Bundesländer verhängen Ausgangssperren und Versammlungsverbote

Videokonferenz der Länderchefs am Sonntag

Coronavirus

Mehrere Bundesländer haben am Freitag wegen der Coronavirus-Epidemie Ausgangssperren und Versammlungsverbote verhängt. Am strengsten sind die Maßnahmen in Bayern, wo man ab Samstag nur noch alleine oder mit der Familie nach draußen gehen darf. In Hessen und Rheinland-Pfalz werden Ansammlungen über fünf Personen verboten, in Baden-Württemberg über drei Personen. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans kündigte eine „Ausgangsbeschränkung“ an, die noch am Freitag in Kraft treten soll, weitere Details waren zunächst nicht bekannt. Alle benannten Bundesländer wollen die Gastronomie weitgehend schließen, nur noch zur Mitnahme darf Essen verkauft werden. Brandenburg will auf die Videokonferenz der Länderchefs mit der Bundeskanzlerin am Sonntag warten, in der über bundesweite Ausgangssperren beraten werden soll.

Staatsrechtler halten bundesweite Ausgangssperren für vertretbar

Nach Einschätzung von Staatsrechtlern sind massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der Corona-Pandemie rechtlich möglich. „Die Gefahr für Gesundheit und Leben vieler Menschen ist so groß, dass als letztes Mittel auch eine so tief in die persönliche Freiheit eingreifende Maßnahme wie eine längere allgemeine Ausgangssperre grundrechtskonform wäre“, sagte der Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Uni Speyer, Joachim Wieland, dem „Handelsblatt“. Die Rechtsgrundlage dafür finde sich im Infektionsschutzgesetz. Insbesondere wenn die Aufforderungen zur freiwilligen Einschränkung sozialer Kontakte erfolglos bleiben, wären solche Ausgangssperren verfassungsrechtlich vertretbar, so Wieland. Zugleich müsse es aber Ausnahmen von der Ausgangssperre aus „triftigen Gründen“ geben, wie die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und Medikamenten, Arztbesuche und ähnliche wichtige Zwecke. Der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza wies auf das Infektionsschutzgesetz sowie die Katastrophenschutzgesetze der Länder hin, die Grundrechtseinschränkungen „auf das nach den Umständen Notwendige“ zuließen. Das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit sei im Fall der Coronakrise durch ein „hier zweifellos vorhandenes legitimes Ziel, die Bekämpfung des Virus“ gewahrt, sagte Pestalozza dem „Handelsblatt“. Die „Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit“ der Ausgangssperre, um dieses Ziel zu erreichen, „liegt auf der Hand“, sagte er. Auch einen Bundeswehreinsatz zur Durchsetzung von Ausgangssperren halten die Staatsrechtler für gerechtfertigt. Da Corona als „Naturkatastrophe“ eingestuft werden könne, „kann in dessen Rahmen das betroffene Land auch Bundeswehrhilfe anfordern“, sagte Pestalozza. „Da Corona länderübergreifend wirkt, kann auch die Bundesregierung selbst die Bundespolizei und die Bundeswehr einsetzen.“

Lauterbach für bundesweite Ausgangssperre „aus Medizinersicht“

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat sich angesichts der Corona-Krise für eine bundesweite Ausgangssperre ausgesprochen. „Ich befürchte, wir kommen nicht um eine bundesweite Ausgangssperre herum“, sagte Lauterbach am Freitag der RTL/n-tv-Redaktion. Aus Medizinersicht spreche „mehr für eine Ausgangssperre als dagegen“, so der SPD-Politiker weiter. Jetzt solle bis Samstag gewartet werden. „Von dem was ich hier in den Großstädten gesehen habe, insbesondere auch in Köln, und von dem, was ich hier höre von Kolleginnen und Kollegen, glaube ich, das wäre das Beste. Weil jeder Tag, der uns verloren geht, ist ein Tag, den wir später wieder reinholen müssen, wo wir viel länger die Ausgangssperre oder die Maßnahmen, die wir jetzt ergriffen haben durchhalten müssen“, sagte Lauterbach. Er wolle da niemandem vorgreifen, sein Gefühl sei aber, dass man an der Ausgangssperre nicht vorbeikommen solle und könne. „Zurückblicken, oder was man hätte anders machen können, das bringt in der heutigen Zeit überhaupt nichts. Die Politik ist ziemlich nahe an dem, was die Wissenschaft empfiehlt“, so der SPD-Gesundheitsexperte weiter. Aus diesem Grund weigere er sich, da eine kritische Äußerung zu wagen. „Es ist auf jeden Fall so, dass wir nach vorne blicken müssen und das wir noch gute Möglichkeiten haben, zu einer drastischen Eindämmung zu kommen. Und das ist genau, was wir brauchen“, sagte Lauterbach. +++

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