Baerbock: Deutschland fährt Botschaftspersonal in Kiew nicht zurück

Trittin erwartet Ende russischer Gasimporte spätestens 2035

Deutschland wird sein Botschaftspersonal in Kiew derzeit nicht zurückfahren. „Natürlich überprüfen wir kontinuierlich die Sicherheitslage an unterschiedlichen Orten dieser Welt – auch in der Ukraine“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und der französischen Zeitung Ouest-France. „Ebenso wie unsere EU-Partner haben wir derzeit entschieden, das Botschaftspersonal in Kiew nicht zu reduzieren.“ Gerade jetzt sei es wichtig, die Ukraine nicht zu destabilisieren, so Baerbock. „Wenn wirtschaftliche Akteure das Gefühl haben, die Lage in der Ukraine sei insgesamt unsicher oder instabil, wird die Bereitschaft zu Investitionen sinken. Genau das würde Putin in die Karten spielen“, so die Ministerin. „Deshalb war meine Botschaft in Kiew: Wir wollen die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Ukraine ausbauen. Beispielweise durch Energie-Partnerschaften, etwa im Bereich des grünen Wasserstoffs.“ Sollten Familienangehörige von Botschaftsmitarbeitern freiwillig ausreisen wollen, könnten sie dies auf Kosten des Auswärtigen Amtes tun.

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Angesichts des sich zuspitzenden Ukraine-Konflikts hat der Linken-Politiker Klaus Ernst einen Neutralitätsstatus für die Ukraine gefordert. „Um die Lage kurzfristig zu entschärfen, muss der Westen Russland zusichern, dass die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wird“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Es wäre das Beste, die Ukraine bekäme einen Status wie Finnland, also einen Neutralitätsstatus“, fuhr Ernst fort. Es diene dem Frieden, wenn die Großmächte sich nicht direkt an Grenzen gegenüberstehen. „Russland will seine Grenzen sichern und keine NATO-Truppen vor seiner Haustür haben“, sagte der Linken-Politiker. Dafür müsse man im Westen Verständnis aufbringen. Es sei das Recht eines jeden Landes, um Aufnahme in die NATO zu bitten, aber es sei nicht die Pflicht der NATO, jedes Land aufzunehmen, so Ernst, der von 2010 bis 2012 Parteivorsitzender der Linken war und jetzt im Bundestag den Ausschuss für Klimaschutz und E  nergie leitet. Nach seien Worten ist nicht nur der Aufmarsch russischer Truppen gefährlich, sondern auch die Situation in den selbsternannten russischen Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk. „Die Ukraine hat jetzt Kampfdrohnen von der Türkei gekauft, und könnte sich nun ermutigt fühlen, diese in den umstrittenen Gebieten entgegen des Minsker Abkommens auch einzusetzen“, sagte Ernst. Das wolle Russland, mit dem Argument, dass diese Gebiete mehrheitlich von Russen bewohnt seien, nicht hinnehmen. „Der Konflikt darf nicht eskalieren und muss unter Rücksichtnahme aller Interessen diplomatisch gelöst werden.“

Trittin erwartet Ende russischer Gasimporte spätestens 2035

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin geht davon aus, dass Deutschland ab spätestens 2035 kein Gas mehr aus Russland beziehen wird. „Wenn ich mir die Vorgaben selbst in der umstrittenen EU-Taxonomie anschaue, werden wir spätestens 2035 kein Gas mehr aus Russland beziehen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Freitagausgabe). Die in der Taxonomie festgelegten Regeln würden vorschreiben, dass ein Kraftwerk ab 2035 über seine gesamte Lebensdauer nicht mehr als 100 Gramm CO2 pro Kilowattstunde ausstoßen dürfe. „Anders gesagt, ein Kraftwerk müsste über die Dauer seiner Abschreibung zu gut Dreiviertel mit Wasserstoff betrieben werden. Sonst kommt man nicht auf die CO2-Vorgabe. Das hat die EU-Kommission festgelegt.“ Man teile das ausdrücklich. „Das mit Gas finanzierte russische System hat ein Verfallsdatum“, so Trittin. Allerdings hält der Grünen-Politiker eine kurzfristigen Verzicht Deutschlands auf russisches Gas für nur schwer umsetzbar. „Von heute auf morgen die deutschen Gasimporte aus Russland zu ersetzten, wird keine kleine Nummer. Es wird gelingen, aber zu einem hohen Preis. Hier ist leider viel Zeit verloren gegangen“, sagte der Außenpolitiker. Aufgrund der hohen Preise komme auf den Weltmärkten aktuell langsam wieder Fracking-Gas ins Geschäft. „Wegen der anziehenden Konjunktur vor allem in den asiatischen Staaten können deren langfristige Lieferverträge mit Katar den Bedarf nicht mehr decken. Deswegen sind die kurzfristigen Spotmärkte leergekauft.“ Die Europäer hätten kaum mehr langfristige Lieferverträge und müssten nun selbst für die Grundversorgung über die teuren Spotmarkt-Preise bezahlen. „Die Russen könnten dieses Treiben in Ruhe abwarten“, warnte Trittin. +++