Bundesregierung erlaubt mehr afghanischen Ortskräften Evakuierung

Merkel: USA bleiben bei 31. August als Abzugstermin aus Afghanistan

Die Bundesregierung erweitert den Anspruch für ehemalige afghanische Ortskräfte des Entwicklungsministeriums und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), aus Afghanistan einen Antrag für die Evakuierung stellen zu können. Das berichtet die „Welt“ unter Berufung auf einen Sprecher des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). „Grundsätzlich wurde entschieden, dass ab jetzt auch Ortskräfte der Entwicklungszusammenarbeit aufgrund einer Gefährdung für eine Ausreise infrage kommen, deren Beschäftigungsverhältnis schon mehr als zwei Jahre zurückliegt“, sagte der Sprecher.

Analog zur Regelung des Verteidigungsministeriums für Ortskräfte der Bundeswehr und des Innenministeriums für Ortskräfte der Bundespolizei sei nun eine Beschäftigung ab 2013 ausschlaggebend. „Das BMZ begrüßt diese Entscheidung“, heißt es aus dem Entwicklungsministerium. Die Entscheidung soll im Bundeskanzleramt gefallen sein. A uch aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Dienstag, dass von nun an Ortskräfte im Verfahren berücksichtigt werden könnten, die seit 2013 für das Außenministerium tätig waren. Aus der Opposition im Bundestag wird die Erweiterung des Ortskräfteverfahrens begrüßt, aber als viel zu spät kritisiert. Die Begrenzung auf eine Tätigkeit innerhalb der letzten zwei Jahre sei von Anfang an willkürlich gesetzt worden, sagte der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Bijan Djir-Sarai. „Die neue Regelung ändert aber an der Realität vor Ort nichts, denn der Zugang zum Flughafen ist vor allem für die Ortskräfte nach wie vor nicht gewährleistet. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man sagen, dass die Evakuierung der Ortskräfte gescheitert ist“, so Djir-Sarai weiter. Die Vize-Fraktionschefin der Grünen, Agnieszka Brugger, sagte, dass es die Verantwortung der Bundesregierung sei, dass über Monate viele Ortskräfte im Stich gelassen worden seien. „Diese dringend notwendige Kehrtwende ist zwar richtig, aber sie kommt viel zu spät, erst im Angesicht der Katastrophe und weil der öffentliche Druck so groß ist.“

Merkel: USA bleiben bei 31. August als Abzugstermin aus Afghanistan

Die USA bleiben bei 31. August als endgültigem Abzugstermin aus Afghanistan. „Es sind heute keine neuen Daten genannt worden“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einer digitalen G7-Sonderkonferenz am Dienstagabend. Was das genau „im Zeitablauf bedeutet“, könne jetzt noch nicht abgesehen werden. Ohne die USA jedenfalls könne Deutschland die Evakuierungsaktion nicht weiterführen. „Das muss man ganz klar wissen“, sagte Merkel. Mit den Taliban wollen die Staats- und Regierungschefs der sieben einst führenden Industrieländer gemeinsam verhandeln. „Wir wollen einheitlich auftreten“, sagte Merkel. Auch mit Nachbarländern wie Pakistan werde beispielsweise über Flüchtlingsfragen gesprochen. Deutschland werde 100 Millionen Euro „Soforthilfe für humanitäre Hilfe“ für Afghanistan geben und weitere 500 Millionen Euro für UN-Organisationen „bereitstellen“, sagte die Kanzlerin. Die Vereinten Nationen teilten den G7-Staats- und Regierungschefs nach Angab en Merkels auf der Sonderkonferenz mit, einen Teil der Arbeit verschiedener Organisationen in Afghanistan fortsetzen zu wollen.

FDP erwartet zunehmende Terrorgefahr in Afghanistan

Die FDP-Bundestagsfraktion erwartet nach der Eroberung der afghanischen Hauptstadt Kabul eine erhöhte Terrorgefahr. „Durch den Erfolg der Taliban fühlen sich Islamisten aus der ganzen Welt ermutigt“, sagte der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Bijan Djir-Sarai dem Sender Phoenix. Es sei daher eine realistische Perspektive, dass sich in den nächsten Jahren viele auf den Weg nach Afghanistan machten, um dort wieder terroristische Strukturen aufzubauen. „Ob IS oder andere neue Namen dazukommen – am Ende des Tages sind das Terrorstrukturen“. Djir-Sarai warnte davor, die Taliban als „moderate, politische Bewegung“ einzuschätzen: „Die Taliban sind Steinzeit-Islamisten, sind Extremisten, und sie haben kein Interesse, Afghanistan als Staat zu stabilisieren, sondern sie sehen das Ganze ideologisch.“ Militärische Maßnahmen zur Lösung des Konflikts in Afghanistan sind für Djir-Sarai keine Option. „Man kann Afghanistan militärisch nicht besiegen“, sagte er. „Selbst wenn dieser Einsatz 30 oder 40 Jahre gedauert hätte – das Ende wäre genauso gewesen“. Die Lehre, die aus diesem Einsatz gezogen werden müsse, sei Folgende: „Man kann ein Land nicht gegen die Eliten des Landes stabilisieren.“ Wenn diese nicht mitmachten, werde das Ganze scheitern. Vom heute stattfindenden Sondergipfel der G7-Staats- und Regierungschefs zu Afghanistan erhofft sich Djir-Sarai einen Beschluss, die Evakuierungsmaßnahmen über den 31. August hinaus fortzusetzen, um noch möglichst viele Menschen zu retten. Das sei jedoch nur möglich, wenn die USA dem zustimmten. „Wenn US-Präsident Biden nicht mitmacht, wird das Ganze nicht funktionieren. Das, was die Europäer beschließen, ist letztendlich ganz klar von den Entscheidungen im Weißen Haus abhängig“, so Djir-Sarai. Auch der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, sieht eine Abhängigkeit von den USA. „Es ist richtig, dass es ohne die Amerikaner nicht geht“, sagte Nourip  our der „Welt“. Eine Fortsetzung der Evakuierung gehe nicht, ohne, dass das die Taliban es zu ließen. „Die sitzen quasi auf dem Zaun des Flughafens mit Bazookas in der Hand, da kann man nicht einfach den Flugverkehr weiter aufrechterhalten.“ Deshalb sei es notwendig, die Gespräche auf beiden Seiten zu führen, so Nouripour. +++

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