Eine kleine Wahlanalyse

Stärkste Oppositionskraft ist die AfD

Eigentlich muss es heißen: „The same procedure as every Wahl“, liebe Bürger. Die Verlierer reden sich ihre Niederlage schön und suchen dafür krampfhaft Gründe und Ursachen, die teilweise hanebüchen anmuten! Und die Gewinner? Die können vor Kraft kaum noch laufen. Und auch deren Begründungen sind nicht durchgehend plausibel.

Beispiele gefällig?

Saskia Esken von der SPD behauptete am Wahl-Sonntagabend bei Anne Will allen Ernstes: „Ich bin nicht sicher, ob tatsächlich die Migrationspolitik und die Migration als solche das Problem ist.“ Schon da muss man sich die Frage stellen, ob Lauterbach zwischenzeitlich die ganze SPD mit Cannabis versorgt hat. Ein Fall von Realitätsverlust fortgeschrittener Art, der kaum noch behandelbar scheint. Doch es kommt noch besser. Später behauptet die Geheimwaffe der SPD abenteuerliches. Mit etwas anderen Worten führt Esken aus: Die Bundesregierung bzw. die Ampel unter der Leitung der SPD und des führungsstarken Kanzlers hätte eine sehr gute Politik gemacht. Das hätte so nicht vermittelt werden können. Wörtlich weiter: „Wir haben eine Situation insgesamt im Land, dass die Menschen (…) veränderungsmüde sind und deswegen auch sehr leicht auf die einfachen Antworten, (…) die eben die Rechtspopulisten dort geben, eingehen, und das hat uns in Schwierigkeiten gebracht.“ Sie verstehen, liebe Leser. Zum einen waren die Wähler nicht fähig, die gute Politik der Regierung zu verstehen und zum anderen haben sie sich den falschen Parteien zugewandt. Also keinesfalls die schlechte Arbeit ist schuld am ungünstigen Abschneiden gewesen. Chapeau! Da muss man erst einmal drauf kommen. Olaf Scholz lächelte, nein, grinste sich eins, als die Wahlverlierer Florian von Brunn und Nancy Faeser in der Parteizentrale in Berlin einliefen. Sicher hat auch er eine Prise abbekommen.

Aber auch die Grünen können da durchaus mithalten. Grünen-Chef Omid Nouripour sieht, trotz der Stimmverluste, keinen Anlass für einen inhaltlichen Kurswechsel. Das ist mal ein Statement! Dann mal weiter so, liebe Grüne. Bis zur 5 Prozent Hürde ist ja noch genügend Luft nach unten. Und Annalena Baerbock? Sie begründet den Misserfolg mit dem Streit in der Koalition. Ach, da gibt es ja noch Ricarda Lang. Sie meint: „Es sind stabile Ergebnisse, auch wenn es nicht das ist, was wir uns vielleicht gewünscht hätten.“ Im Übrigen machen die Grünen für den besagten Streit in der Ampel hauptsächlich die FDP verantwortlich. Also gerade die Grünen müssten eigentlich wissen, dass Streit in einer Demokratie gewünscht ist und förderlich sein kann. Allerdings nur ein konstruktiver „Wett-Streit“ über die besten Lösungen. Das Wichtigste ist jedoch, liebe Grüne: Nicht der Streit war entscheidend, sondern die Tatsache, dass es eben keine oder keine guten Lösungen gab! Siehe Heizungsgesetz.

Und nun zu den Gewinnern. Da sind zum einen die Freien Wähler. Mal sehen, wie die ihren Wahlsieg in gute Politik umsetzen. Ein weiterer Ministerposten wird gefordert, die CSU lehnt dankend ab. In der CSU ist man sich in weiten Teilen darüber einig: Der Wahlsieg ausschließlich der Freien Wähler ist lediglich in der Flugblatt-Affaire Hubert Aiwangers begründet. Dissens ist vorprogrammiert. Markus Söder kritisiert nun Hubert Aiwangers Arbeit als Minister. Das ist stark. Nach den Zugewinnen der Freien Wähler erwartet Söder „inhaltlich stärkere“ Arbeit vom Koalitionspartner. Deren Chef wiederum empfiehlt der CSU, „nicht so mädchenhaft aufzutreten“. Es ist davon auszugehen, dass Markus Söder angezählt ist. Denn er hat das schlechte Ergebnis von 2018 noch einmal unterbieten können. Das muss man erst einmal hinbekommen. 40 Prozent waren anvisiert. Als die Umfragewerte dies aber in unerreichbare ferne rücken ließen, da sprach der CSU-Vorsitzende davon, keinen Schönheitspreis gewinnen zu wollen. Dafür reicht es bei ihm ohnehin nicht. Davon abgesehen, sind also fulminante Wahlerfolge lediglich reine Schönheitspreise, wie wir nun von Markus, dem bayerischen Löwen oder König, erfahren haben. Man lernt eben nie aus. Zum Schluss ging es den Bayern dann nur noch darum, stärkste Kraft zu werden und Bayern stabil weiter regieren zu können. Ja, man wird auf die Zeit auch mal bescheidener.

Da wären wir beim nächsten Wahlsieger, Boris Rhein. Der ist mit diesem, Ergebnis nun der König von Hessen. Also eigentlich müsste er damit schon der Kaiser in neuen Kleidern sein. Denn laut Söder hat er diesen besagten Schönheitspreis gewonnen. Dieser Preis hat jedoch einen Haken. Denn den Erfolg der AfD begründet man auch bei der CDU damit, dass die Regierung eine so schlechte Performance gezeigt hat und vor allem das Thema Migration und Wirtschaft nicht in den Griff bekommen habe. Was kann daraus gefolgert werden: Auch die CDU selbst muss davon profitiert haben. Darüber hinaus ebenso von der Schwäche der SPD-Kandidatin Nancy Faeser, die in einige Skandale verwickelt war (Wahlkampfvideo, Absetzung Schönbohm, etc.) und sich – wie ehemals Norbert Röttgen in NRW – nicht dazu entscheiden konnte, ausschließlich für Hessen zu kämpfen. Ohne Rückfahrticket. Zwei interessante Fragen, die zusammenhängen, lauten: Haben der CDU in Hessen die Aussagen von Friedrich Merz (Zahnersatz, Sozialtourismus uvm.) geholfen? Oder eher die deutliche Distanzierung von diesen Aussagen seitens Boris Rhein? Dieser sagte z. B.: „Das ist eine Wortwahl, die hätten Sie so von mir nicht gehört.“ Wer weiß es schon, was letztlich wirklich ausschlaggebend war. Auf jeden Fall begrenzte die CDU Hessen die Wahlkampf-Auftritte von Friedrich Merz im Bundeland entscheidend. Denn es bestand die Sorge, dass man nach Äußerungen von Merz, die wieder falsch interpretiert hätten werden können, mit Schadensbegrenzung beschäftigt sei. Da gibt es noch etwas Bemerkenswertes. Im „Überbietungswettbewerb“ innerhalb der CDU bezüglich der Brandmauer. So legte Boris Rhein noch ein paar Ziegel mehr auf die oft zitierte Brandmauer. Doch gerade hier in Hessen fuhr die AfD ihren stärksten Sieg ein.

Kommen wir nun zu der AfD, der Partei, die insgesamt den größten Erfolg hatte. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich immer wieder an die markige Kampfansage von Friedrich Merz, der die Zustimmungswerte der AfD nach seinem Antritt halbieren wollte. Die haben sich zwischenzeitlich anderes entwickelt, nämlich mehr als verdoppelt. Warum eigentlich nicht die, der CDU? In Hessen mit 18,4 Prozent zweitstärkste Kraft im Land. In Bayern liegen sie mit 14,6 Prozent an dritter Stelle – mit sechs Prozent über dem Wert der Volks-Partei SPD. Hier noch einmal die Frage: Warum sammeln sich die Protestwähler und alle diejenigen, die mit der Arbeit der Bundesregierung nicht zufrieden sind, ausgerechnet bei dieser Partei. Und dass, obwohl alle Medien, alle Politiker, viele Künstler, Schauspieler, Sportler, Präsidenten von Instituten und viele weitere nahezu täglich vor dieser Partei mit drastischen Worten warnen? Und obwohl der Verfassungsschutz die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen darf! Haben wir somit also plötzlich 20 Prozent Rechtsextreme in Deutschland? Die CDU sollte sich fragen: Warum profitiert nur die AfD von der Schwäche der Regierung, nicht sie selbst – zumindest in diesem Maße? Manche Politologen sind auch nicht mehr ernst zu nehmen. So Frau Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing am Starnberger See. Bezüglich der deutlichen Abstrafung von SPD, Grüne und FDP in Hessen und Bayern sagte sie: „Das liegt an der Anti-Ampel-Rhetorik im Wahlkampf – ist aber auch selbstverschuldet.“ So, die Rhetorik ist hauptsächlich schuld. Wieder etwas gelernt.

Eine kurze Zusammenfassung: Die CDU in Hessen ist Wahlsieger. Doch es wird mit den Grünen weitergehen. Die stärkste Oppositionskraft ist die AfD, die Brandmauerstrategie ist krachend gescheitert. Das schlechte Abschneiden der SPD wird auch den Kanzler in Bedrängnis bringen. Die CSU in Bayern hat die höchste Zustimmung. Allerdings ist das nicht mehr als ein Pyrrhussieg. Die Freien Wähler sind im Aufwind und wollen sowohl auch in den anderen Bundesländern punkten und sich dann nach Berlin aufmachen. Die AfD hat einen dritten Platz errungen, vor der SPD, die allmählich in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Die Grünen sind in beiden Ländern auf ein Normalmaß zurück gestutzt worden. Es bleibt Potential nach unten. Vor allem in Anbetracht der Aussage, dass man in dieser Partei keinerlei Grund für eine Kurskorrektur erkennt. Fast hätte ich die FDP und die Linken vergessen. In Hessen hat es für die FDP gerade gereicht, um in den Landtag einzuziehen. Regierungsbeteiligung? Fehlanzeige. Und in Bayern unter ferner liefen. Über die Linke braucht man eigentlich gar nicht mehr berichten. Mit 1,5 Prozent und 3,1 Prozent auf jeden Fall kaum einer Erwähnung wert.  Ihr Klaus H. Radtke. +++

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