Bundestag beschließt Corona-Paket der Ampel-Parteien

Spahn: Neues Infektionsschutzgesetz "besser als gar nichts"

Der Bundestag hat das Corona-Maßnahmenpaket von SPD, Grünen und FDP auf den Weg gebracht. In namentlicher Abstimmung stimmten am Donnerstag 398 Abgeordnete für den entsprechenden Gesetzentwurf der Ampel-Parteien. 254 Parlamentarier stimmten dagegen, 36 enthielten sich. Mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze soll eine Anschlussregelung nach der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite geschaffen werden. Die Pandemie-Notlage läuft nach derzeitiger Planung am 25. November aus. Die neue Regelung soll den Ländern einen „Instrumentenkasten“ an Maßnahmen ermöglichen. So wird ein bundeseinheitlich anwendbarer Katalogs möglicher Schutzvorkehrungen in Paragraf 28a des Infektionsschutzgesetzes eingefügt.

Als mögliche Schutzvorkehrungen werden unter anderem die Anordnung eines Abstandsgebots, einer Maskenpflicht sowie die Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen genannt. Am Arbeitsplatz sowie im öffentlichen Nah- und Fernverkehr soll eine 3G-Regelung eingeführt werden. Beschäftigte sollen außerdem nach Möglichkeit aus dem Homeoffice arbeiten. Im Gesetzgebungsverfahren war der Katalog der Schutzvorkehrungen nach Kritik noch deutlich ausgeweitet worden. Die Länder sollen bei einer sich besonders zuspitzenden Corona-Lage so auch künftig Personenbeschränkungen für Betriebe, Einrichtungen oder Veranstaltungen erlassen können. Auch Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum wären dann möglich. Notwendig wären aber Beschlüsse der entsprechenden Landesparlamente. Die Anordnung von Ausgangsbeschränkungen sowie das generelle Verbot für Veranstaltungen oder Versammlungen soll künftig ausgeschlossen sein. Nach dem Beschluss des Bundestags muss sich am Freitag noch der Bundesrat mit der Änderungen des Bundesinfektionsschutzgesetzes befassen. Die Union hatte zuletzt mit einer Blockade in der Länderkammer gedroht. Hintergrund ist, dass sie das Ende der epidemischen Lage ni cht mittragen will. Die Ampel-Parteien werfen CDU und CSU deshalb „parteipolitisches Geplänkel“ vor. Die Union erwiderte diese Kritik in der Plenardebatte am Donnerstag postwendend. So warf zum Beispiel der CDU-Rechtspolitiker Jan-Marco Luczak SPD und Grünen vor, sich in „Geiselhaft der FDP“ nehmen zu lassen.

Spahn: Neues Infektionsschutzgesetz „besser als gar nichts“

Der scheidende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht im Infektionsschutzgesetz der „Ampel“-Koalition eine ausreichende Rechtsgrundlage für die nötigen Coronamaßnahmen. Das Gesetz sei zwar schlechter als die Epidemische Lage, aber „besser als gar nichts“, sagte er dem Nachrichtensender „Welt“. Wichtig sei, dass in den Ländern schnell gehandelt werde, nicht, auf welchem Rechtstitel das geschehe. Lob gab es von Spahn für den Corona-Wellenbrecher, den Sachsens Ministerpräsident Kretschmer (CDU) angekündigt hatte: „Entscheidend ist jetzt erstmal, dass auf geltender Rechtslage auch gehandelt wird, dass Maßnahmen auch vor Ort ergriffen werden, so wie es der sächsische Ministerpräsident ja heute richtigerweise angekündigt hat.“ Es sei gut, dass es im Kampf gegen Corona keine regelungsfreie Phase gebe und die Länder jederzeit eine Rechtsgrundlage hätten, so Spahn: „Wir haben ja eine geltende Rechtsgrundlage, das ist die Epidemische Lage, deren Grundlage ja auch bis zum 15. Dezember wahrscheinlich weiter gelten wird. Und gleichzeitig haben wir eben die Rechtsgrundlage, die die Koalition jetzt eben mit dem Infektionsschutzgesetz schafft.“ Und beides sei in der Analyse richtig: „Es wird für die Länder weniger Möglichkeiten geben als bisher mit dieser neuen Rechtslage, und ich hätte mir gewünscht, dass den Ländern mehr erhalten bleibt – und gleichzeitig ist dieses Gesetz natürlich besser als gar nichts. Es wäre nicht gut, wenn wir überhaupt keine rechtliche Grundlage mehr für Maßnahmen hätten. Und das ist jetzt gerade so die schwierige Situation, in der wir sind.“ Schon jetzt müssten Notfallpatienten mancherorts mit einer schlechteren Behandlung als üblich rechnen, weil Coronapatienten die Intensivbetten belegten, so Spahn: „Wir haben Bundesländer, die sind am Limit – Bayern, Sachsen, Thüringen, auch in Teilen von Baden-Württemberg, wo Patientinnen und Patienten verlegt werden müssen, wo ein Schlaganfall-, ein Notfallpatient nicht sofort die Behandlung immer vor Ort bekommen kann, die er oder sie braucht. Und in diesen Ländern sind auch offenkundig zusätzliche Maßnahmen notwendig und die finden auch statt.“ Das sei das entscheidende. „Nicht, welchen Titel das Ganze hat.“ Insgesamt spitze sich die Lage in den Krankenhäuser täglich weiter zu, mahnte Spahn: „Die Lage ist ernst, sie ist sehr ernst. So ernst, wie in den letzten 18 Monaten nicht.“ Das sehe man jeden Tag, 60.000 Neuinfektionen. „Das heißt übrigens, dass einige hundert von diesen 60.000 in den nächsten 10 bis 14 Tagen auf die Intensivstation verlegt werden müssen – und viele eben auch versterben, von diesen einigen hundert.“ Und das sei jetzt jeden Tag im Moment die Lage. „Und das zeigt, wie wichtig es ist, diese Welle zu brechen, die Infektionszahlen runterzubringen und dafür brauchen die Länder die nötigen Maßnahmen, Rechtsgrundlage für die nötigen Maßnahmen, und das ist das, worum wir hier gerade gerungen haben: wie wir bestmöglich und ausreichend für die Länder die Rechtsgrundlage schaffen.“

Lenders: Effektiver Instrumentenkasten

Damit wird die Pandemiebekämpfung in Deutschland auf eine neue, bessere Grundlage gestellt. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jürgen Lenders betont: „Mit unserem Gesetz machen wir die Pandemiebekämpfung parlamentarischer, grundrechtsschonender und wirksamer.“ Dies sei angesichts der dramatischen Corona-Zahlen geboten. „Parlamentarischer, weil die Sonderbefugnisse der Bundesregierung abgeschafft werden und so die Gewaltenteilung wiederhergestellt wird. Grundrechtsschonender, weil mit der Beendigung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite viele schwerwiegende Grundrechtseingriffe nicht mehr angeordnet werden können. Wirksamer, weil wir vulnerable Gruppen besser schützen“, führt Lenders aus. Die Länder bekämen mit dem Gesetz einen effektiven Instrumentenkasten zur Pandemiebekämpfung an die Hand. Im parlamentarischen Verfahren wurden die Maßnahmen erweitert, ohne dass es wieder zu Ausgangssperren, Schließungen von gastronomischen Betrieben und dem Einzelhandel sowie pauschalen Schulschließungen kommen kann. „Das zeigt, warum die Pandemiebekämpfung im Bundestag besser aufgehoben ist“, so Lenders. Den kostenlosen Bürgertest habe man bereits zurückgebracht. Mit Inkrafttreten des Gesetzes werden weitere Maßnahmen wie Homeoffice und 3G am Arbeitsplatz sowie im Nah- und Fernverkehr folgen. Zudem gibt es dann eine Testpflicht für Alten- und Pflegeheime.“ +++