Bundespräsident kritisiert Russland scharf

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die russische Regierung zur Aufklärung im Fall Nawalny aufgefordert. "Die Ergebnisse der sorgfältigen Untersuchung bestätigen leider die schlimmsten Befürchtungen: Nawalny ist schwer vergiftet worden mit dem Ziel, ihn zum Schweigen zu bringen", sagte Steinmeier dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". "Die drängendsten Fragen richten sich nun an die Regierung in Moskau".

Steinmeier sagte, es sei nun an der Bundesregierung, "in Abstimmung mit unseren europäischen Partnern" die Konsequenzen aus dem Fall zu ziehen. Klar sei jedoch, dass der Fall das deutsch-russische Verhältnis schwer belaste. "Dass Oppositionelle und kritische Stimmen in Russland in Serie um ihre Gesundheit oder ihr Leben fürchten müssen, ist ohne Zweifel eine schwere Belastung für die Glaubwürdigkeit der russischen Führung und erschwert die Zusammenarbeit", sagte der Bundespräsident dem RND. "Wir wollen keine Feindschaft mit Russland oder dem russischen Volk. Aber Unrecht muss klar benannt werden", so Steinmeier. "Und hier ist ein Verbrechen verübt worden, dessen Verantwortliche nur in Russland zu finden sein werden". Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny war nach einem Flug innerhalb Russlands ins Koma gefallen und später auf Drängen seiner Familie zur Behandlung in die Berliner Charité verlegt worden. Die Bundesregierung sieht es als "zweifelsfrei" erwiesen an, dass Nawalny mit dem chemischen Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet wurde.

Grüne fordern Aktuelle Stunde wegen Nawalny und Nord Stream 2

Die Grünen fordern eine Aktuelle Stunde im Bundestag zum Fall Nawalny und zu Nord Stream 2. "Wir können jetzt nicht sagen: Wir gehen mal über diesen Fall hinweg und der Deutsche Bundestag hat sich nicht damit befasst", sagte Grünen-Fraktionschef Göring-Eckardt am Freitag in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. Nach Bekanntwerden der Vergiftung Nawalnys wird das Gaspipeline-Projekt mit Russland Nord Stream 2 wieder deutlich kritisiert. Göring-Eckardt wollte das Projekt allerdings auch vorher schon am liebsten stoppen. Nord Stream 2 sei auch deswegen "sinnlos", da es bei dem Projekt um fossile Energien gehe. "Wir brauchen die Energiewende hin zu den erneuerbaren Energien und nicht eine weitere Gaspipeline", sagte Göring-Eckardt. Jedoch betonte die Grünen-Politikerin auch, dass es wohl nicht einfach sei, Nord Stream 2 ohne Weiteres zu beenden. "Weil die Genehmigungen erteilt sind und man sich sehr genau überlegen muss, wie man eigentlich jetzt noch aus diesem Projekt aussteigen kann", sagte Göring-Eckardt zu RTL/ntv.

Sondersitzung des Bundestags-Kontrollgremiums zum Fall Nawalny

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages (PKGr), Armin Schuster (CDU), hat eine Sondersitzung des Gremiums zur Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny angekündigt. Sie werde aller Voraussicht nach am Montag stattfinden, teilte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" mit. "Uns interessieren die Umstände der Tat", sagte er - und die Frage, ob es sich um eine Geheimdienstoperation handele oder etwas anderes. "Das ist kein deutsch-russisches Problem, sondern ein internationales Problem", so der CDU-Politiker. "Deshalb erwarte ich mir vor allem Informationen von unseren Partnern." Schuster verglich den Fall Nawalny und ähnliche vorherige Fälle mit der Zeit von 1989. "Diese Methoden erinnern mich an das Ministerium für Staatssicherheit der DDR und den sowjetischen KGB", sagte er dem RND. Staatliche Mordaufträge gehörten zum Auftragsprofil "bestimmter Dienste" im Osten. "Man mag sich das nicht vorstellen: Aber wir sind da wieder angekommen."

Chodorkowski: Vergiftung Nawalnys ein Ablenkungsmanöver Putins

Der ehemalige Oligarch und Gründer der Open Russia Foundation, Michail Chodorkowski, hält den Anschlag auf den russischen Bürgerrechtler Alexei Nawalny für ein Ablenkungsmanöver des russischen Präsidenten Wladimir Putin, um den weißrussischen Machthaber Alexander Lukaschenko zu stützen. "Ich bin davon überzeugt, dass Putin persönlich seinem Mann fürs Grobe, Jewgenij Prigoschin, eine Operation parallel zu den Säuberungen in Minsk erlaubt hat. Mit dem Ziel der Ablenkung der russischen Gesellschaft und der Warnung an die Opposition wurde Alexej Nawalny am 20. August vergiftet", schreibt Chodorkowski in einem Gastbeitrag für den Focus. Der Anschlag auf Nawalny habe am "Vorabend der Aktionen in ganz Weißrussland vom 23. August" stattgefunden, "die sich für das Lukaschenko-Regime als fatal hätten erweisen können". Die Vorgänge in Weißrussland dienten der Abschreckung, Erpressung und Propaganda, schreibt Chodorkowski. Dem Westen wurde gezeigt, er solle sich nicht einmischen. Den Weißrussen und Russen solle klar gemacht werden, dass sie sich nicht einmischen sollen.

Merz für Baustopp von Nord Stream 2

Der Kandidat für den CDU-Vorsitz Friedrich Merz spricht sich nach der bestätigten Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexei Nawalny für ein Moratorium der Ostseepipeline Nord Stream 2 aus. "Ich war bisher für den Weiterbau der Pipeline, trotz einiger Bedenken", sagte Merz der "Bild" mit Blick auf Nord Stream 2. "Aber nach dem Giftanschlag auf Nawalny muss Europa jetzt reagieren: Ich schlage einen sofortigen 2-jährigen Baustopp, also ein Moratorium, vor", so der CDU-Politiker. Putin verstehe leider nur diese Sprache, sagte der ehemalige Unionsfraktionschef. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor darauf bestanden, das Pipeline-Projekt und den Fall Nawalny "entkoppelt" voneinander zu betrachten.

Regierungsberater: Nord Stream 2 nicht zwingend notwendig

Einer der einflussreichsten Energieökonomen Deutschlands hält die Gaspipeline Nord Stream 2 wirtschaftlich und mit Blick auf die Versorgungssicherheit nicht für zwingend notwendig. "Die Pipeline hat einen gewissen ökonomischen Nutzen, und europäische Unternehmen haben bereits mehrere Milliarden Euro in dieses Projekt investiert. Aus energiewirtschaftlicher Sicht ist Nord Stream 2 aber nicht von existenzieller Bedeutung für die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Gasversorgung in Deutschland oder Europa", sagte Marc Oliver Bettzüge der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Bettzüge leitet das renommierte Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln (EWI) und ist Mitglied im neuen Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung. Deutschland sei in den europäischen Binnenmarkt für Gas integriert, welcher über umfangreiche Importkapazitäten verfüge, sowohl in Form von Pipelines als auch von Flüssiggasterminals. "Das Projekt Nord Stream 2 stellt in diesem Zusammenhang eine relevante, aber keine entscheidende Ergänzung für die Energieversorgung in Deutschland dar", so der Forscher. Für Gaskunden in Deutschland und Europa habe die kurz vor der Fertigstellung stehenden aber höchst umstrittene Pipeline aber durchaus Vorteile: "Der mögliche Beschaffungsvorteil für die europäischen Gaskonsumenten bewegt sich laut dieser Rechnungen in der Größenordnung von etwa fünf Prozent", sagte Bettzüge unter Bezug auf Berechnungen seines Instituts. Jede zusätzliche Importkapazität erhöhe die Redundanz - und damit die Widerstandsfähigkeit - des importierenden Systems. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, in dessen Wahlkreis in Vorpommern Nord Stream 2 anlanden soll, zeigte sich nach der Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers Aleksei Nawalnyj offen für einen Baustopp bei dem Projekt. "Wir dürfen nicht zulassen, dass eine Vollendung von Nord Stream 2 von russischer Seite als Bestätigung des menschenverachtenden und völkerrechtsunfreundlichen Kurses von Wladimir Putin verstanden wird", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Und weiter: "Ganz im Gegenteil: Die aktuellen Geschehnisse erfordern eine klare Antwort Deutschlands und der Europäischen Union, wobei wir in unserer Abwägung aber nicht vergessen dürfen, dass hinter Nord Stream 2 auch berechtigte deutsche Interessen stehen." Dem entgegen hatte sich die im Landtag vertretenen Parteien und auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) vehement für eine Fertigstellung des Projekts eingesetzt, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich dafür ausgesprochen - sie hat den Wahlkreis neben Amthor. +++


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