Zahl der Toten nach Unwetter steigt auf über 100

Dreyer verteidigt Hochwasserschutz

Nach den Unwettern im Südwesten Deutschlands und anderen Ländern ist die Zahl der Todesopfer auf über 100 angestiegen. Rheinland-Pfalz meldete mindestens 51 Todesopfer, Nordrhein-Westfalen mindestens 43 und Belgien mindestens 14 Tote. In Erftstadt-Blessem wurden zahlreiche Gebäude unterspült, mehrere davon stürzten ein. Unter anderem in der Eifel waren mehrere Ortschaften von der Außenwelt abgeschnitten, der Mobilfunk fiel vielerorts aus, unzählige Straßen waren gesperrt.

An der Ruhr wurde bei Bochum-Dahlhausen eine Bahnstrecke komplett überflutet. Im Fernverkehr der Bahn war der Abschnitt Köln – Wuppertal – Hagen – Dortmund nicht befahrbar, ebenso die Strecke Köln – Koblenz über Bonn Hbf. Der internationale Fernverkehr zwischen Köln und Brüssel wurde eingestellt. Mit der aktuellen Opferzahl handelt es sich jetzt schon um eine der schlimmsten Unwetterkatastrophen der Nachkriegszeit in Deutschland. Bei der Sturmflut an der deutschen Nordseeküste im Jahr 1962 gab es 340 Tote, beim Hochwasser an Elbe und Donau im Jahr 2002 kamen 45 Menschen in Deutschland, Österreich und Tschechien ums Leben, beim Hochwasser 2013 starben mindestens 25 Personen. Die Bundesregierung versprach am Freitag erneut, dass ausreichend Hilfe geleistet werde. „Nicht jedes einzelne Wetter ist direkt auf den Klimawandel zurückzuführen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz. Die Erderhitzung führe aber zu häufigeren Extremwetterlagen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich „fassungslos“ und sprach den Opfern seine Anteilnahme aus. „Nur wenn wir den Kampf gegen den Klimawandel entschieden aufnehmen, werden wir Extremwetterlagen, wie wir sie jetzt erleben, in Grenzen halten können“, sagte er.

Dreyer verteidigt Hochwasserschutz
Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), hat die These zurückgewiesen, den Hochwasserschutz vernachlässigt zu haben. Ihr Land habe in den vergangenen Jahren „viele Millionen in den Hochwasserschutz investiert“, sagte sie der „Bild“. „Doch hier handelt es sich um ein Starkregen-Ereignis in einer Region, wo dies so noch nie zuvor vorgekommen ist.“ Auch dort habe man schon vor der Katastrophe Hochwasserschutz-Maßnahmen „entwickelt“, so Dreyer. Es handele sich um eine „nationale Katastrophe“ und eine „Katastrophe, wie sie Rheinland-Pfalz noch nie erlebt hat“. Es gebe allein 60 Tote nur im Landkreis Ahrweiler zu beklagen – und eine zwei bis vierstellige Zahl an Vermissten, sagte die Regierungschefin. Viele Bürger seien „nicht erreichbar, weil bis heute Morgen kein Handyempfang möglich war und zum Teil immer noch nicht möglich ist“. Dreyer sagte, es sei „ganz, ganz schrecklich“, dass es allein zwölf tote schutzbedürftige Menschen in einer Einrichtung der Lebenshilfe zu beklagen gibt. „Die Welle kam in Minuten mit einer solchen Geschwindigkeit, dass sie sich nicht mehr retten konnten.“ Viele Rettungskräfte seien seit mehr als 36 Stunden im Einsatz, eine Stabsstelle zur Koordination des Krisenmanagements sei eingerichtet, die Federführung habe das Innenministerium. „Stand heute müssen wir leider sagen, dass sich die Lage noch nicht entspannt. Stündlich ereilen uns neue Hiobsbotschaften“, so die SPD-Politikerin. Die Schäden an der Infrastruktur seien „so dramatisch und gewaltig, dass es lange Zeit dauern wird, alles wieder aufzubauen“. In Ausnahmesituation wie dieser sei es auch schlimm, dass im Land auch „Gerüchte die Runde machten, dass zum Beispiel eine Talsperre brechen könnte“, so Dreyer. Das sei „zum Glück“ nur ein Gerücht gewesen.

Katastrophenschützer fordern Investitionen in Krisenvorsorge
Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster, hat angesichts der Hochwassertragödie in NRW und Rheinland-Pfalz mit mehr als 100 Toten massive Investitionen in die Krisenvorsorge gefordert. „Durch Corona und die jüngsten Unwetter ist in sehr kurzer Zeit sehr klar geworden, dass Fragen der akuten Krisenvorsorge mit der gleichen Priorität behandelt werden müssen wie der Kampf gegen den Klimawandel“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben). „Das Problem des Klimawandels können wir allein ohnehin nicht lösen. Und so lange wir keine Lösungen haben, müssen wir mit voller Kraft in Bevölkerungsschutz, Resilienz und Krisenvorsorge investieren“, so Schuster. „Dazu braucht es jetzt einen gemeinsamen politischen Willen. Wir können nicht warten, bis wir klimapolitisch erfolgreich sind.“ Und weiter sagte Schuster: „Die Erwartungen an das BBK und das Technische Hilfswerk sind gerade immens. In diesem Verhältnis sind nun auch unsere Erwartungen an den Bundesfinanzminister immens.“ +++

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