Bundesregierung rechnet mit Schrumpfen der Wirtschaft

Wirtschaftsweiser Truger: Wirtschaftliche Lage ist "dramatisch"

Robert Habeck (Grüne)

Die Bundesregierung rechnet nun für 2024 mit einem Schrumpfen der deutschen Wirtschaft. In der am Mittwoch veröffentlichten Herbstprojektion geht sie davon aus, dass sich die Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr preisbereinigt um 0,2 Prozent verringert.

Zu Jahresbeginn 2025 dürften die „Auftriebskräfte im Zuge einer Belebung des privaten Konsums, einer Erholung der Nachfrage nach Industrieerzeugnissen aus dem Ausland und einer Trendwende bei der Investitionstätigkeit dann wieder an Dynamik gewinnen“, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium. Insgesamt rechnet die Bundesregierung für das Jahr 2025 mit einer Steigerung des realen Bruttoinlandsprodukts um 1,1 Prozent, 2026 dürfte sich der Anstieg auf 1,6 Prozent nochmal verstärken.

Derzeit werde die deutsche Wirtschaft zunehmend durch strukturelle Faktoren infolge des demografischen Wandels, einer schwierigeren Wettbewerbsposition und geoökonomischer Fragmentierung beeinträchtigt. Zudem belasteten konjunkturelle Effekte wie die anhaltend schwache Nachfrage aus dem In- und Ausland sowie die weiterhin restriktiv wirkende Geldpolitik die wirtschaftliche Entwicklung. Positiv seien dagegen schon jetzt die sinkende Inflation, gestiegene Realeinkommen und sinkende Zinsen, so das Ministerium.

„Seit 2018 ist die deutsche Volkswirtschaft nicht mehr kräftig gewachsen“, sagte Ressortchef Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch in Berlin. „Neben konjunkturellen Risiken schlagen jetzt die strukturellen Probleme Deutschlands zu Buche, und das inmitten großer geoökonomischer Herausforderungen. Deutschland und Europa sind mitten in den Krisen eingezwängt zwischen China und den USA und müssen lernen, sich zu behaupten.“

Hoffnungen setzt der Minister derweil auf die sogenannte „Wachstumsinitiative“ der Bundesregierung. „Wir sorgen für mehr Arbeits- und Fachkräfte und stärken Investitionen. Mit den Beschlüssen der Regierung zum Bürokratieabbau leiten wir eine Trendwende ein und bauen Bürokratie ab“, so Habeck.

Wirtschaftsweiser Truger: Wirtschaftliche Lage ist „dramatisch“

Der Wirtschaftsweise Achim Truger hat die wirtschaftliche Lage in Deutschland als „dramatisch“ bezeichnet. „Dramatisch wird es dadurch, dass die deutsche Wirtschaft seit 2019 praktisch nicht mehr gewachsen ist. Wir haben den Corona-Schock gehabt und danach die Energiekrise. Wir liegen jetzt mehr als fünf Prozent unter dem vor der Krise prognostizierten Wachstumstrend. Das ist wirklich dramatisch“, sagte der Ökonom den Sendern RTL und ntv.

Die Bundesregierung solle „eine Notlage erklären und die Schuldenbremse aussetzen“, fordert Truger. „Aus meiner Sicht wäre eine Notlage im Jahr 2025 im Rahmen der Schuldenbremse gerechtfertigt. Wenn man bei der Wirtschaftsleistung mehr als fünf Prozent unter dem Vorkrisentrend liegt und die Prognosen immer noch nicht wirklich aufwärts zeigen, kann man rechtfertigen, dass man noch mal richtig Geld in die Hand nimmt, um die Wirtschaft anzuschieben.“

Er wisse, dass das in der aktuellen politischen Konstellation schwierig sei, so Truger. „Die Bundesregierung bekommt ja ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sie 2023 sagt, die Notlage sei vorbei, und nun soll sie plötzlich wieder da sein. Da hat sich die Ampel in eine schwierige Lage manövriert. Realistisch gesehen sollte die Regierung jetzt zumindest finanzpolitisch nicht weiter kürzen. Bei den Energiepreisen muss sie sehen, dass sie mit einer Überbrückung für Investitionssicherheit sorgt.“

Die Krise „kommt maßgeblich daher, dass wir noch immer an den Folgen von Corona und insbesondere der Energiekrise leiden. Das hat die Unternehmen massiv belastet. Und bei der Energie zeichnet sich ja immer noch keine Entwarnung ab. Das verunsichert und verhindert Investitionen“, so Truger. Die Unsicherheit über die Finanz- und Wirtschaftspolitik sei ein Problem. „Die Bundesregierung und wahrscheinlich auch die Ökonomen, also mich eingeschlossen, haben unterschätzt, was zum Beispiel dieser vorzeitige Wegfall der E-Auto-Prämie auslöst. Dasselbe gilt für Förderprogramme, etwa zur energetischen Sanierung, die jetzt nicht in dem Volumen laufen, wie sie sollten.“

„In der jetzigen Situation geht es darum, einen Aufschwung hinzubekommen. Hier wäre ein Anschub durch die Finanzpolitik sinnvoll, aber zumindest keine Kürzungen und keine restriktive Finanzpolitik“, so Truger. „Die Streitigkeiten innerhalb der Ampelkoalition und dieses aus meiner Sicht vollkommen falsche Festhalten an einer sehr eng ausgelegten Schuldenbremse befördern diese Krise. Da versündigt sich vor allem die FDP am Aufschwung.“ Ihn beunruhige die „hitzige, vergiftete Art, wie die Debatten – auch wirtschaftspolitische – geführt werden. Die Opposition hat die Grünen und gerade Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Buhmann für fast alle Probleme gemacht. Dabei hatten Regierung und Opposition in der Energiekrise doch noch einigermaßen zusammengestanden und gemeinsam viel Gutes geschafft. Es ist bedauerlich, dass sie diesen Geist nicht beibehalten haben, angesichts der nach wie vor großen Aufgaben.“ +++


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