DIW-Chef für „Garantiesicherung“ statt Hartz IV

Saleh: Hartz IV sofort abschaffen

Sozialleistung, Hartz

DIW-Chef Marcel Fratzscher unterstützt den Vorschlag von Grünen-Chef Robert Habeck, das Hartz-IV-System durch eine neuen „Garantiesicherung“ ohne Zwang zur Arbeitsaufnahme zu ersetzen. „Die Einführung eines Garantiesystems bei Sozialleistungen ist prinzipiell gut und richtig“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Das Prinzip der Unterstützung, und nicht mehr das Prinzip der Bestrafung, müsse in den Mittelpunkt der Sozialsysteme rücken. Das größte Problem mit Blick auf Armut und Arbeitslosigkeit ist nach den Worten von Fratzscher nicht eine Verweigerung der Betroffenen, „sondern die fehlende Unterstützung und das Fehlen von Angeboten, die es ermöglichen, über Qualifizierung und Gesundheitsmaßnahmen wieder eine Chance zu erhalten“. Daher sei der Vorschlag von Habeck ein Schritt in die richtige Richtung. Fratzscher mahnte zugleich, eine bessere und klügere Grundsicherung dürfe nicht isoliert betrachtet werden. Die Einführung eines solchen Garantiesystems mit besseren Bezügen könne nur dann sinnvoll funktionieren, wenn auch Arbeit sich wieder mehr lohne. „20 Prozent aller Beschäftigten arbeiten im Niedriglohnbereich und zwei Million Beschäftigte erhalten nicht mal den Mindestlohn, auf den sie Anspruch haben.“ Deshalb müsse die Stellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit geringen Löhnen verbessert werden – unter anderem durch schärfere Kontrollen bei der Einhaltung des Mindestlohns und durch Qualifizierung. „Ein Garantiesystem kann nur in einem Paket von Reformen der Sozialsysteme funktionieren“, so Fratzscher.

Gewerkschaften gegen Grünen-Pläne für Hartz IV

Die Gewerkschaften fordern Korrekturen an Hartz IV, lehnen die Vorschläge der Grünen dazu allerdings ab. Arbeitslose nicht mehr zur Aufnahme von Arbeit zu bewegen, sei „keine gute Idee“, sagte der DGB-Chef Reiner Hoffmann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Grünen wollten eine staatliche Leistung ohne Bedingungen zahlen und ohne Perspektive für den Arbeitsmarkt. „Das wollen die meisten gar nicht. Wir sollten Menschen nicht ausmustern“, so Hoffmann. Er sei gegen jede Form von Stilllegungsprämien – wie immer man sie nenne. Arbeit sei mehr als nur Broterwerb und wichtig für den sozialen Zusammenhalt. Der SPD riet Hoffmann, der Debatte um Hartz IV eine andere Richtung zu geben: „Die SPD tut gut daran, nach vorn zu gucken“, sagte der DGB-Chef. Sie müsse Fehler benennen, dürfe aber nicht nur die Vergangenheit bewältigen. Wichtiger sei es, über die Arbeit der Zukunft zu sprechen. Er könne „die Schnappatmung, die viele beim Begriff H  artz IV bekommen“, nicht nachvollziehen. Konkret forderte Hoffmann, die Hartz-IV-Leistungen zu erhöhen und die Sanktionen abzumildern. Arbeitslose dürften auch nicht schon nach zwölf Monaten in die Grundsicherung rutschen. „Das muss aufhören“, so der DGB-Chef.

Saleh: Hartz IV sofort abschaffen

Der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh geht davon aus, dass der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands nicht primär auf die Hartz-IV-Reformen zurückzuführen ist. Die Menschen hätten den Erfolg erarbeitet und man dürfe sie nicht „allzu sehr mit unfairen Maßnahmen drangsalieren“, sagte Saleh in der RBB-Abendshow. Er forderte: „Ich finde, Hartz IV gehört abgeschafft – und zwar sofort.“ Zum beigelegten Streit mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte er: „Seit einer Woche sind wir ganz dick miteinander.“ Angesprochen darauf, ob er den Posten Müllers gerne übernehmen würde, reagierte Saleh gelassen. Auch als Fraktionsvorsitzender könne er Themen setzen und die Partei nach vorne bringen. „In einer schwierigen Situation reagiert die Partei mit Geschlossenheit“, so Saleh. Der SPD-Fraktionschef sieht trotz der schlechten Umfragewerte keine Notwendigkeit in die Opposition zu gehen. Seine Partei habe in den letzten Jahren viel geleistet. Sale h zeigte sich sogar optimistisch: „Ich glaube, die SPD kriegt bald ihr Comeback“. Die Berliner SPD kommt am Freitagnachmittag zu einem zweitägigen Parteitag zusammen. Von ihm erhoffen sich die Sozialdemokraten neuen Schwung. Die Berliner SPD lag in Umfragen zuletzt nur noch bei 16 Prozent und damit hinter Grünen und Linken – etwa gleichauf mit der CDU. Bei einem solchen Wahlergebnis könnten die Sozialdemokraten nicht länger das Amt des Regierenden Bürgermeisters beanspruchen, welches derzeit Parteichef Müller innehat. +++