FDP-Vize attackiert Maas wegen Afghanistan

Wissler: Müssen großen Teil afghanischer Flüchtlinge aufnehmen

Heiko Maas (SPD)

FDP-Vize Johannes Vogel hat das Angebot der Länder zur Aufnahme von afghanischen Ortskräften und etwa Frauenaktivistinnen begrüßt. Zugleich übte er der „Rheinischen Post“  scharfe Kritik an der Bundesregierung und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). „Ich bin fassungslos, dass das Leben und das Schicksal der Menschen, die sich für unsere Bundeswehr und Entwicklungszusammenarbeit eingesetzt haben, nun vom Willen der Taliban abhängt, weil versäumt wurde, den Abzug rechtzeitig zu planen“, sagte er der Zeitung. Das sei eine Schande für die deutsche Außenpolitik und ein fatales Versagen der Bundesregierung. „Es muss alles versucht werden, noch so viele Leute wie irgend möglich da rauszuholen.“

Vogel kündigte an, man müsse auch sehr kritisch im Nachgang schauen, was bei den Nachrichtendiensten nicht funktioniert habe. „An Warnungen aus der deutschen Botschaft hat es ja nach seriösen Medienberichten nicht gemangelt.“ Noch im Juni hätten  FDP und Grüne jeweils die Aufnahme von Ortskräften beantragt. „Zwei FDP-Kollegen haben sogar schon Anfang Juni Außenminister Heiko Maas explizit dazu befragt. Das Szenario einer schnellen Übernahme des Landes durch die Taliban sei nicht das seine, hat er damals gesagt.“ Vogel forderte vom Außenminister auch eine Klarstellung seiner widersprüchlichen Aussagen zur Räumung der Botschaft: „Bezogen auf die Gefahr für das Botschaftspersonal steht inzwischen Aussage gegen Aussage. Wie Heiko Maas derzeit in den Spiegel schauen kann, weiß nur er selbst.“ Zu einem späteren Zeitpunkt werde man auch über den Einsatz insgesamt reden müssen. „Vermutlich hat man sich gerade in den ersten Jahren nach 2001 unrealistische Ziele gesetzt und war gleichzeitig nicht bereit, überhaupt ausreichende Kapazitäten einzusetzen.“ Dazu wäre in der nächsten Legislaturperiode eine Enquetekommission sinnvoll, so der FDP-Politiker.

Menschenrechtsbeauftragte kritisiert bürokratische Visumsverfahren

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), hat bisherige Visaverfahren für gefährdete Menschen aus Afghanistan kritisiert und eine rasche Evakuierung angemahnt. „Ich sehe für das weitere Vorgehen die gesamte Bundesregierung in der Pflicht, auch mit Weitsicht zu planen“, sagte sie der „Rheinischen Post“ (Donnerstagausgabe). „Es wäre zum Beispiel wünschenswert gewesen, wenn das Bundesinnenministerium schon früher unbürokratischere Visumsverfahren zur Einreise ermöglicht hätte, als klar war, dass wir mit diesen Verfahren, die Menschen nicht schnell genug aus dem Land bekommen“, sagte die SPD-Politikerin. Es sei jetzt absolut essentiell, dass schnell geholfen werde. „Das gilt sowohl für die Aufrechterhaltung der Luftbrücke und die damit verbundenen Evakuierungsmöglichkeiten, als auch für Schutz und Unterstützung für gefährdete Menschen vor Ort.“ Ein besonderes Augenmerk müsse dabei auf Menschenrechtsverteidigern, Frauenrechtlerinnen und Journalisten liegen. „Denn ihnen haben wir die Fortschritte, die es in den vergangenen 20 Jahren gegeben hat und jetzt zunichte gemacht werden, maßgeblich zu verdanken. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen“, sagte Kofler.

Wissler: Müssen großen Teil afghanischer Flüchtlinge aufnehmen

Linken-Chefin Janine Wissler sieht Deutschland in einer besonderen Verantwortung zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan. „Als reichster Staat in der Europäischen Union muss Deutschland natürlich einen großen Teil dieser Menschen aufnehmen, die jetzt aus Afghanistan kommen“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben). Es sei allerdings zu befürchten, dass nur sehr wenige das Land überhaupt verlassen könnten, fügte sie hinzu. Zuvor hatte Bundesminister Horst Seehofer (CSU) deutlich gemacht, dass er nach der Machtübernahme der Taliban mit 300.000 bis fünf Millionen zusätzlichen Flüchtlingen aus Afghanistan rechnet. Wissler erinnerte daran, dass sich mehr als 250 Kommunen in Deutschland zum sicheren Hafen erklärt hätten. „Die Länder und Kommunen sollten endlich die Erlaubnis bekommen, die Hilfe zu leisten, die sie leisten wollen“, sagte die Linken-Politikerin, die sich ausdrücklich für einen deutschen Alleingang aussprach. „Ich würde auch mir wünschen, dass es eine europäische Lösung gäbe. Aber wir können nicht auf eine europäische Lösung warten. Sonst wird jegliche Aufnahme von Geflüchteten blockiert“, sagte sie. Deutschland trage eine Mitverantwortung für das Drama in Afghanistan. Zugleich sprach sich die Spitzenkandidatin der Linken für eine Ausweitung der Evakuierungsflüge aus. „Wir sollten jeden retten, den man retten kann“, sagte sie. „Dabei geht es zum einen um die Ortskräfte, die in den vergangenen 20 Jahren für die Bundeswehr, die deutsche Botschaft oder die Entwicklungsorganisation GIZ gearbeitet haben. Und zum anderen um die besonders gefährdeten Gruppen in der afghanischen Gesellschaft wie Frauenrechtlerinnen oder Menschenrechtsaktivisten.“ Man müsse so viele retten wie möglich. „Nach dem Motto: Erst retten und dann fragen, nicht umgekehrt. Wenn die Bundesregierung Menschen wegen bürokratischer Hürden zurücklässt, macht sie sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig.“ Die Linken-Chefin forderte darüber hinaus eine Fortsetzung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit auch mit einer Taliban-Regierung. „In der Entwicklungszusammenarbeit muss im Sinne der Menschen weitergeführt werden, was geht. Hilfsgelder von vornherein pauschal zu streichen halte ich für falsch“, sagte Wissler. „Die Taliban sind grausam, wir dürfen nicht die Menschen im Stich lassen, die unter den Taliban und der humanitären Situation leiden.“ +++