Algermissen hielt traditionellen Neujahrsempfang in Fulda ab

Fulda. Papst Franziskus beeindrucke die Menschen und rege eindringlich zum Nachdenken an, betonte der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen am Freitag, 1. Januar, beim traditionellen Neujahrsempfang der Diözese im Fuldaer Priesterseminar. „Er lenkt unseren Blick auf Menschen, die in Gefahr stehen, in den Herausforderungen des Alltags unterzugehen, und auf Themen, die im oberflächlichen Blick den Anschein erwecken, sie hätten relativ wenig mit uns und unserem Leben zu tun: Armut, Hunger, Migration, Krieg, Vertreibung und Naturkatastrophen.“

Der Bischof gab zu bedenken, dass diese Probleme auch vor unserer eigenen Tür stünden und eine große Herausforderung bildeten, auf die manche mit Unsicherheit und Angst reagierten. „Wir müssen die Unsicherheit und Angst der Menschen ernstnehmen und teilen“, so Algermissen. Jeder trage laut dem Papst durch sein eigenes Verhalten Verantwortung an der heutigen Situation mit, da alles in der Welt miteinander verbunden sei. In diesem Zusammenhang kritisiere der Papst „Gleichgültigkeit und Weltlichkeit“, die auch in der Kirche spürbar seien und „die Seelen verformen“. Bischof Algermissen brachte seine Überzeugung zum Ausdruck, dass es in Kirche und Gesellschaft einer tiefgreifenden geistigen und geistlichen Reform bedürfe.

Gläubiger Moslem erinnert deutsche Gesellschaft an das Gebet

Der Bischof kam wie in seiner Silvesterpredigt auf die Rede des Schriftstellers Navid Kermani in der Frankfurter Paulskirche zu sprechen, in der Algermissen „ein erschütterndes Zeugnis für den Dialog der Kulturen und Religionen und eine scharfsinnige Analyse über die kulturprägende Kraft der Religion“ sah. Am Ende der Rede stand Kermanis Bitte, nicht zu applaudieren, sondern aufzustehen und still für einen ihm bekannten katholischen Priester und seine Gemeinde zu beten, die von islamischen Terroristen in Syrien entführt wurden. „Da steht doch tatsächlich ein gläubiger Moslem am Rednerpult und betet still in sich gekehrt. Die versammelte ehrenwerte deutsche Gesellschaft, das Bildungsbürgertum, war höchst irritiert und erhob sich nur zögerlich von den Plätzen. Fast verschämt und nur nebenbei zeigten die Fernsehnachrichten, die sonst Nebensächliches minutenlang hochinszenieren können, diese berührende Handlung.“ Für den Bischof war dies ein entlarvendes Bild: „Wie weit haben wir die Religion bereits aus der Öffentlichkeit vertrieben? Haben die Menschen in dieser Gesellschaft die Sensibilität dafür verloren, dass Gebete die expressivste Möglichkeit sind, die menschliche Existenz in Worte zu fassen?“ Ein Volk ohne Gott gleiche laut dem Oberhirten einer „Fassade ohne Kern“, und er befürchte, dass Menschen ohne tragenden Halt und Orientierung besonders heftig auf alles Fremde reagierten, wie sich bei Anschlägen auf Asylantenheime zeige. Dem müssten Christen die tragende Zuversicht entgegenstellen, dass Gott in das menschliche Leben mit all seinem Auf und Ab komme.

Zum Schluss dankte Bischof Algermissen allen, denen der christliche Glaube „Antrieb und Verpflichtung zu gesellschaftlichem Engagement und politischem Handeln zum Wohle der Menschen“ sei, so den Haupt- und Ehrenamtlichen in Pfarrgemeinden, Verbänden und Organisationen wie Caritas und den Maltesern sowie der Diözesanverwaltung, insbesondere seinem Generalvikar Prof. Dr. Gerhard Stanke, für ihren treuen Dienst im vergangenen Jahr.

Einsatz für Flüchtlinge gewürdigt

Generalvikar Prof. Stanke hatte eingangs die Gäste aus Kirche, Politik und öffentlichem Leben im Namen des Bistums willkommen geheißen und an das große Engagement des Caritasverbandes für Flüchtlinge in allen Regionen der Diözese erinnert. „Es ist ein Zeugnis für die Kraft des Evangeliums und ein Zeichen gegen die Gleichgültigkeit, die Papst Franziskus in seiner diesjährigen Friedensbotschaft kritisiert hat.“ Der Generalvikar zeigte sich stolz darauf, „dass unser Volk sich dieser großen Herausforderung gestellt hat“.

Ausrichtung der Seelsorge und demographischer Wandel

Stanke ging auch auf den Bistumsprozess 2030 ein, der sich mit der künftigen Ausrichtung der Seelsorge in der Diözese befasst. Bei der Formulierung der strategischen Ziele haben wir vor allem auch die Menschen im Blick, die eine sporadische oder eine distanzierte Verbindung zur Kirche haben oder die mit dem Evangelium noch gar nicht in Kontakt gekommen sind“, unterstrich der Generalvikar. Die großen Aufgaben der Zukunft seien nur zu realisieren, wenn alle Getauften und Gefirmten ihre Berufung als Zeugen des Evangeliums wahrnähmen. Sodann wies er darauf hin, dass aufgrund des demographischen Wandels in den kommenden Jahren die Einnahmen der Kirche zurückgehen würden. Zudem werde der Prozess der Bildung neuer größerer Pfarreien weitergehen. Das kirchliche Leben vor Ort müsse durch das Engagement der Gläubigen lebendig bleiben.

Christen herausgefordert, sich öffentlich zu ihrem Glauben zu bekennen

Nachdenklich stimmte die Feststellung Stankes, dass die Zahl der Menschen in Deutschland, die keiner Religion angehörten, auf ca. 37 Prozent gewachsen sei. Die in unser Land kommenden Flüchtlinge brächten ihre Religionszugehörigkeit mit und zeigten diese auch deutlich in der Öffentlichkeit. „In unserem Land hat sich in den letzten Jahrzehnten die Tendenz verstärkt, die Religion in den Privatbereich abzudrängen“, so der Generalvikar. Durch Menschen anderer Religionen, die öffentlich zeigten, dass ihr Glaube auch ihr Verhalten in der Öffentlichkeit bestimme, werde deutlich, dass Religion ein Faktor in der Gesellschaft sei, ob man das wahrhaben wolle oder nicht. „Das fordert uns Christen heraus, uns auch in der Öffentlichkeit zu unserem Glauben zu bekennen.“ Eine religionsfreie Gesellschaft sei keineswegs toleranter als eine religiöse, wie immer wieder behauptet werde; dies zeige sich an den beiden schrecklichen Diktaturen des 20. Jahrhunderts, denen viele Millionen Menschen zum Opfer gefallen seien und die den Glauben an Gott ausdrücklich bekämpft hätten. Religion und Vernunft hätten, wie der spätere Papst Benedikt XVI. geschrieben habe, füreinander eine kritische Funktion. Aus der Sicht des Glaubens sei auch eindeutig: „Gewalt kann nie mit Berufung auf Gott gerechtfertigt werden.“ Habsucht und Herrschsucht als Triebfedern für zerstörerisches Handeln würden von Jesus im Evangelium am deutlichsten kritisiert. „Jesus formuliert ein Gegenprogramm: das Dienen und das Teilen“, betonte Stanke. „Für das Christentum ist die Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe charakteristisch und untrennbar – wer die Nächstenliebe nicht als notwendige Konsequenz der Gottesliebe sieht, verrät die Weihnachtsbotschaft.“

Gemeinsame Aufgabe für Kirche und Kommune

Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld (CDU) sprach, auch im Namen von Landrat Bernd Woide, erstmals in seiner neuen Funktion für Landkreis und Stadt Fulda der Kirche seine besten Neujahrswünsche aus und hob in seiner Ansprache hervor, dass das weltweite Problem des Terrors und der daraus resultierenden Flüchtlingsbewegungen konkrete Anforderungen an die deutsche Gesellschaft und hier besonders die Christen richte. „Wir brauchen eine Neubesinnung auf das Wesentliche“, so Wingenfeld, der mahnte, dass die Menschen in der Wohlstandsgesellschaft sich zu sehr an die Erhöhung ihrer Lebensqualität gewöhnt hätten. Seit letztem Sommer gehe es erstmals seit den 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts um wirklich grundlegende Probleme – die Daseinsfürsorge für Menschen in Not. Die Hilfsbereitschaft vieler Menschen in Kirche und Kommune komme der gemeinsamen Aufgabenstellung zugute. Entscheidend sei aber auch die Frage, wie viele Menschen in die deutsche Gesellschaft integriert werden könnten und welche Bindung die Christen noch an ihre Werte hätten. Das Jahr 2015 sei ein mahnender Appell, dass Christsein auch bedeute, Weltbürger zu sein, so der neue Oberbürgermeister.

Ehrung für verdienten Arbeitsgerichtsvorsitzenden Schaumburg

Am Ende des Neujahrsempfangs überreichte Bischof Algermissen Landgerichtspräsidenten a. D. Hans-Karl Schaumburg (Fulda) in Anerkennung seiner Verdienste die Sturmiusmedaille des Bistums Fulda. Die Sturmiusmedaille ist eine der höchsten Auszeichnungen, die das Bistum Fulda für ehrenamtliches Engagement bzw. treue Dienste von Laien zu vergeben hat. Der Geehrte wurde auf eigenen Wunsch hin zum 1. Januar von seiner Funktion als Vorsitzender des Kirchlichen Arbeitsgerichts für die Diözese Fulda entpflichtet. „Ihre ruhige, überzeugende und ausgleichende Art wurde von allen sehr geschätzt, und sie haben wahrhaft einen Dienst zur Förderung von Gerechtigkeit und Rechtsfrieden geleistet“, sagte der Bischof. Schaumburg dankte für die Ehrung und wies darauf hin, dass es in den kirchlichen Arbeitsgerichtsverfahren meistens gelungen sei, eine gütliche Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen.

Schaumburg, geboren 1943 in Fulda, studierte von 1965 bis 1970 Rechtswissenschaft in Marburg und Speyer und trat 1974 in den hessischen Justizdienst ein. Nach seiner Ernennung zum Richter auf Lebenszeit im Jahr 1977 war er bis 1998 Richter am Amtsgericht in Fulda und im Anschluss bis 2002 dessen Direktor. Von 2002 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2008 war Schaumburg Präsident des Landgerichts Fulda. Zum 1. Januar 2009 erfolgte seine Ernennung zum Vorsitzenden des Kirchlichen Arbeitsgerichts. Er arbeitete auch viele Jahre in Ehevorbereitungsseminaren mit und hielt Vorträge über Ehe- und Erbrecht bei kirchlichen Trägern und in Pfarreien.

Stichwort: Kirchliches Arbeitsgericht und kirchliches Arbeitsrecht

Das Kirchliche Arbeitsgericht erster Instanz für die Diözese Fulda wurde durch ein Bischöfliches Dekret vom 16. Juni 2005 errichtet. Rechtliche Grundlage ist die „Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung“ (KAGO). Demnach sind die Kirchlichen Arbeitsgerichte zuständig für Rechtsstreitigkeiten aus dem Recht der Kommissionen zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts (KODA) und aus dem Mitarbeitervertretungsrecht sowie dem Recht der Mitwirkung in Caritas-Werkstätten für Menschen mit Behinderungen einschließlich des Wahlverfahrensrechts und des Verfahrens vor der Einigungsstelle. Sie sind nicht zuständig für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis.

Für kirchliche Arbeitsverhältnisse in der katholischen Kirche in Deutschland erfolgen die grundlegenden Regelungen nicht einseitig durch den Dienstgeber (sogen. Erster Weg) oder durch Tarifverträge (sogen. Zweiter Weg), sondern mittels eines besonderen Systems der Festlegung der Arbeitsbedingungen, das als „Dritter Weg“ bezeichnet wird. Das heißt im Grunde, dass mit Vertretern der Dienstgeber und der Dienstnehmer paritätisch besetzte Kommissionen über die zentralen arbeitsrechtlichen Fragen entscheiden, die sonst üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden. Der „Dritte Weg“ hat seine Grundlage im Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften aus Artikel 140 des Grundgesetzes. +++ fuldainfo

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