Azubis weiter gefragt

Arbeitsagentur geht trotz Corona-Thematik von Stellenüberhang aus

Waldemar Dombrowski, Leiter der Agentur für Arbeit Bad Hersfeld-Fuld

Trotz eines Rückgangs bei den gemeldeten Ausbildungsstellen bleibt die Schere auf dem Ausbildungsmarkt weiter offen. Zur Halbzeit des Berufsberatungsjahres sind in der Region Fulda 2.317 Ausbildungsstellen zur Besetzung im Sommer gemeldet, was einem Rückgang um 214 (-8,5 Prozent) entspricht. Zugleich hat die Berufsberatung der Agentur für Arbeit Fulda 1.085 Bewerberinnen und Bewerber registriert, wobei der Rückgang mit 1,0 Prozent moderat ausfiel. Somit kommen rechnerisch 214 Lehrstellen auf 100 Bewerber. In Hessen liegt ist diese Relation bei 1:1.

In nahezu jedem Bereich übersteigt die Anzahl der Ausbildungsstellen die der Bewerberinnen und Bewerber. Gesucht werden unter anderem Auszubildende in unterschiedlichen kaufmännischen Berufen, Elektroniker/innen Energie- und Gebäudetechnik sowie Berufskraftfahrer/innen und junge Menschen, die sich für eine Ausbildung zum Koch bzw. Köchin interessieren. Auch seltenere Berufe wie Glaser oder Konditor finden sich in der Liste der offenen Lehrstellen wieder, ebenso eine große Anzahl von Dualen Studiengängen. „Die uns vorliegenden Zahlen wurden am Stichtag 12. März erhoben und bilden noch keine durch die Corona-Pandemie verursachten Effekte ab. Trotz der Unwägbarkeiten rechnen wir jedoch mit einem weiterhin deutlichen Überhang an Ausbildungsstellen“, erklärte Waldemar Dombrowski, Leiter der Agentur für Arbeit Bad Hersfeld-Fulda, im Rahmen einer Telefonkonferenz, bei der sich die Arbeitsagentur mit Vertretern der Netzwerkpartner zur Halbzeitbilanz auf dem Ausbildungsmarkt austauschten. Teilnehmer waren die Industrie- und Handelskammer, die Kreishandwerkerschaft, das Staatliche Schulamt sowie der Landkreis Fulda mit dem Kreisjobcenter und der Arbeitgeberverband.

Zwar haben die Betriebe und Unternehmen der Region bisher keine Ausbildungsstellen aufgrund der Pandemie-Thematik storniert, doch gilt es jetzt vor allem, die jungen Menschen, die sich bereits in einer Ausbildung befinden, in den Betrieben zu halten. Durch geänderte Regelungen können Unternehmen und Betriebe nun auch für ihre Auszubildenden – nach sechs Wochen Lohnfortzahlung – Kurzarbeitergeld erhalten, insbesondere wenn das Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb vorübergehend einstellen muss. Um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, unterstützt der Landkreis im Rahmen des Landesprogrammes QUABB Auszubildende und Betriebe auch während der Coronakrise per Mail oder Telefon, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Wenn es im Betrieb nicht so läuft, wie es sollte oder wenn persönliche Probleme zu groß werden, sind die Ansprechpartnerinnen des Landkreises Fulda unter uta.doerr@fulda.de, elena.ziegler@fulda.de und nicole.gies@fulda.de zu erreichen. Agenturchef Dombrowski empfiehlt allen Arbeitgebern, in der aktuellen Krise an die Besetzung ihrer Ausbildungsstellen im Sommer zu denken. Selbstverständlich laufen die Bemühungen der Berufsberatung um Bewerberinnen und Bewerber weiter. „Obwohl persönliche Gespräche derzeit weder in der Schule noch in der Arbeitsagentur stattfinden können, haben wir in den vergangenen Wochen zahlreiche neue Bewerberinnen und Bewerber aufnehmen und telefonisch beraten können“, freut sich Ottokar Schwerd, Teamleiter der Berufsberatung.

Gabriele Leipold: Wir sind zuversichtlich

Gabriele Leipold„Die Corona-Krise mit all ihren Auswirkungen hat auch das Handwerk fest im Griff. Doch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Konsequenzen für die Betriebe dürfen wir die möglichen Folgen für den Ausbildungsmarkt nicht vergessen. Das Handwerk gewinnt seinen Fachkräftenachwuchs vorwiegend aus der eigenen Ausbildung in rund 130 dualen Ausbildungsberufen. Ausbildungsbetriebe leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Nachwuchssicherung, sie übernehmen gesellschaftliche Verantwortung. Junge Menschen auszubilden und in das Arbeitsleben zu begleiten, ihnen berufliche Perspektiven zu eröffnen, ist in schwierigen Zeiten, wie wir sie gerade erleben, von besonderer Bedeutung. Eine besondere Herausforderung ist derzeit, dass seit Mitte März eigentlich alle bewährten Angebote und Maßnahmen, die junge Menschen an eine handwerkliche Ausbildung heranführen sollen, ausgesetzt wurden. Berufsorientierungstage und Betriebspraktika sind bis auf weiteres nicht möglich. Die trend-messe 2020 mit den lebenden Werkstätten in Halle 7 ist ausgefallen. Für Schüler sind diese Veranstaltungen und Angebote oft die einzige Gelegenheit, ins Handwerk hinein zu schnuppern und die Vielzahl der Ausbildungsberufe kennenzulernen. Wir werden uns daher überlegen, wie wir alternative Angebote bieten können. Eine wichtige Entscheidung haben wir bereits getroffen: Unsere Ausbildungsbroschüre mit wichtigen Informationen rund um das Thema „Ausbildung im Handwerk“ sowie den aktuellen Ausbildungsplatzangeboten wird in digitaler Form herausgegeben. In der Ausgabe, die Anfang Mai erscheinen soll, werden wir die Vielfalt der handwerklichen Ausbildungsberufe aufzeigen und Ausbildungsbetrieben die Möglichkeit geben, sich vorzustellen. Auch unsere Ausbildungsbotschafter werden zu Wort kommen. Wir sind zuversichtlich und werden alles tun, damit sich die Corona-Krise nicht zu einer Ausbildungs-Krise im Handwerk entwickelt. Ich bin überzeugt, gemeinsam werden wir das schaffen“, erklärte Gabriele Leipold, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Fulda.

Konow: Wirbestärken wir die heimische Wirtschaft

Michael KonowMichael Konow, Hauptgeschäftsführer der IHK Fulda erläuterte: „Die Ausbildungsbetriebe haben ihre Planungen für den Start in das Ausbildungsjahr 2020/2021 überwiegend nach der Beendigung der Sommerferien im zurückliegenden Jahr abgeschlossen. Die Einstellungsverfahren wurden dann in der Folge gestartet und führten bereits nach den Herbstferien im Jahr 2019 zu ersten Vertragsabschlüssen. Auf der Basis dieser Planungen der Ausbildungsbetriebe hier im Wirtschaftsraum Osthessen können wir aktuell 381 Ausbildungsverträge zählen, die uns zur Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse vorgelegt wurden. Auch wenn so früh im Jahr dann noch keine belastbare Auskunft zum Endergebnis in diesem Jahr erteilt werden kann, liegen wir mit dieser Zahl dennoch leicht über dem Wert des Vorjahres. Als Industrie- und Handelskammer bestärken wir die heimische Wirtschaff weiterhin darin, an ihren Planungen zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses festzuhalten. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass die Corona-Pandemie die Anzahl der Schulabgänger/innen oder der Mitarbeiter/innen die aus Altersgründen aus den Betrieben hier in Osthessen ausscheiden, nicht nachhaltig verändern wird. Der Wettbewerb der Ausbildungsbetriebe um die Gunst der Schulabgänger/innen bleibt mit etwa zwei verfügbaren Ausbildungsplätzen für eine/n Schulabgänger/in (Stand 2019, Quelle Agentur für Arbeit) damit auch rein statistisch für dieses Jahr und wahrscheinlich auch die nahe Zukunft bestehen. Mit Blick auf die Ausbildung hier im Landkreis generell müssen wir allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass sich die Ausbildungsbetriebe in Industrie, Dienstleistung und Handel in diesen Wochen mit nicht wenigen Fragen konfrontiert sehen. Nach vorne schauend können wir aktuell daher nur wenige Worte zu einem denkbaren Endergebnis für das Jahr 2020 formulieren – dazu ist es einfach noch zu früh. Dieses Endergebnis wird dann im November aber sicherlich auch die weitere Entwicklung der viralen Situation in unserem Land in den nächsten Wochen spiegeln.“ +++