Bundestagung BDH Bundesverband Rehabilitation: Auftaktveranstaltung in Fulda

Leuchtturmprojekt entsteht in Fulda

BDH-Bundesvorsitzende Ilse Müller

Am Freitag waren im Kongresszentrum Esperanto in Fulda Mitglieder des BDH Bundesverbandes Rehabilitation sowie Interessierte zu einer öffentlichen Veranstaltung des Bundesvorstandes des BDH Bundesverbandes Rehabilitation zusammengekommen. Die Veranstaltung hatte im Rahmen der diesjährigen Bundestagung stattgefunden. Traditionell begleitet wurden die Vortragsreihen, die in diesem Jahr unter dem Motto „Rehabilitation – auf den Hund gekommen?“ gestanden hatten, von dem 1920 gegründeten Verband.

BDH-Bundesvorsitzende Ilse Müller ging in ihrer Begrüßungsrede auf die Doppeldeutigkeit der diesjährigen Themenüberschrift ein, die nicht nur positiv konnotiert ist. So war das Motto, „Rehabilitation – auf den Hund gekommen?“, nicht nur von einem der erfolgreichen Projekte der verbandseigenen Stiftung inspiriert, bei dem eine junge Frau mit spastischen Lähmungen einen Assistenzhund finanziert bekam, sondern auch von der in der Realität schwierigen Situation, in der sich die vom Kostendruck geprägte medizinische Rehabilitation befindet. Die Frage danach, ob Rehabilitation auf den Hund gekommen sei, dürfte sich nie ernsthaft stellen, zitierte die Bundesvorsitzende Bundesinnenminister Horst Seehofer. „Auf welche Fährte will uns der BDH da locken?“, zitierte sie die Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Kathrin Göring-Eckardt, die in der Oktoberausgabe des BDH-Kuriers folgendes anmerkt: „Wer auf Rehabilitation angewiesen ist, befindet sich oft in einer schwierigen Lebenssituation. Aber Rehabilitation ist doch auch Hoffnung und der Blick nach vorn. Auch bei der Rehabilitation herrscht Kostendruck und der Bedarf Kosten zu deckeln. Und so berichten Menschen davon, dass es schwieriger geworden ist, zum Beispiel einen Klinikaufenthalt finanziert zu bekommen. Zum anderen wird es für Kliniken immer schwieriger, ihre Kosten durch Vergütungssätze zu deckeln, weil diese nicht im notwendigen Umfang angepasst werden. Die sparsame Verwendung von Beitrags- und Steuermitteln ist zwar richtig und wichtig, darf aber nicht zur Gefährdung der Versorgung führen.“.

Ilse Müller: „Für notwendige Mehrleistungen, bedarf es zusätzliches Personal und nicht das Schultern von immer mehr Aufgaben von Menschen, die bereits an der Belastungsgrenze arbeiten.“

„Diese Überzeugungsarbeit vor Ort und in den Köpfen der Verantwortlichen zu leisten, ist eine Aufgabe, der wir uns, als Sozialverband und Klinikträger, engagiert stellen. Wir wenden uns aktiv gegen jede Entwicklung, bewerte und gewachsene Versorgungsstrukturen zum Schaden der Betroffenen abzubauen.“, so die Bundesvorsitzende weiter. „Die Strukturdefizite in der Krankenhausfinanzierung sind so manifest, dass sie nicht zu Ende gedachte Maßnahmen, die Versorgung, auf die wir uns hier alle im Saal verlassen, bereits massiv gefährden können. Ein Beispiel ist der Fixkostendegressionsabschlag, den man als eine Art Mengenrabatt von Seiten der Leistungsträger für die Kostenträger beschreiben kann. Schon jetzt können gestiegene Personal- und Sachkosten über die Fallpauschalen, die die Krankenhäuser erhalten, in vielen Fällen nicht refinanziert werden. Auf mehr Leistungen über deren medizinische Notwendigkeit eindeutiger Konsens besteht, müssen Mengenrabatte in Form von drastischen Vergütungsabschlägen gewährt werden. Dabei liegt der Personalkostenanteil in den Krankenhäusern bereits heute zwischen 60- und 70 Prozent. Um Kosten decken zu können, müssen die tatsächlichen, variablen Personalkosten weiter massiv reduziert werden. Für notwendige Mehrleistungen braucht es aber zusätzliches Personal; Nicht das Schultern von immer weiteren Aufgaben durch Menschen, die bereits an der Belastungsgrenze arbeiten. Das Vorgehen richtet sich vorgeblich gegen ökonomisch getriebene Fallzahlensteigerungen bei unnötigen Operationen in den Krankenhäusern – trifft aber ins Herz unseres Gesundheitssystems. Es besteht die Gefahr, das notwendige, medizinische Leistungen durch Unterfinanzierung rationiert werden.“, so die Bundesvorsitzende BDH Rehabilitation, Ilse Müller, auf der Auftaktveranstaltung zur Bundestagung des BDH Bundesverbandes Rehabilitation 2018 am Freitag in Fulda. Noch ist Rehabilitation nicht auf den Hund gekommen. Der BDH Bundesverband Rehabilitation kämpft als Sozialverband und Klinikträger für den Erhalt vielfältiger Angebote in der medizinischen und sozialen Rehabilitation und dafür, dass Menschen den Zugang zu Leistungen, die ihnen zustehen, auch erhalten. Um dieser Zielsetzung gerecht werden zu können, gilt es beständig, für betroffene Menschen Angebote und Möglichkeiten zu erarbeiten.

Staatssekretär Dr. Wolfgang Dippel: „Beim Mitführen eines Assistenzhundes im privaten Bereich darf es nicht zu einer Verweigerungshaltung kommen.“

Staatssekretär Dr. Wolfgang Dippel

Der hessische Staatssekretär im Ministerium für Soziales und Integration, Dr. Wolfgang Dippel, befand am Freitag, dass es legitim sei, das Motto „Rehabilitation – auf den Hund gekommen?“ auch unter dem gesellschaftspolitischen Aspekt zu hinterfragen. Im Verlauf seiner Rede beschränkte sich der Staatssekretär auf die Grundaussagen des Hessischen Ministeriums, bei denen es um die Legitimation eines Assistenzhundes geht. Die Unterstützung durch tierische Hilfen wird in der UN-Behindertenrechtskonvention ausdrücklich benannt. Die Zugänglichkeit wird im Artikel 9 der UN-Behindertenrechtskonvention geregelt. Zugänglichkeiten, die die persönliche Mobilität betreffen, sind im Artikel 20 der UN-Behindertenrechtskonvention beschrieben. Darin werden tierische Hilfen ausdrücklich erwähnt und als eine „Unterstützung im Sinne der angemessenen Vorkehrungen“ beschrieben. Hierunter versteht die UN-Behindertenrechtskonvention alle persönlich individuell zu ergreifenden Maßnahmen, die geeignet erscheinen, Teilhabe zu ermöglichen. „Bereits 2014 haben wir im Behindertengleichstellungsgesetz in Hessen verankert, dass das erforderliche Mitführen eines Assistenzhundes nicht verweigert werden darf.“, betonte Dippel und verdeutlicht in diesem Kontext, dass mit Assistenzhund nicht nur der klassische Blindenführhund gemeint ist, sondern auch Signalhunde, wie Diabetikerwarn- und Servicehunde.

Regelungsbedarf bestehe derzeit noch beim Mitführen von Assistenzhunden im privaten Bereich. Hier dürfe es nach dem Staatssekretär nicht zu einer Verweigerungshaltung kommen, die dem Teilhabegedanken widerspricht und deshalb eine Diskriminierung bedeutet. Da der Erwerb, die Haltung und schließlich auch die Ausbildung der Hunde finanzielle Anstrengung erfordern, hat die Bundesregierung auf eine Entschließung des Bundesrates hin zugesagt, prüfen zu wollen, inwieweit die Einführung einer gesetzlichen Definition sowie einheitlicher Qualitätskriterien bei der Hundeausbildung und eines Begutachtungs- und Prüfungswesens eine Teilhabe verbessern können. „Schauen wir nach Österreich, sehen wir, dass dort schon eine entsprechende Regelung besteht. Dort sind Assistenzhunde seit 2015 im Bundesbehindertengesetz eingetragen. Zudem wurde eine einheitliche Richtlinie herausgegeben, in dem die Voraussetzungen für die Bezeichnung als Assistenzhund und dessen Beurteilung vorgegeben werden.“

„Natürlich muss sich in diesem Zusammenhang auch mit der Frage beschäftigt werden, wer die Assistenzhunde finanziert. Bei Blindenführhunden ist das als Hilfsmittelversorgung im Rahmen der Leistungsmöglichkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung etabliert; dies könnte auch bei den übrigen Assistenzhunden ein gangbarer Weg sein.“, so der Staatssekretär. Weiter ging der hessische Staatssekretär im Ministerium für Soziales und Integration auf das Tagungsthema „Tagesförder- und Tagesstätten“ ein. Auch diesbezüglich sei das Thema „notwendige Assistenz“ in den Blickpunkt zu nehmen. Gemeint sind die Assistenzleistungen im neuen Leistungstatbestand „Soziale Teilhabe“, wie er durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) in das Sozialgesetzbuch (SGB) seit 01.01.2018 aufgenommen wurde.

Mit dem Bundesteilhabegesetz werden die Leistungen zur sozialen Teilhabe konzentriert und definiert. Dabei haben die Assistenzhundleistungen eine besondere Bedeutung: Zukünftig werden diese Leistungen unterteilt werden in Leistungen, die zur Anleitung und Einübung dienen oder auch solche, die eine vollständige und teilweise Übernahme von Handlungen umfassen. „Diese Leistungen müssen jetzt zügig beschrieben und vereinbart werden, um sie auch bedarfsgerecht bewilligen zu können. Ich denke, mit dieser neuen Leistung wird es gelingen, einen weiteren wesentlichen Baustein zur Erreichung von Teilhabe und Selbstbestimmtheit zu etablieren.“, so Staatssekretär Dippel am Freitag in Fulda.

In Hessen ist es Tradition, dass die Tagesförderungsstätten unter dem sogenannten verlängerten Dach der Werkstatt für behinderte Menschen angesiedelt sind. „Die Tagesförderstätte ist ein wichtiger Baustein, um Leistungen zur sozialen Teilhabe für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen zu erbringen. Dies bedeutet die Förderung in zahlreichen Lebensbereichen, aber es ist auch das Augenmerk auf die Teilhabe am Arbeitsleben und den möglichen Umgang aus der Tagesförderstätte in eine Werkstatt für behinderte Menschen zu richten.“, so Dippel. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Bundesteilhabegesetz hatten sich die Länder dafür eingesetzt, dass das für die Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen notwendige Mindestmaß von verwertbarer wirtschaftlicher Arbeits-Leistung entfällt. „Leider ist der Bundesgesetzgeber dieser Forderung nicht gefolgt. Uns erscheint das nicht mehr zeitgemäß und ich bin zuversichtlich, dass es hier auch im Gespräch der Länder mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Bundesagentur für Arbeit noch zu einem Ergebnis kommen wird, mit dem insbesondere den betroffenen Menschen eine gangbare Perspektive aufgezeigt werden kann.“, so der Staatssekretär.

Fuldas Bürgermeister Dag Wehner

Bürgermeister Dag Wehner: „Das ehrenamtliche Engagement und die Arbeit mit Menschen des Verbandes sind wichtige Stützpfeiler.“

Fuldas Bürgermeister und Sozialdezernent, Dag Wehner (CDU), nannte das ehrenamtliche Engagement und die Arbeit mit Menschen des BDH Bundesverbandes Rehabilitation wichtige Stützpfeiler – nicht nur in Fulda – sondern bundesweit. Indem der Verband auch Klinikträger ist, bewege er sich in einem Spannungsfeld aus finanziellem Druck auf Pflegeeinrichtungen, rechtlichen Rahmenbedingungen und dem Interesse der Menschen an einer bestmöglichen Rehabilitation. Hier schlug der Sozialdezernent die Brücke zu Fulda, demnach sich die Stadt, als „Trägerin eines kommunalen Krankenhauses (Klinikum Fulda)“ im gleichen Spannungsfeld befinde. „Auch wir als Stadt Fulda sind in unserer Tätigkeit von dem Wunsch angetrieben, eine optimale medizinische Versorgung für die hier in unserer Stadt, in unserer Region lebenden Menschen zu gewährleisten und stellen ebenso fest, dass dieses Angebot unter sehr schwierigen Bedingungen unter einem schwieriger werdenden Wettbewerb von uns gestaltet werden muss.“, so der Bürgermeister der Stadt Fulda, Dag Wehner, am Freitag anlässlich der Auftaktveranstaltung der Bundestagung des BDH Bundesverbandes Rehabilitation 2018 in Fulda.

Leuchtturmprojekt entsteht in Fulda

In seinem Vortrag „Rehabilitation 2018 – im Konflikt zwischen Teilhabe und Ökonomie“ hatte Prof. Dr. med. Jens D. Rollnik, Ärztlicher Direktor der BDH-Klinik Hessisch Oldendorf und Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für neurorehabilitative Forschung (InFo-Institut) hierzu Position bezogen. Als Sozialverband setzt sich der BDH dafür ein, dass Menschen die Leistungen, die ihnen zustehen, auch erhalten. In ihrem Beitrag „Der BDH auf der Seite der Schwachen – ein Fall aus der Rechtsberatungspraxis“ gab Ass. jur. Aenn Jestrimski von der BDH-Regionalgeschäftsstelle Bad Malente ein Fallbeispiel. Mit dem wichtigen Thema „Teilhabe nach der Rehabilitation“ beschäftigte sich Prof. Dr. med. Claus-W. Wallesch, Ärztlicher Direktor der BDH-Klinik Elzach. Gemeinsam mit dem Caritasverband der Diözese Fulda hat der BDH in Fulda ein Leuchtturmprojekt für ganz Hessen auf den Weg gebracht. Es entsteht eine Tagesförderstätte für Menschen mit erworbenem Hirnschaden, die einen dringenden Bedarf decken wird und Teilhabechancen gerade für Menschen bietet, die oft aus den verfügbaren Angeboten herausfallen. Hierzu sprachen Hermann Auth, Vorsitzender des BDH- Kreisverbands Fulda, Dr. Markus Juch, Caritasdirektor des Caritasverbandes für die Diözese Fulda e.V., Bernd W. Wystrach, Gesamtleiter Caritas Berufswege Fulda und Werkstätten für behinderte und psychisch kranke Menschen und Ines Bauer, die Mutter eines Betroffenen. +++ ja