CDU und SPD drohen Türkei mit Rauswurf aus Europarat

Özdemir: Türkei ist "kein normales Land" mehr

Türkei

Berlin. Außenpolitiker von CDU und SPD haben der Türkei im Falle einer Wiedereinführung der Todesstrafe mit dem Ende ihrer Mitgliedschaft im Europarat gedroht. „Sollte die Türkei die Todesstrafe einführen, müssen wir ihre Mitgliedschaft im Europarat umgehend beenden. In diesem Fall hat sie im Europarat nichts mehr zu suchen“, sagte Axel Fischer (CDU), Vorsitzender der EVP-Fraktion in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, der „Welt“.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Leiter der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sagte weiter: „Die Todesstrafe ist unvereinbar mit den Grundsätzen des Europarates. Schon die künftige autokratische Verfassung stellt die rechtsstaatlichen Standards des Europarates infrage.“ Der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe, stellvertretender Leiter der deutschen Delegation in Parlamentarischen Versammlung des Europarates, sagte: „Die Einführung der Todesstrafe wäre nicht nur das Aus für den EU-Beitrittsprozess, sondern auch das Ende der Mitgliedschaft im Europarat.“ Bereits in der nächsten Woche werde der Europarat die Türkei wieder in das verschärfte Monitoring-Verfahren aufnehmen, sagte Schwabe: „Ein einmaliger Schritt in dieser alten europäischen Institution. Eine solche Rückverweisung ist noch keinem der 47 Mitgliedstaaten passiert.“ Normalerweise würden Staaten nur bei der Aufnahme in den Europarat einem Monitoring-Verfahren unterzogen, sagte Schwabe. Er kritisierte in diesem Zusammenhang das Agieren des Koalitionspartners CDU sowie von dessen europäischer Parteienfamilie EVP. Eigentlich hätte es den Schritt zu einem verschärften Monitoring-Verfahren für die Türkei schon im Januar, also vor dem Referendum, geben sollen, sagte Schwabe. „Das wurde dort durch massives türkisches Lobbying verhindert.“ Dieses sei leider auch beim Leiter der deutschen Delegation und Vorsitzendem der EVP-Fraktion in der Parlamentarischen Versammlung „auf fruchtbaren Boden gefallen“.

Özdemir: Türkei ist „kein normales Land“ mehr

Grünen-Chef Cem Özdemir glaubt, dass eine Anfechtung des Referendums in der Türkei keine guten Erfolgsaussichten hat: „Wenn die Türkei ein normales Land wäre, ja, aber sie ist kein normales Land“, sagte der Grünen-Politiker im „Deutschlandfunk“. Erdogan werde alles dafür tun, um seine Macht zu zementieren. Die türkische Oppositionspartei CHP hatte angekündigt, die Annullierung des Referendums beantragen zu wollen. Özdemir äußerte sich auch zu den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei: „Die Beitrittsverhandlungen liegen auf Eis, da sollten sie bleiben.“ Wenn die Türkei aber die Todesstrafe einführe, seien die Verhandlungen beendet, „dann fliegt die Türkei aber auch aus dem Europarat raus“. Özdemir warnte davor, „der Türkei den Stuhl vor die Tür zu stellen“. Wenn die Türkei sich von Europa abnabeln wolle, müsse sie diese Entscheidungen selber treffen. Den „wahrscheinlich sogar mehr als 50 Prozent der Menschen in der Türkei, die sich für Demokratie, für Europa eingesetzt haben“, sollte man „jetzt nicht die Rote Karte zeigen“, so der Grünen-Chef weiter.

BDI-Präsident: Türkei braucht „starke Wirtschaftspartner aus Europa“

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, hat sich besorgt über das Ergebnis des Referendums in der Türkei geäußert: „Das Land braucht starke Wirtschaftspartner aus Europa, welche die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landes unterstützen“, sagte Kempf am Dienstag. Deswegen müsse der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan „im wirtschaftlichen Interesse seines Landes dafür sorgen, dass die Vertrauensbasis der europäischen Partner nicht weiter erodiert“. Nach dem vorläufigen Ergebnis stimmten bei dem Referendum 51,4 Prozent der Wähler für die Verfassungsreform, 48,6 Prozent votierten demnach dagegen. Die türkische Oppositionspartei CHP kündigte an, die Annullierung des Referendums beantragen zu wollen.

CDU-Politiker dringen auf Abbau von Regeln zu doppelter Staatsbürgerschaft

In der CDU verfestigt sich nach dem türkischen Verfassungsreferendum der Wille, Regeln zur doppelten Staatsbürgerschaft abzubauen. Der für die Innenpolitik zuständige stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Stephan Harbarth (CDU), sagte der F.A.Z., der Grundsatz der Union heiße „Vermeidung“ von Mehrstaatlichkeit. „Der Doppelpass darf nicht die Regel sein, sondern er muss eine durch besondere Umstände zu begründende Ausnahme bleiben“, sagte Harbarth. Insbesondere solle sichergestellt werden, dass sich eine doppelte Staatsbürgerschaft nicht über Generationen hinweg vererbe. Das gelte vor allem dann, wenn kein Bezug zum Herkunftsland mehr bestehe. „Spätestens von in Deutschland geborenen Kindern mehrstaatiger Eltern wird man ein klare Entscheidung für oder gegen den deutschen Pass verlangen können“, äußerte Harbarth. Ähnlich äußerte sich der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium Günter Krings (CDU). Der F.A.Z. sagte er, die Ergebnisse der türkischen Volksabstimmung, bei der fast zwei Drittel der abstimmenden Türken im Sinne des türkischen Präsidenten votiert hatten, „bestärken die bestehende Skepsis gegenüber den geltenden Ausnahmen zur Doppelten Staatsbürgerschaft“. Krings sagte, er sei sicher, dass das Wahlprogramm der Union Aussagen dazu machen müsse, „wie diese Ausnahmen für die Mehrstaatlichkeit wieder abgebaut werden können“.

Ausnahmezustand in der Türkei verlängert

Das türkische Parlament hat am Dienstag einer Verlängerung des Ausnahmezustandes um weitere drei Monate zugestimmt. Bereits am Montagabend hatten der Nationalen Sicherheitsrat und das Kabinett die Verlängerung beschlossen, ohne die der Ausnahmezustand am Mittwoch ausgelaufen wäre. Nun gilt er zunächst bis zum 19. Juli. Der Ausnahmezustand war kurz nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 verhängt worden. Im Oktober und Januar wurde er um jeweils drei Monate verlängert. Während des Ausnahmezustands können nach Artikel 15 der türkischen Verfassung Grundrechte eingeschränkt oder ausgesetzt werden. Nach Angaben der Opposition hatte es dadurch vor dem Referendum über eine Verfassungsänderung Einschränkungen ihres Wahlkampfs gegeben. +++