Die FDP wird ohne Koalitionsaussage in den Bundestagswahlkampf ziehen und strebt eine Regierungsbeteiligung an. Das geht aus dem Entwurf des Wahlprogramms vor, über das die „Welt am Sonntag“ berichtet. „Wir wollen gestalten“, heißt es in dem knapp 70 Seiten umfassenden Papier: „Nie gab es mehr zu tun, um unserem Land die richtige Richtung zu geben.“ Und weiter: „Wir wollen so stark werden, dass keine seriöse Bundesregierung ohne die Freien Demokraten gebildet werden kann.“ Es gehe der Partei dabei um die Macht, „möglichst viele unserer Ideen umzusetzen“, nicht um Taktik oder Farbenspiele: „Wir wollen nicht gewählt werden, damit dieser Kanzler oder jene Kanzlerin wird.“
Warum die FDP gewählt werden will, ist in drei Kapiteln unter der Überschrift „Nie gab es mehr zu tun“ genannt. Einzelne Formulierungen des Programmentwurfs können sich noch ändern, am Montag wird der Bundesvorstand darüber beraten. Dienstag wird das Programm öffentlich als Leitantrag für den Parteitag vorgestellt, der es im Mai beschließen soll. Die Arbeit an dem Papier hatte bereits im Juni 2020 begonnen. Das Programm zeichnet das Bild eines Landes, das unter der Regierung von Angela Merkel „satt und träge“ geworden sei, was durch die Corona-Pandemie offen zu Tage getreten sei. Es brauche nun die „Agilität der Marktwirtschaft, um schnell aus der Krise zu wachsen“. In der Wirtschafts- und Finanzpolitik bleiben Steuersenkungen ein zentrales Anliegen. Die Bürger sollen „spürbar“ entlastet werden, die Abgabenquote für Arbeitnehmer und Arbeitgeber wieder auf unter 40 Prozent sinken (derzeit 41,4 Prozent). Solidaritätszuschlag und der sogenannte Mittelstandsbauch beim Einkommensteuertarif sollen vollständig abgeschafft werden, der Spitzensteuersatz soll erst ab einem Einkommen von 90.000 Euro greifen. Die Finanzämter sollen die Steuererklärung für den Bürger vorbereiten („Easy Tax“), der die Angaben nur noch bestätigen muss. Bei den öffentlichen Investitionsvorhaben fordert die Partei eine Reihe von Quotierungen. So soll die Höhe der Sozialausgaben bei 50 Prozent des Bundeshaushalts gedeckelt werden, damit ausreichend Mittel für andere staatliche Kernaufgaben wie Bildung, Infrastruktur oder innere Sicherheit bleiben.
Ab 2025 soll ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Investitionen fließen, wobei dieses Geld auch von privaten Unternehmen kommen kann und soll. Ein Prozentpunkt des Mehrwertsteueraufkommens soll zusätzlich in Bildung investiert werden. Geplant ist weiter ein „Entfesselungspakt“ für die Wirtschaft durch Bürokratieabbau, die Senkung der Unternehmenssteuerlast auf 25 Prozent, der Verkauf von Staatsbeteiligungen an Post, Telekom und Banken. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Modernisierung des Landes, etwa durch die Digitalisierung der Verwaltung, die „bisher unkoordiniert, ziellos und chaotisch“ verlaufe, und des Gesundheitswesens. Dafür soll ein eigenes „Ministerium für Digitale Transformation“ geschaffen werden. Besondere Aufmerksamkeit dürfte in Pandemiezeiten die Forderung nach politischer Unabhängigkeit des Robert-Koch-Instituts finden, das bisher eine weisungsgebundene Bundesbehörde ist: „Das RKI darf keine politikabhängige Behörde sein, sondern ist nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank zu einer unabhängigen Institution umzuwandeln.“ Interessant sind auch die liberalen Ideen für Staatsreformen: So soll die Amtszeit von Kanzlern künftig auf zwei Legislaturperioden oder zehn Jahre begrenzt, das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt und der Bundestag durch eine Reduzierung der Wahlkreise dauerhaft verkleinert werden.