Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs – Vor uns liegen sehr große Aufgaben

Während der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda gab es ein Pressegespräch zum Thema „Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs: Zur weiteren Arbeit des Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes“ stattgefunden. Im Gespräch zog Bischof Dr. Stephan Ackermann eine Bilanz seiner zwölfjährigen Tätigkeit. In seiner Nachfolge in der Aufgabe des Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes hat die Vollversammlung Bischof Dr. Helmut Dieser (Aachen) zum Vorsitzenden der bischöflichen Fachgruppe für Fragen des sexuellen Missbrauchs und von Gewalterfahrungen gewählt. Sein Stellvertreter ist Erzbischof Stephan Burger (Freiburg).

Dieser: Vor uns liegen sehr große Aufgaben

Wie Bischof Dr. Helmut Dieser sagte, „Mir ist klar: Vor uns liegen sehr große Aufgaben.“ Alleine können wir Kirchenverantwortliche diese Aufgabe nicht bewältigen. Der Handlungsbedarf der katholischen Kirche beim Thema sexueller Missbrauch und Gewalt ist nach wie vor groß. Vieles wurde erreicht oder ist in Arbeit, aber es bleibt auch noch viel zu tun. Mit steigender Achtsamkeit nicht nur auf Formen sexualisierter Gewalt weiten sich die Fragestellungen aus. Daher ist es konsequent und richtig, dass die Nachfolge von Bischof Ackermann nun in einer breiteren bischöflichen Zuständigkeit erfolgt. Ich danke Bischof Stephan Ackermann sehr für die Arbeit der vergangenen zwölf Jahre. Mit der Nachfolge übernehmen wir – Stephan Burger und ich – das Themenfeld sexuellen Missbrauchs und Erfahrungen von Gewalt und werden für die Neustrukturierung Sorge tragen, damit wir Bischöfe die Verantwortung übernehmen können für das, was Menschen widerfahren ist. Es geht darum, für die veränderten Anforderungen und Erwartungshaltungen sowie die gewachsene Sensibilität bei Fragen jedweder Form des Missbrauchs und für hinzugekommene Aufgaben eine adäquate Struktur zu entwickeln. Ziel ist die Verstetigung, Neuordnung und Bündelung der Aufgaben und Maßnahmen im Bereich sexuellen Missbrauchs und Erfahrungen von Gewalt. Über das unabhängige Expertengremium wollen wir externe Kompetenzen einbinden, relevanten Akteuren Partizipation an der Qualitätssicherung ermöglichen und die Betroffenenbeteiligung noch stärker institutionell verankern. Hier liegen auch zentrale künftige Aufgaben wie die Etablierung eines transparenten und regelmäßigen Berichtswesens und die Einhaltung von staatlichen und kirchlichen Richtlinien und Maßgaben. Dass der Betroffenenbeirat als Gremium weiter bestehen bleibt, bedeutet, dass die Einbeziehung und Partizipation Betroffener künftig auf mehreren Ebenen erfolgt.

Ackermann: Die Aufgabe als Beauftragter hat mich persönlich verändert

Es ist auch nicht an mir, die Arbeit der letzten zwölf Jahre zu bewerten. Das müssen und werden andere tun, so Bischof Dr. Stephan Ackermann. „In diesen zwölf Jahren, und das möchte ich doch nennen, sind uns wichtige Schritte gelungen. Ich denke dabei an die MHG-Studie („Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“), das neue System der Anerkennungszahlungen und die gemeinsame Vereinbarung mit dem UBSKM. Auf all diesen Elementen baut unsere Arbeit heute auf. Ich möchte an dieser Stelle all denjenigen danken, die bereit waren, mich – und das heißt letztlich die Bischofskonferenz – zu beraten, mit uns zu kooperieren und uns in der Aufarbeitung und in der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs zu unterstützen. Ich denke dabei ausdrücklich auch an alle Experten aus dem außerkirchlichen Bereich. Diese Expertise ist eine große Hilfe. Wir werden sie auch weiterhin brauchen“, so Ackermann.

Die Aufgabe als Beauftragter hat mich persönlich verändert, erläuterte Ackermann weiter. Sie hat vor allem auch meinen Blick auf die Kirche verändert: auf Strukturen in ihr und auf eine innerkirchliche Kultur bzw. Unkultur des Wegschauens und des Selbstschutzes, die bis heute noch nicht überwunden ist. Die Aufgabe als Beauftragter hat mich sensibler werden lassen für Formen der Machtausübung und für die Frage, wo und wie Menschen Opfer kirchlichen Handelns werden. In meiner Aufgabe als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs war ich nicht „Opferbeauftragter“ im engen Sinn, sondern Vermittler zwischen den Betroffenen und der Kirche, zwischen der Kirche und der Politik bzw. Gesellschaft. So habe ich meine Rolle immer auch verstanden.

Darin lag zugleich der Spagat dieser Rolle: Einerseits war es meine Verpflichtung, den Betroffenen und ihren Anliegen empathisch zu begegnen und mich für sie einzusetzen, andererseits agiere ich selbst in und für die Institution, in der der Missbrauch geschehen und die Gegenstand der Kritik ist. Wenn ich nun die Aufgabe des Beauftragten abgebe, so wird mich das Thema selbstverständlich weiter beschäftigen. Das liegt schon in meiner Verantwortung als Diözesanbischof. Aufgrund meiner Mitgliedschaft im Vorstand des Trägervereins des Instituts für Prävention und Aufarbeitung (IPA) werde ich mich auch darüber hinaus weiter in der Bekämpfung von sexualisierter Gewalt engagieren. Die Aufarbeitung und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs ist und bleibt für alle Beteiligten ein ebenso wichtiger wie schmerzlicher Lernweg. Ich bin aber überzeugt, dass er zu einer größeren Gerechtigkeit für die Betroffenen und zu einer tieferen Wahrhaftigkeit der Kirche führt und damit zu ihrer Erneuerung beiträgt. +++