FDP-Chef: Stimmung droht zu kippen

Wirtschaft fordert Ausstiegsfahrplan

Aufgrund der sinkenden Zahl von Corona-Neuinfektionen fordert FDP-Chef Christian Lindner einen politischen Kurswechsel. „Bund und Länder müssen umgehend ihre Politik korrigieren“, sagte Lindner dem „Handelsblatt“. „Angesichts der Zahlen sind weitere Schäden durch die Einschränkungen nicht mehr gerechtfertigt. Das Vorsichtsprinzip war anfangs nötig, jetzt aber müssen die Risiken neu bewertet werden. Hygienekonzepte und Abstandsregeln können die rigiden Verbote ersetzen. Die Stimmung in der Bevölkerung wird kippen, wenn der unnötige Stillstand des Lebens fortgesetzt wird.“ Lindner wies zudem auf die wachsende Zahl von Gerichtsurteilen gegen Corona-Maßnahmen hin: „Die Entwicklung auch in der Rechtsprechung ist eindeutig, dass die Grundrechtseingriffe zunehmend gerügt werden.“ Darüber könne die Exekutive nicht hinweg gehen. „Es ist im Übrigen enttäuschend, dass die Grünen als Bürgerrechtspartei auf ihrem Länderrat dazu geschwiegen haben  und uns in der Opposition allein lassen“, fügte Lindner hinzu.

Mittelstandsbeauftragter will Plan für weitere Corona-Lockerungen

Der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), hält die Forderungen aus der Wirtschaft für berechtigt, angesichts des Konjunktureinbruchs weite Teile des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens wieder hochzufahren. Wirtschaft und Politik hätten zwar „ein ganz hohes Interesse daran, das Erreichte nicht zu gefährden“, sagte Bareiß dem „Handelsblatt“. Allerdings könne er die Ungeduld gut verstehen. „Der wirtschaftliche Druck wird von Tag zu Tag stärker“, so Bareiß. Deshalb dürfe man keine Zeit verlieren. „Jetzt müssen Wirtschaft und Politik gemeinsam einen Plan erarbeiten, wie wir wieder schrittweise und in aller Vorsicht die Maßnahmen lockern können.“ FDP-Fraktionsvize Michael Theurer forderte unterdessen einen schnellen Ausstieg aus den Anti-Corona-Maßnahmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) solle beim nächsten Treffen mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch eine „umfassende Öffnungsstrategie“ vorlegen. „Es  kann nicht sein, dass die Bundesregierung von Gerichten und Ländern am Nasenring durch die Manege gezogen wird“, sagte Theurer der Zeitung“. Hintergrund ist, dass immer mehr Betroffene gegen die coronabedingten Einschränkungen vor Gericht ziehen und dort Erfolg haben. Zuletzt kippten Gerichte etliche der neuen Vorgaben. Theurer wies zudem darauf hin, dass einzelne Bundesländer wie Sachsen-Anhalt und das Saarland Beschränkungen bereits weiter lockerten. „Ausgerechnet CDU-geführte Länder wie Sachsen-Anhalt und das Saarland ignorieren die Mahnung der Kanzlerin vor Lockerungsdiskussionsorgien und lockern was das Zeug hält“, so der FDP-Politiker. Damit bewegten sich die CDU-Ministerpräsidenten auf der Linie des Industrieverbandes BDI und des Mittelstandes, die ebenfalls auf weitere Lockerungen drängten.

Wirtschaft fordert Ausstiegsfahrplan

Wenige Tage vor einem abermaligen Bund-Länder-Treffen zur Bewältigung der Coronakrise mehren sich die Forderungen nach einem konkreten Ausstiegsfahrplan. „Nach bald zwei Monaten Shutdown muss wirtschaftliche Tätigkeit wieder die Regel werden – und nicht Stillstand“, sagte Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, der „Süddeutschen Zeitung“. Nötig seien „klare Kriterien und pragmatische Entscheidungen“, gerade auch mit Blick auf den Gesundheitsschutz. „Jetzt kommt es vor allem darauf an, dass wir auf der Basis verlässlicher Daten und Termine agieren.“ Auch Ökonomen treten für verlässliche Vorgaben ein. „Erforderlich ist nicht notwendigerweise ein schneller Exit, aber ein überzeugender Plan dafür“, sagte Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts, der SZ. Dazu gehöre vor allem flächendeckendes Testen. „Wir wissen bis heute nicht, welcher Teil der Bevölkerung infiziert ist oder war“, sagte Fuest. Am  Mittwoch wollen Bund und Länder erneut über weitere Schritte im Kampf gegen die Pandemie beraten – und auch über eine vorsichtige Lockerung. „Angesichts des massiven Konjunktureinbruchs kann die Bundesregierung eine Öffnungsstrategie nicht länger aufschieben“, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer der SZ. Schon am Mittwoch müssten Bund und Länder „einen konkreten Lockerungsplan“ vorlegen. +++