Berliner Landeswahlleiterin stellt Amt zur Verfügung

Staatsrechtler: Wahl in Berlin im Grundsatz beeinträchtigt

Die Berliner Landeswahlleiterin Petra Michaelis hat ihren Rücktritt angeboten. „Ich übernehme die Verantwortung im Rahmen meiner Funktion als Landeswahlleiterin für die Umstände der Wahldurchführung am 26.09.2021“, schreibt sie in einer Mitteilung am Mittwochnachmittag. „Ich bitte den Senat von Berlin, mich nach den Sitzungen des Landeswahlausschusses am 11. und 14. Oktober 2021 unverzüglich abzuberufen und einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu bestimmen“, so Michaelis.

In der Hauptstadt konnten Berliner noch nach der eigentlich geplanten Schließung der Wahllokale um 18 Uhr noch ihre Stimme abgeben, weil die Abläufe offenbar sehr langsam waren. Vielerorts fehlten genügend Wahlzettel, auch an Wahlhelfern soll es gemangelt haben. Manche Menschen warteten fast anderthalb Stunden in der Schlange. In einigen Wahllokalen wurde noch um 20 Uhr gewählt. Das Problem: Um 18 Uhr kamen schon die ersten Prognosen des Endergebnisses, wonach SPD und Grüne eng beieinander liegen. Das Bekanntwerden der Ergebnisse von Nachwahlbefragungen noch während des laufenden Wahl ist rechtlich heikel.

Staatsrechtler: Wahl in Berlin im Grundsatz beeinträchtigt

Christian Waldhoff, Professor für Öffentliches Recht und Finanzrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin, sieht den Grundsatz der Freiheit der Wahl durch das Chaos in Berliner Wahllokalen beeinträchtigt. „Es ist eine Beeinträchtigung, wenn ich das Wahllokal nur schwer erreiche oder stundenlang anstehen muss“, sagte er der „Welt“. „Wenn ich nach 18 Uhr noch abstimmen kann, beeinträchtigt das auch die Gleichheit der Wahl, weil der Großteil der Wähler mit weniger Informationen gewählt hat“, so Waldhoff. Der Staatsrechtler berichtete von seinem Einsatz als ehrenamtlicher Wahlhelfer. Zunächst seien nur zwei Wahlkabinen vorhanden gewesen, später seien die Stimmzettel für die Berliner Wahlen ausgegangen. „Angesichts der Kumulation von vier Abstimmungen in Berlin überrascht die Gedankenlosigkeit derjenigen, die diese Wahlen organisiert haben“, so Waldhoff weiter. Der Rechtswissenschaftler hält es aus demokratietheoretischer Sicht für unangemessen, dass am Wahltag in Berlin ein Marathon stattfinden durfte. „Der wichtigste Akt, an dem die Bürger an der politischen Willensbildung teilnehmen, darf nicht zum Opfer einer kommerziellen Sportveranstaltung werden.“ Waldhoff ergänzte: „Dass es in der Hauptstadt eines der entwickeltesten Länder der Welt nicht möglich ist, demokratische Wahlen angemessen zu organisieren, ist ein gravierendes Demokratieproblem. Der Rücktritt der Landeswahlleiterin ist aus politischen und moralischen Gründen die einzig richtige Konsequenz.“ +++