Bischof von Fulda zum Weihnachtsfest 2020 in der Coronakrise

"Was wir erinnernd feiern, wird neu Wirklichkeit"

Bischof Dr. Michael Gerber.

Weihnachten – im christlichen Sinne verstanden – ist nach den Worten von Bischof Dr. Michael Gerber (Bistum Fulda) nicht einfach ein Erinnern an etwas, was vor 2000 Jahren geschah. „Erinnern in der Tradition des Judentums und des Christentums meint: Das, was wir erinnernd feiern, wird neu Wirklichkeit“, erklärte der Bischof in der Christmette an Heiligabend (24.12.) im Dom zu Fulda. Gerber sagte wörtlich: „Weihnachten bedeutet also: Gott ist mitten unter uns gegenwärtig.“ Deshalb sei es interessant, sich die Personen, die uns in der Weihnachtsgeschichte begegnen, näher anzuschauen und dabei die Frage zu stellen: „Wo spiegelt sich in ihrer Geschichte unsere Geschichte? Wo spiegeln sich in ihren Fragen unsere Fragen?“

„Irgendwie müssen wir es auf die Reihe bekommen – damals wie heute“

So verwies Bischof Gerber auf Maria und Josef – unterwegs von Nazareth nach Bethlehem: „Von außen betrachtet, ist ihr Weg eine einzige Überforderung. Die Frau ist hochschwanger.“ Und doch scheine diese Reise unausweichlich zu sein: „Irgendwie müssen sie das auf die Reihe bekommen: Die Schwangerschaft einerseits und den weiten Weg andererseits.“ Dieser Impuls („irgendwie muss ich es auf die Reihe bekommen“) habe – zum Beispiel mit Blick auf die Herausforderungen des Lebens und die Coronakrise – in den zurückliegenden Tagen, Wochen und Monaten auch viele Menschen im Jahr 2020 beschäftigt. Das sei die Botschaft des Evangeliums von der Heiligen Nacht: „Jesus will genau da gegenwärtig sein, wo Menschen nach menschlichem Ermessen völlig überfordert sind.“ Wer sich in diesen Tagen als überfordert erfahre, dürfe in die Weihnachtskrippe schauen und Blickkontakt mit Maria und Josef aufnehmen. Vielleicht gelinge mit ihnen ein Zwiegespräch.

Wichtige Arbeit – in der Hierarchie der Gesellschaft relativ weit unten

In Bethlehem angekommen, hatten Maria und Josef keine Herberge gefunden. Die Herbergsväter und -mütter werden in der Bibel zwar nicht erwähnt, tauchen aber in jedem Krippenspiel auf: „Dort kennen wir sie als kaltherzige Gestalten. Aber – wird das ihnen gerecht? Wen reinlassen ins Haus, wenn ohnehin schon alles überfüllt ist? Und – überhaupt, was schleppen die Fremden mir möglicherweise für Viren ins Haus?“ Vielleicht könnten nach Überzeugung des Bischofs – in der Spannung jener Herbergsleute damals – gerade an Weihnachten 2020 auch jene Spannungen entdeckt werden, die uns heute umtreiben. Schließlich seien nach der Geburt Jesu die Hirten zur Krippe gekommen: „In der Hierarchie der damaligen Gesellschaft standen sie relativ weit unten – im Widerspruch zur Bedeutung ihrer Arbeit.“ Denn durch die Arbeit mit den Schafen sorgten sie für Wolle und Fleisch – Produkte, welche die damalige Gesellschaft brauchte.

Gerber: „Netz der Aufmerksamkeit und des Verständnisses füreinander“

Im Frühjahr 2020 habe unsere Gesellschaft ähnliches erlebt: „Plötzlich, im ersten Lockdown, haben wir die Bedeutung mancher Berufe erkannt, die wir in der inneren Hierarchie unserer Berufe relativ weit unten ansiedeln.“ Dies könne ein Impuls sein – ausgehend von den Hirten, die Nachtwache hielten – aufmerksam wahrzunehmen: „Wer arbeitet jetzt, in diesen Tagen? Wie wichtig ist diese Arbeit, die oft niemand sieht, für unser Gemeinwohl, für unsere Gesellschaft?“ In seiner Predigt sagte der Bischof von Fulda wörtlich: „Wo wir in unserer Bewegung elementar eingeschränkt sind, da macht Gott sich neu auf den Weg zu uns Menschen. Wo wir auf Abstand miteinander leben müssen, knüpft er neu Verbindungen unter uns, ein Netz der Aufmerksamkeit, ein Netz des Verständnisses füreinander.“ +++

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