Die Wochen nach der (ersten) Welle: HJK Geschäftsführer Michael Sammet im Gespräch

„Der Lockdown war genau das Richtige, denn er hat vielen Menschen das Leben gerettet“

Dipl.-Betriebsw. Michael Sammet, Geschäftsführer Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda gGmbH

Gut ein halbes Jahr nachdem das neuartige Corona-Virus (SARS-CoV-2) auch die Region Fulda erreichte und diese vor Herausforderungen stellte, haben wir erneut mit dem Geschäftsführer des Herz-Jesu-Krankenhauses Fulda sowie St. Vinzenz-Krankenhauses Hanau, Michael Sammet, gesprochen über das, was vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie als besonders schwierig galt, umzusetzen und welche Entscheidungen von Bund und Ländern von Seiten des Krankenhausgeschäftsführers genau die richtigen gewesen waren.

fuldainfo.de: Guten Tag Herr Sammet, schön, dass Sie sich erneut Zeit für ein Gespräch genommen haben. Das Thema Corona beschäftigt uns – wie leider abzusehen war – weiterhin. Im Folgenden ein paar Fragen zur Situation in der Vergangenheit und Gegenwart in ihren Häusern und des Gesundheitsweisens. Wie schätzen Sie die Situation der Corona-Virus-Pandemie für das Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda bis jetzt ein?

Michael Sammet: Zu Beginn der Pandemie behandelten wir hier in der Region ziemlich viele Patienten, die an Covid-19 erkrankt waren. Ich denke, dass am Klinikum Fulda und in unserem Haus womöglich die größte Patientenzahl – wenn man jetzt die ganze Region betrachtet – in der Vergangenheit behandelt wurden. Die letzten drei Monate ist es relativ ruhig geworden, allerdings verspüren wir hier seit eins, zwei Wochen (gemeint ist die Zeitspanne vom 3.- bis 17. August) wieder einen vermehrten Anstieg von Patienten, die über die Notaufnahme kommen mit Infektionen. Gerade in der vergangenen Woche (10.- bis 16. August) hätten wir darauf wetten können, dass das Covid-Patienten sind, doch diese Annahme hat sich im Nachhinein nicht bestätigt. Womöglich ist das die Vorgeschichte auf das, was uns in den nächsten Wochen erwartet.

Die Infektionskrankheiten von Atemwegserkrankungen werden zunehmen und wir stehen dann vor der großen Herausforderung, dass wir jeden Verdachtsfall erst einmal isolieren – unabhängig davon, ob er mit dem neuartigen Virus infiziert ist oder nicht. Die Kapazitäten, die wir in der Vergangenheit nicht hatten, werden wir auch in Zukunft nicht haben, weil wir maximal Zweibettzimmer belegen, teilweise auch Einbettzimmer. In der Vergangenheit haben wir in den Stoßzeiten sogar ein drittes oder viertes Bett in die Zimmer stellen müssen, um Belegungsspitzen abfedern zu können. So stellte sich die Situation in der Vergangenheit für das Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda dar; Was die Infektionen in der Zukunft anbetreffen, kann man diese Situation heute noch nicht einschätzen. Wir haben am Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda eine Isolierstation, auf der Patienten mit entsprechenden Symptomen isoliert werden – dies solange, bis uns das Testergebnis vorliegt.“ Die Geriatrische Tagesklinik, die integraler Bestandteil des Zentrums für Altersmedizin innerhalb des Herz-Jesu-Krankenhauses Fulda ist und Behandlungsmöglichkeiten für 27 Patienten bietet, ist derzeit Corona-bedingt geschlossen, „weil man nicht gewährleisten kann, die Patienten vor einer möglichen Infektion zu schützen“, ergänzt Sammet. Dieses Vorgehen ist auch der Tatsache geschuldet, dass die Tagesklinik-Patienten mit Transportdiensten anreisen und demnach zu sechst oder siebt zusammensitzen, was dadurch bedingt, dass die Geriatrische Tagesklinik bis zu 30 Betten zählt und demnach eine doch relativ hohe Belegung darstellt, ein viel zu hohes Infektionsrisiko bedeutet. „Auch daher kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, wie man hier zu einer guten Lösung kommt“, sagt Sammet.

„Am meisten Kopfzerbrechen hat mir bereitet, als wir die Pandemie auf uns zukommen sahen im Wissen, dass wir nicht genügend Schutzausrüstung haben“

Das wohl größte Problem zu Beginn der Pandemie für das Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda stellte sich im Wissen, dass man nicht genügend Schutzausrüstung für die Ärzte und das Pflegepersonal hatte, dar. Hierzu Michael Sammet: „Das, was mir persönlich zu Beginn der Corona-Pandemie am meisten Kopfzerbrechen bereitet hat, war die Zeit als wir die Pandemie auf uns zukommen sahen – im Wissen, wir haben nicht genügend Schutzausrüstung. D.h.: FFP-2-und FFP-3-Masken. Durch private Kontakte war es uns Gott sei dank – währenddessen auch wir Covid-19-Patienten bei uns behandelten – möglich, doch noch eine ausreichende Menge an Schutzausrüstung, also FFP-2- und FFP-3-Masken, zu bekommen. Und hier möchte ich auch einen Appell an die Politik senden – wir haben zwar jetzt ausgesorgt und sind dementsprechend ganz gut auf die zweite Welle vorbereitet – sollte sie uns in den nächsten Wochen ereilen –, aber dennoch sollten der Bund und die Länder Sorge dafür tragen, dass die Lager mit Schutzausrüstung voll sind und somit – wenn die zweite Infektionswelle kommt – Ärzte und Pfleger und die Krankenhausversorgung – mit genügend Schutzmasken eingedeckt sind.

fuldainfo.de: Corona stellte das Gesundheitswesen in den vergangenen Monaten vor Herausforderungen, besonders in Ländern wie Italien oder Brasilien – aber auch bei uns in Deutschland waren Krankenhausleitung, Ärzteschaft und Pflegepersonal gefordert. Welche Lehren ziehen Sie daraus für die Zukunft?

Michael Sammet: Covid-19 kann natürlich sehr schnell zu einer Überlastung der Krankenhauskapazitäten führen, vor allem auch deshalb, weil die Intensivbetten schnell ausgelastet sind. Jetzt mag es Menschen geben, die sagen: Ja – Influenza-Patienten haben wir auch! Der Unterschied zu Covid-19-Patienten ist der, dass diese, wenn sie auf die Intensivstation müssen, dort einen längeren Aufenthalt haben, wodurch – wenn es uns nicht gelingt, die Pandemie einzudämmen und es vor diesem Hintergrund immer wieder zu neuen Infektionen kommt – die Kapazitäten ganz schnell erschöpft werden, weil man die Covid-19-Patienten eben nicht so schnell aus dem Krankenhaus oder von der Intensivstation bekommt, wie die, die sich mit der Influenza infiziert haben. Daher war der Lockdown in der Vergangenheit aus meiner Sicht das Richtige, denn dieser Lockdown hat sicherlich vielen Menschen das Leben gerettet.“

„In Hanau waren unsere Intensivkapazitäten erschöpft“

Wie schnell Häuser im Zuge einschneidender Infektionsfälle mit Covid-19 auch hinsichtlich der Bereitstellung von Intensivbetten für Nicht-Covid-Patienten sehr rasch an ihre Grenzen gebracht werden können, zeigt das Beispiel am St. Vinzenz-Krankenhaus Hanau, dem Michael Sammet ebenfalls als Geschäftsführer vorsteht. Hierzu Michael Sammet: „In Hanau war die Situation eine völlig andere als in Fulda – da war der Maximalversorger voll belegt mit Covid-19-Patienten. Er beherbergte damals um die 20 Patienten auf der Intensivstation, die sich mit dem neuartigen Virus infiziert hatten. Das St. Vinzenz-Krankenhaus hatte die Hälfte seiner Kapazitäten heruntergefahren und trotzdem waren alle Intensivbetten belegt, d.h. die Intensivkapazitäten waren erschöpft; Zusätzlich waren wir vor das Problem gestellt, dass viele unserer Mitarbeiter, da sie sich zwischenzeitlich mit Covid-19 infiziert hatten, in Quarantäne mussten. Zusätzlich bekamen wir dann noch andere Patienten für die Intensivstation; Insofern kamen wir da sehr schnell an unsere Grenzen. Wenn man diese Situation jetzt mal weiterspönne und es hätte keinen Lockdown gegeben, dann wäre das Gesundheitssystem zusammengebrochen.“

„Ein gewisser Teil muss freigehalten werden für unvorhersehbare Ereignisse“

Auch vor Corona, in 2018, war das St. Vinzenz-Krankenhaus Hanau vor eine ganz ähnliche Situation gestellt, „sodass wir geglaubt hatten, wir bekommen die Influenza-Patienten nicht mehr unter.“ Damals hatte man aus dieser Situation bedauerlicherweise nichts gelernt für die Zukunft, erinnert sich Sammet. Schon damals hatte man vor der Frage gestanden: „Wie gehen wir damit um?“ Weiter fasst Sammet die Situation zusammen: „Die Krankentransportdienste standen vor der Notaufnahme und es gab keine Beatmungsgeräte mehr – und das während der Influenza-Welle. Alle anderen Krankenhäuser im Rhein-Main-Gebiet waren auch erschöpft und dementsprechend als „rot“ gemeldet. Damals hatte man auch ans Ministerium geschrieben und auf diese Situation aufmerksam gemacht – man hat sich dann auch zusammengesetzt und Überlegungen angestellt. Bei Covid-19 handelt es sich eine Pandemie; Es war nicht vorherzusehen, wie sich die Situation im Frühjahr tatsächlich entwickeln würde und auch in Zukunft entwickeln wird. Das unterstreicht noch einmal: Das Gesundheits- und Krankenhauswesen war bisher spitz auf Kante genäht. Nur ein Krankenhaus, das zu hundert Prozent ausgelastet ist, gilt auch als erfolgreiches Krankenhaus. Für die Zukunft muss man sicherlich mitnehmen, dass ein gewisser Anteil an Kapazitäten freigehalten und auch finanziert werden muss für unvorhersehbare Ereignisse.

Bisher war es immer so, dass nur ein volles Bett ein gutes Bett war, aber man sollte ernsthaft darüber nachdenken, dass man einen Teil an Kapazitäten vorhält für außergewöhnliche Ereignisse. Das ist – glaube ich – ganz, ganz wichtig.

Das derzeitige Stufensystem während der Pandemie sieht vor, dass ein bestimmter Anteil von Betten freigehalten wird und werden muss für Covid-Patienten. Diese Pandemie kann uns sehr schnell an unsere Kapazitätsgrenzen bringen, daher ist es wichtig, dieses Thema nach wie vor sehr, sehr ernst zu nehmen. Die Themen Distanz, Mindestabstand, Alltagsmaske – und auch die Besucherregeln in den Krankenhäusern sind hier zu nennen – dienen letztlich dem Schutz des Personals – aber auch der Patienten; Wenn Sie jedem dem uneingeschränkten und nicht protokollierten Zugang zu den Stationen gewähren würden, dann wäre das einfach nicht mehr überschaubar, was ein hohes Infektionsrisiko für Patienten und Personal bedeutet. Aus diesem Grund unterstützte ich ausdrücklich diese Maßnahmen und hoffe nicht, dass wir eine massive zweite Welle haben werden, aber wie so viele andere kann ich natürlich auch nicht in die Zukunft sehen und vorhersagen, wie schlimm uns eine mögliche zweite Welle treffen wird.

Jetzt im Herbst nehmen die Atemwegserkrankungen naturgemäß wieder zu. Das auch, weil sich vieles wieder in geschlossenen Räumen abspielt; Und jeder Patient, der mit Symptomen wie Husten, Schnupfen, Heiserkeit zu uns in die Ambulanz kommt, ist erst einmal ein potenzieller Corona-Verdachtsfall und muss isoliert werden, wodurch die Kapazitäten wesentlich geringer sind als dies in der Vergangenheit der Fall war.“

fuldainfo.de: Wir danken Ihnen für das Gespräch. Bleiben Sie gesund! +++ ja