Diskussion um Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht

Berlin. Die Vereinigung Cockpit (VC) spricht sich gegen eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht bei Piloten aus. „Das kann nur jemand sagen, der von der Materie gar keine Ahnung hat“, sagte der Präsident der Piloten-Gewerkschaft, Ilja Schulz, der Rheinischen Post. „Wenn mein Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist, werde ich ihm gegenüber kein Problem ansprechen, weil immer die Angst vorm Fluglizenzentzug mitschwingt“, sagte Schulz. „Besteht die Schweigepflicht, kann der Arzt dagegen echte Hilfe anbieten.“

Schulz lehnte auch eine Fernsteuerung von Flugzeugen in Notfällen ab: „Da bin ich sehr kritisch. Schauen Sie sich an, wie viele Drohnen die Militärs verlieren“, sagte er: „Hätten wir diese Verlustzahlen in der Verkehrsfliegerei, hätten wir ein ernsthaftes Problem.“ Die Luftfahrt sei „an einem Punkt schwieriger Balance angelangt: An vielen Stellen unterstützt die Technik, an anderen generiert sie neue Probleme“. Nur die Piloten im Cockpit hätten „zu jeder Zeit einen vollständigen Überblick über die Situation im Flugzeug“. Sie müssen nach Schulz‘ Ansicht daher auch „die letzte Kontrolle über das Flugzeug“ ausüben können. Auch der Forderung nach regelmäßigen psychologischen Untersuchungen für Piloten erteilte der VC-Präsident eine Absage: „Davon halten unsere Psychologen überhaupt nichts, weil das auch nur eine Momentaufnahme ist.“ Nach „einschneidenden Erlebnissen, zum Beispiel Todesfall oder Ehekrise“ könne sich der Zustand eines Menschen in kürzester Zeit ändern. Schulz: „Viel wichtiger ist die schon heute etablierte kontinuierliche Betreuung, zum Beispiel durch die zwei Simulator-Überprüfungen und die eine Flug-Überprüfung im Flugzeug.“ Wer psychisch instabil sei, falle dabei auf.

Arbeitgeber für Lockerung

Vor dem Hintergrund der Diskussion um den Co-Piloten der Germanwings-Maschine sprechen sich die Arbeitgeberverbände für eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht in bestimmten Fällen aus. „Wenn Arbeitnehmer, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten, psychische Probleme haben, sollte eine unabhängige staatliche Stelle davon erfahren“, sagte Thomas Prinz, Arbeitsrechtsexperte der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, dem „Tagesspiegel“. Diese könne etwa das Gesundheitsamt sein. Das gleiche gelte für Seuchen, die Kollegen oder die Öffentlichkeit gefährden könnten. Die ärztliche Schweigepflicht sei ein hohes Gut, betonte Prinz, „aber aus Sicht der Wirtschaft wäre es von Vorteil, wenn man bei drohenden Gefahren davon eine Ausnahme machen könnte.“

Spahn gegen Lockerung

Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn hat den Forderungen seiner Parteifreunde nach einer Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht widersprochen. „Die ärztliche Schweigepflicht ist ein sehr hohes Gut. Der Patient muss sich immer auf das besondere Vertrauensverhältnis zum Arzt verlassen können, nur dann wird er ehrlich und offen sein“, sagte Spahn der „Rheinischen Post“. „Ich kann nur davor warnen, hier aus spekulativen Annahmen heraus mit Schnellschüssen zu kommen“, so Spahn mit Blick auf die Forderungen seiner Parteifreunde weiter. +++ fuldainfo