

Putins Angriffskrieg in der Ukraine ab dem 24. Februar dieses Jahres hatte Naumann im weiteren Verlauf seiner Rede mit einem „Zivilisationsbruch“ gleichgesetzt. Er selbst, der bei der Gestaltung des Übergangs vom Kalten Krieg zu einer europäischen Sicherheitsordnung „ein wenig habe mitwirken können“, habe „aufrichtig gehofft, ein Europa gestalten zu können, in dem Krieg und gewaltsame Veränderung von Grenzen durch Verträge dauerhaft gebannt werden können und in dem die Souveränität der Staaten respektiert wird.“ Diese Hoffnung ruhte auf der Schlussakte von Helsinki und Vereinbarungen wie der Charta von Paris 1990 und der NATO-Russland-Grundakte 1997, mit der Russland die NATO-Erweiterung hinnahm und dafür Zugeständnisse erhielt.

Nicht alles falsch gemacht

Die Hoffnung, so eine Zone von Sicherheit und Frieden von Vancouver bis Wladiwostok zu schaffen, sei „keine Fiktion und die Entspannungspolitik auf der Grundlage des Harmel-Ansatzes der NATO kein Fehler“ gewesen. Sie hat ganz Europa das Ende des Kalten Krieges, den Deutschen die staatliche Einheit und der Welt den Zerfall des von einer aggressiven Sowjetunion geführten Warschauer Paktes gebracht. Diese Politik, so urteilt Naumann, „war eine Erfolgsgeschichte, aber sie hat Rückschläge niemals ausgeschlossen.“ Deshalb habe er stets gefordert, dann auch ab 1996 in der NATO, dass „Sicherheit vor Russland, nicht Sicherheit gegen Russland, durch gesicherte Verteidigungsfähigkeit zu erreichen ist. Das war und ist der Schlüssel zu Stabilität mit Russland.“ Sicherheit sei deshalb bis 1999 trotz großzügiger Friedensdividende nicht vernachlässigt worden. „Wir haben also in der Epochenwende Ende des Kalten Krieges nicht alles falsch gemacht, vor allem Russland niemals gedemütigt, keinen Grund geboten, Nachbarn wie Georgien oder die Ukraine anzugreifen, aber wir blieben vorsichtig.“

Leichtfertig gehandelt

Nach 1999 aber hätten es dann aber „alle mit der Friedensdividende übertrieben, auch die USA.“ Deutschland habe jedoch „nicht nur übertrieben, sondern in hohem Maße leichtfertig gehandelt.“ Die Bundeswehr sei in einer sträflichen Weise abgebaut, sogar Kämpfen aus dem Aufgabenkatalog der Soldaten gestrichen worden. Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr habe die Mängel offenbart und mit der Trendwende 2016 den Wiederaufbau der Armee eingeleitet. „Politisch aber halbherzig und ohne Nachdruck der Kanzlerin und gegen gewichtige Stimmen der heutigen Kanzlerpartei.“ Zusätzlich habe sich Deutschland „in unglaublicher Weise“ in strategische Abhängigkeiten von Russland und China begeben. Ein Anteil von 55% Gas aus russischen Quellen ist ein Beleg des Fehlens jeglichen strategischen Denkens. Wirtschaftliches Wachstum und Wohlergehen der Wahlbürger hätten Vorrang gehabt. Dem meist kurzfristigen Gewinnstreben der Wirtschaft sei freier Lauf gelassen worden. Besonders scharf kritisierte Naumann das „Einlullen der Bevölkerung mit der irrigen und historisch widerlegten Hoffnung, alle Krisen und Konflikte könnten friedlich gelöst werden.“ Man glaubte gegen alle Warnungen auch im Umgang mit Autokraten an das Prinzip Wandel durch Handel, übersah deren gegensätzliche strategischen Ziele und vermied Kontroversen und kritischen Dialog. Deutschland sei so zum „unsicheren Kantonisten in NATO und EU“ geworden. Der einst große Einfluss wurde verspielt.

Putin hat sich verzockt

Mit den ersten Bomben in der Ukraine hätten nun endlich auch die „Traumtänzer“ in ihrem „Glashaus“ gemerkt, dass „Putin eine neue europäische Sicherheitsordnung will, dass er schon 2001 in seiner umjubelten Rede im Deutschen Bundestag die Trennung Europas von Nord-Amerika gefordert hatte, dass er seit Georgien 2008 gewaltsame Veränderung von Grenzen niemals ausgeschlossen hatte.“ Doch Putin habe sich „nun verzockt,“ Er habe die alte Ordnung zerstört, betonte der Festredner, doch bekommen hat er eine stärkere NATO und eine gefestigtere EU, denn er hat eine Zeitenwende in Europa, ja in der Welt herbeigeführt. Sein Angriff ist Völkerrechtsbruch und hat alle Grundlagen eines friedlichen Verhältnisses mit Russland zerstört. Ein Zurück mit Putin dürfe es nicht geben.

Informationslücke

GSP-Präsident Bartels unterstrich in seiner Rede dass die sicherheitspolitische Bildungsarbeit mit der Zeitenwende, seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022, eine „neue Dringlichkeit“ erhalten habe. Jeder und jede könne sehen und spüren, dass eine neue Epoche begonnen hat. Deutschland stellt sich neu auf. „Aber über den richtigen Kurs“ werde noch diskutiert, meint Bartels. Vor diesem Hintergrund hat der Verein deshalb anlässlich des Jubiläums eine „kleine repräsentative Umfrage“ in Auftrag gegeben. Danach glauben nur 29 Prozent der Befragten, dass „Deutschland eine klare Linie in seiner gegenwärtigen Sicherheits- und Verteidigungspolitik verfolgt“. 59 Prozent glauben, dass das nicht der Fall ist. Auf die Frage „Fühlen Sie sich aktuell von der Bundesregierung ausreichend über Ziele und Mittel der deutschen Sicherheitspolitik informiert?“ antworten 26 Prozent (ein Viertel) mit „Ja“. Zwei Drittel, 65 Prozent, sagen „Nein“ und sind also der Ansicht, nicht gut informiert zu sein. Bartels wörtlich: „Da klafft eine große Informationslücke, jedenfalls wird es so empfunden.“ Und wenn man nach den Medien fragt, ob diese „ausreichend über verteidigungspolitische Themen“ informieren, sagen ebenfalls doppelt so viele Befragte „Nein“ (61 Prozent) wie „Ja“ (29 Prozent). Deshalb mehr sicherheitspolitische Information und Diskussion in die Breite unserer Bevölkerung zu tragen, sieht Bartels als wichtige Aufgabe der GSP an. „Wir wollen und können in Zukunft (noch) mehr tun.“ Denn „unsere Demokratie lebt davon, dass Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sich eine Meinung bilden und auch selbst an der politischen Willensbildung mitwirken. Um wehrhaft sein zu können, muss unsere Demokratie zuallererst einmal lebendig und selbstbewusst sein. Auch da gibt es Sorgen und Aufgaben.“

Für Frieden in Freiheit werben

Die Hauptaufgabe der GSP heute wie vor 70 Jahren sieht Bartels darin, für Frieden in Freiheit zu werben. „Unsere Demokratie muss eine wehrhafte Demokratie sein, im Innern wie nach außen. Dafür setzen wir uns ein.“ Gegründet worden war die GSP noch als „Gesellschaft für Wehrkunde“ am 5. Januar 1952 in München. Einer der Gründungsväter damals war Ewald Heinrich von Kleist-Schmenzin, ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier, der zum Kreis der Widerständler vom 20. Juli 1944 gehörte. Ewald von Kleist wäre in diesem Jahr 2022, genau 100 Jahre alt geworden. Die Gesellschaft, die Zeitschrift und vor allem die weltberühmte Münchner Sicherheitskonferenz, die es seit 1963 gibt – das alles ist, wie Bartels betonte, „für immer mit seinem Namen verbunden.“ Grundsätzlich positiv äußerte sich der GSP-Präsident zur Entwicklung der Bundeswehr. „Alles in allem scheint mir die Geschichte der Bundeswehr eine Erfolgsgeschichte zu sein. Wir haben Glück mit unserem Militär. Es ist ein demokratischer Teil unserer demokratischen Gesellschaft geworden.“ An den Diskussionen und politischen Kämpfen, die diesen Weg begleiteten und begleiten, habe die „Gesellschaft für Wehrkunde“(GfW), später: Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (1990), heute: Gesellschaft für Sicherheitspolitik (seit 2014 GSP) aktiv teilgenommen.
Mit ca. 6000 Mitgliedern in zurzeit 80 arbeitenden Sektionen lädt die GSP bundesweit jährlich zu Hunderten von öffentlichen Informations- und Diskussions-Veranstaltungen ein. Zu den jährlichen Highlights gehören die von der ehemaligen Präsidentin und früheren Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Ulrike Merten, initiierten Petersberger Gespräche in Bonn. Den Sicherheitsdialog in Berlin verantwortet GSP-Vizepräsident Kersten Lahl. Inzwischen gibt es auch eine „Junge GSP“, um deren Entstehen sich der ehemalige Präsident Johannes Varwick besonders verdient gemacht hat. Angesichts dieser Entwicklung kann die Gesellschaft für Sicherheitspolitik mit einer gehörigen Portion Optimismus in die Zukunft schauen. +++ pm