Wedel: „Ich habe für mein Stück nicht eine einzige Verleumdung erfunden!“

Martin Luther – Der Anschlag: Spannung pur vor und hinter den Kulissen?

Bad Hersfeld. „Sich an ein Luther-Stück zu wagen, setzt Kühnheit voraus“, sagte Dieter Wedel, der mit großem Respekt an das Schreiben von „Martin Luther – Der Anschlag“ ging. Diese Figur sei beispiellos und das erkläre wohlmöglich auch, warum es das große klassische Luther-Drama nicht gebe, warum beispielsweise Schiller zwar über Johanna von Orleans, Wallenstein oder Maria Stuart, geschrieben hat, aber eben nicht über Luther.

Dieter Wedel hat das Stück „Martin Luther – Der Anschlag“ unter Verwendung der Lutherdramen von John Osborn und John von Düffel sowie Motiven und Texten von August Strindberg, Stefan Zweig und G.B. Shaw und Original-Texten von Martin Luther geschrieben und inszeniert. Er engagierte ein wunderbares Ensemble aus renommierten Theater- und Filmschauspielern. Christian Nickel, Maximilian Pulst, Janina Stopper, Robert Joseph Bartl, Claude Oliver Rudolph, Corinna Pohlmann, Rudolf Krause, Hans Diehl, Elisabeth Lanz, Erol Sander, Marcel Heuperman, Uwe Dag Berlin, Christian Schmidt, Simone Kabst, Hanns Jörg Krumpholz, Bettina Hauenschild, Maximilian Wigger, Ute Reiber, Benjamin Kramme, Hartmut Volle, Tilo Keiner, Ute Reiber, Peter Englert und Thorsten Kublank, begeisterten das Publikum. Für Dieter Wedel ist Luther unter anderem so etwas, wie der Erfinder der Deutschen. Ein Mann mit vielen guten Eigenschaften, immensem Fleiß und großer Tatkraft. „Aber er besaß auch enorme negative Seiten: Obrigkeitshörigkeit, Judenhass, Rassismus. Ich habe für mein Stück nicht eine einzige Verleumdung erfunden, sondern nur wörtliche Zitate verwendet.“

Wedels Stück ist eine Warnung vor einem Glauben und vor Ideologien, die die Wahrheit gepachtet zu haben glauben. Es scheut sich auch nicht davor, bei Luthers Aussagen die Nähe zur späteren Nazi-Ideologie aufzuzeigen und schlägt den Bogen zu aktuellen Glaubenskriegen. Das Stück zu schreiben, war ein Kraftakt für den Autor Dieter Wedel, der nur drei Monate Zeit hatte, um es fertig zu stellen, da er noch auf Zusagen von Geldern warten musste, um ein Stück dieser Größenordnung überhaupt auf Bühne der Stiftsruine bringen zu können. 32 Schauspieler und insgesamt 68 Kleindarsteller, wirkten bei „Martin Luther – Der Anschlag“ mit. Dieter Wedel war es wichtig, nicht einfach die Geschichte von Martin Luther nachzuerzählen. „Widersprüchlichkeit macht bekanntlich einen Charakter interessant, aber bei Luther sind die Widersprüche so gewaltig, so scheinbar unvereinbar, dass man den Eindruck hat, immer wieder verschiedenen Leuten zu begegnen“, sagt Dieter Wedel. Deswegen plante er die Figur Luthers mit vier verschiedenen Darstellern zu besetzen, die die gegensätzlichen Charaktereigenschaften verkörpern:

• den überheblichen, jungen Luther
• den zweifelnden Luther
• den Reformator Luther, der fest daran glaubt, dass Gott dafür sorgen wird, dass er seinen Weg gehen kann
• den „Wutbürger“ Luther, der zum Krieg gegen die Bauern aufruft, sich in finsteren Hetzschriften gegen Juden und Moslems äußert

Einen Tag vor der Premiere gab es hinter den Kulissen einen ungewöhnlich schmerzlichen Vorfall. Dieter Wedel musste den Schauspieler Paulus Manker entlassen. Manker sollte in der Uraufführung von „Martin Luther – Der Anschlag“ den „Wutbürger“ verkörpern. In der außerordentlichen Kündigung, die Paulus Manker einen Tag vor der Premiere von der Festspiel-Leitung erhalten hatte, heißt es: „In der Probe vom 21. Juni 2017 ist es im Rahmen der Probenkritik zu einem irreparablen Zerwürfnis mit dem Intendanten gekommen. Nachdem Herr Manker sich zunächst hartnäckig geweigert hatte, Regieanweisungen Folge zu leisten, hat er dann die Probe verlassen, was wir als Arbeitsverweigerung ansehen müssen. Die Arbeitsverweigerung vom 21. Juni 2017 war Höhepunkt seines inakzeptabel beleidigenden, unberechenbaren und provokanten Verhaltens, während der Probenzeit.“ Dieter Wedel sagt: „Ich bin von vielen vor Paulus Manker gewarnt worden, der auch für eine Reihe von großen Skandalen bekannt war. Man darf einen Wutbürger nicht mit einem Wutbürger besetzen – das habe ich jetzt gelernt. Aber das wollte ich riskieren. Die Schauspieler haben meine Entscheidung, sich so kurzfristig von ihm zu trennen, respektiert. Wir haben in dieser schwierigen Situation alle als Team zusammengestanden, um eine erfolgreiche Aufführung trotz dieser widrigen Umstände möglich zu machen!“

Dieter Wedel ist dankbar, dass sich Christian Nickel sofort bereit erklärt hat, den Part von Paulus Manker als „Wutbürger“ zu übernehmen. ,,Christian Nickel hat mit seinen außerordentlichen Fähigkeiten als Schauspieler und seinem unglaublichen Teamgeist, die Aufführung gerettet.“ Er übernahm eine zusätzliche Luther-Rolle innerhalb von zwei Tagen. Christian Nickel wurde für seine Leistung von Medien und Publikum gleichermaßen bejubelt und bekam bereits zum zweiten Mal den Großen Hersfeldpreis verliehen. „Martin Luther – Der Anschlag“ erfüllte genau das, was Theater für Dieter Wedel ausmacht: Es war Gesprächsthema in der Stadt und über die Grenzen Bad Hersfelds hinaus. Und es wurde leidenschaftlich diskutiert. Das Stück fand in den Medien deutschlandweit Beachtung, überwiegend positiv. +++