Bahn arbeitet intensiv daran Überstunden abzubauen

Fulda. Ist die Sicherheit bei der Bahn in Gefahr? Diese Frage stellte der heimische Bahnexperte Hubert Heil vor wenigen Tagen in einer Pressemitteilung. Lokführer hätten zum Teil bis zu 600 Überstunden und es sei gängige Praxis, dass Lokführer bis zu 30 Stunden auf dem Führerstand mit zwei bis drei Stunden Schlaf auf der Lok ihren Dienst ausführten. „Fahrdienstleiter wollten zum Beispiel über den sogenannten bahneigenen ‚C-Kanal’ den Befehl zur Weiterfahrt geben. Es war manchmal nicht möglich, sie mussten den Lokführer wecken oder er hatte keine deutsche Sprachkenntnis, um den Fahrbefehl aufzunehmen und weiterzufahren. Ich denke, es besteht für die Bundespolitik, für den Bahnvorstand und die Gewerkschaften absoluter Handlungsbedarf. Man kann nicht hinnehmen, dass zum Beispiel aufgrund von Stress und Überforderung die ICE-Lokführer in Wolfsburg und Fulda den Haltebahnhof vergessen und durchfahren“, so der Bahnexperte. Dazu erklärte die Bahn auf Anfrage von fuldainfo, das dies nicht zuträfe.

Auf die 600 Überstunden angesprochen, erklärte die Bahn: „In allen Bereichen arbeiten wir gemeinsam mit den Betriebsräten intensiv daran, die Überstunden, die sich über Jahre angesammelt haben, Schritt für Schritt weiter abzubauen, u. a. durch zusätzliches Personal. DB, Konzernbetriebsrat und EVG haben Ende 2013 vereinbart, die Mehrarbeit deutlich zu reduzieren. Die DB nimmt die Verabredung sehr ernst und arbeitet mit der Arbeitnehmervertretung an Lösungen, um Mehrarbeit abzubauen. Dazu werden in diesem Jahr rund 450 zusätzliche Mitarbeiter unbefristet oder vorübergehend beschäftigt. Ungeachtet der zu hohen Mehrleistungen von Mitarbeitern in einzelnen Bereichen, gibt es im Eisenbahnbetrieb regelmäßig außerplanmäßige Situationen (z. B. Unwetter, Hochwasser), die besondere Belastungen nach sich ziehen.

Um den Personalnotstand zu beseitigen, qualifiziert die Bahn neben der klassischen dualen Berufsausbildung seit mehreren Jahrzehnten geeignete Bewerber auch über die Funktionsausbildung weiter, beispielsweise zu Triebfahrzeugführern (Tf) und Fahrdienstleitern (FdL)“, so die Bahn. „Menschen aus eisenbahnfernen Berufen erweitern mit der Funktionsausbildung ihr Einsatzspektrum und ihre Karrieremöglichkeiten. Dazu arbeitet DB Training eng mit der Bundesagentur für Arbeit, den regionalen Jobcentern, dem Rentenversicherungsträger sowie dem Berufsförderungsdienst der Bundeswehr zusammen. Die DB bildet heute in 50 verschiedenen Ausbildungsberufen aus. Die duale Berufsausbildung richtet sich an Menschen ohne Berufserfahrung, die in der Regel nach der Schulzeit versuchen, im Arbeitsleben Fuß zu fassen. Demgegenüber haben die Teilnehmer einer Funktionsausbildung vorher eine erste oder zweite Berufsausbildung absolviert. Berufserfahrene Quereinsteiger verfügen damit über notwendige überfachliche Berufsqualifikationen, wie sie auch bei der Funktionsausbildung zum Tf und FdL gefordert sind. Deshalb besuchen sie auch nicht im gleichen Umfang eine Berufsschule wie Auszubildende. Die fachliche Qualifizierung wiederum ist für beide Gruppen gleich. Die Funktionsausbildung ist zwar eine zeitlich verkürzte Qualifizierung speziell für Quereinsteiger (früher auch als Verwendungsfortbildung bezeichnet); sie dauert bis zu zehn Monate. Die Teilnehmer absolvieren allerdings die gleichen Unterrichtseinheiten wie Azubis. Auch Prüfungsthemen und -inhalte sind identisch.

Die Funktionsausbildung wird als berufsanschlussfähige Teilqualifikation anerkannt, was den Teilnehmern den späteren Erwerb des Berufsabschlusses bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) ermöglicht. Quereinsteiger zum Tf können sich damit zum ‚Eisenbahner im Betriebsdienst Fachrichtung Lokführer und Transport’ (EIB) prüfen lassen. Demgegenüber ist die Funktionsausbildung vor allem auf die Funktion ‚Triebfahrzeugführer‘ ausgerichtet und endet mit der Prüfung zum Triebfahrzeugführerschein und einer Zusatzbescheinigung. Der Berufsabschluss des EIB reicht darüber hinaus. EIB arbeiten beispielsweise auch im Fahrplanbüro, in der Disposition oder als Sachbearbeiter. Mit der Funktionsausbildung zum Tf bei der DB erwerben die Teilnehmer einen international anerkannten Lokführerschein. Voraussetzung dazu ist eine möglichst in einem technischen Beruf abgeschlossene Berufsausbildung. Quereinsteiger mit diesem Berufsziel sind außerdem mindestens 21 Jahre alt und verfügen über die entsprechende körperliche Tauglichkeit sowie psychologische Eignung. Vermittelt werden fachliche Grundlagen zum Bahnbetrieb und den Betriebsregeln, Kenntnisse zum Rangieren von Zügen sowie weitere Themen wie Stressbewältigung und Konfliktvermeidung. Ein weiterer Bestandteil ist die Baureihenausbildung. Die Funktionsausbildung zum Tf schließt mit einer schriftlichen, mündlichen und fahrpraktischen Prüfung zum Eisenbahnfahrzeugführer Klasse 3 ab. Allein auf dieser Grundlage ist der Einstieg bei der DB und anderen Verkehrsunternehmen möglich.“

„Man könne nicht hinnehmen, dass zum Beispiel aufgrund von Stress und Überforderung die ICE-Lokführer in Wolfsburg und Fulda den Haltebahnhof vergessen und durchfahren“, so der Bahnexperte Heil. Dazu erklärte uns die Bahn, dass die wesentliche Ursache der beiden ausgefallenen Halte in Wolfsburg, „die wir wegen der damit verbundenen Unannehmlichkeiten für unsere Fahrgäste sehr bedauern“, in den damals laufenden Bauarbeiten auf dem Ost-West-Korridor von Berlin über Hannover bis Köln gelegen habe. Die kontinuierliche Verlagerung und Weiterentwicklung der Bauarbeiten machten einen ständigen Wechsel des Betriebskonzepts für die durchfahrenden Züge notwendig. Das Betriebskonzept sei dabei in 99,9 Prozent aller Fälle problemlos umgesetzt worden. Lediglich bei den zwei in Rede stehenden Fahrten habe es eine Verkettung unglücklicher Umstände gegeben, die zu den ausgefallenen Halten in Wolfsburg führten. „Im ersten Fall am 21.6.2011 war das verspätete Eintreffen eines ICE-Teils in Hamm verzeichnet worden, wo planmäßig die jeweiligen Zugteile aus Köln bzw. Düsseldorf zusammengekoppelt werden und ihre Fahrt über Wolfsburg nach Berlin fortsetzen. Der zuerst eingetroffene Zugteil fuhr dann aufgrund der Verspätung des zweiten Zugteils allein von Hamm über Wolfsburg nach Berlin weiter. Für den nachfolgenden Zugteil war aufgrund eisenbahnbetrieblicher Richtlinien die kurzfristige Erstellung eines eigenen Fahrplans notwendig. Dabei wurde dem Lokführer versehentlich eine Fahrplanvariante ohne Halt in Wolfsburg übermittelt. Die Durchfahrt des ICE am 18. Juli ist dagegen auf einen Fehler des Triebfahrzeugführers zurückzuführen. Die beiden aus Hamm kommenden Zugteile mussten hier aufgrund technischer Probleme in Hannover getrennt werden. Wie bereits erwähnt, sind wegen der Bauarbeiten auf dem Ost-West-Korridor derzeit wechselnde Betriebskonzepte notwendig. Der Triebfahrzeugführer des vorausfahrenden Zugteils hatte bedauerlicherweise einen erst im August 2011 geltenden Fahrplan genutzt, in dem für den ICE 551 kein Halt in Wolfsburg vorgesehen war. Der Haltausfall am 18. Oktober in Kassel-Wilhelmshöhe hatte seine Ursache in einem technischer Mangel der elektronischen Fahrplananzeige im Führerraum beim Triebfahrzeugführer. Dadurch konnte der Halt nicht erkannt werden. Wir haben selbstverständlich bereits Konsequenzen aus den Fehlern – die bei täglich mehreren zehntausend Zughalten allein im Fernverkehr tatsächlich eine absolute Seltenheit darstellen – gezogen und alle Beteiligten dazu angehalten, die Prozesse weiter zu optimieren und die Erstellung sowie Wahl des richtigen Fahrplans durch nochmalige Prüfung sicherzustellen.“ +++ fuldainfo

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