Wolfsburg. Noch mehr Ärger für VW und Co.: Autokäufer, die ihren VW, Seat, Skoda oder Audi vom 11. Juni 2010 an mit einem Kredit der Hersteller-Bank finanziert haben, dürfen den Kredit wahrscheinlich zeitlich unbeschränkt widerrufen. Sie erhalten dann gegen Rückgabe des Wagens gezahlte Raten zurück. Für Kreditnehmer, die ihren Vertrag ab dem 13. Juni 2014 geschlossen haben, kann das richtig lukrativ werden. Sie müssen wohl nicht einmal eine Entschädigung für gefahrene Kilometer zahlen. Hintergrund: Die Herstellerbank hat bei den Kreditverträgen nicht sauber gearbeitet. Sie enthalten fehlerhafte Verbraucherinformationen.
Kreditverträge – unvollständig und widersprüchlich
Rechtsanwalt Dr. Christof Lehnen aus Trier hat es herausgefunden: Die VW-Bank hat bei der Information ihrer Kreditkunden geschludert. Teils fehlen Angaben, zu denen die Bank Kunden gegenüber gesetzlich verpflichtet ist. Teils sind die Informationen unvollständig, widersprüchlich und verwirrend. Betroffen sind vom 11. Juni 2010 an abgeschlossene Kreditverträge der VW-Bank und ihrer Zweigniederlassungen für Seat, Skoda und Audi.
Willkommene Chance für Fahrer von Dieselskandal-Autos
Die Folge der Fehler der VW-Bank: Kreditnehmer können ihren Vertrag auch heute noch widerrufen. Tun sie das, muss die Bank bisher gezahlte Raten erstatten. Die Kunden müssen im Gegenzug das Auto zurückgeben. Bei Verträgen, die ab dem 13. Juni 2014 abgeschlossen wurden, müssen Kunden nicht einmal einen Ausgleich für den Wertverlust oder eine Entschädigung für die mit dem Auto gefahrenen Kilometer zahlen. Nur die – zumeist geringen – Kreditzinsen bekämen sie nicht zurück. Hintergrund: Am 13. Juni 2014 traten verbraucherfreundliche Gesetzesänderungen in Kraft. Für manche Fahrer von Diesel-Skandal-Wagen könnte das Widerrufsrecht wie gerufen kommen: Der Widerruf von ab 13. Juni 2014 geschlossenen VW-Bank-Kreditverträgen dürfte vom VW-Skandal Betroffenen mehr bringen als Sachmangelklagen gegen den Händler oder Schadenersatzklagen gegen den Hersteller. Dort müssen sich Käufer von Skandalautos in der Regel eine Entschädigung für gefahrene Kilometer anrechnen lassen.
Klare Worte von der Richterin
Rechtsanwalt Dr. Christof Lehnen hat bereits in verschiedenen Fällen vor Landgerichten über Klagen seiner Mandanten gegen die VW-Bank verhandelt – zuletzt vor dem Landgericht in Berlin. test.de hat die Verhandlung beobachtet. Die Vorsitzende Richterin Marianne Voigt sprach darin Klartext hinsichtlich der Konsequenzen eines Widerrufs. Dem VW-Bank-Anwalt erklärte sie: „Wenn die Belehrung nicht korrekt ist, dann kann kein Anspruch auf Nutzungswertersatz bestehen.“ Mit anderen Worten: Wenn die Bank schlecht über Rechte und Pflichten rund um den Darlehensvertrag informiert, fahren die Kunden mit Krediten ab dem 13. Juni 2014 zu traumhaft günstigen Konditionen. Sie bekommen im Widerrufsfall die Darlehenssumme zurück und können dafür das genutzte Auto ohne weiteres an den Verkäufer zurückgeben.
Für den VW-Konzern geht es um viel Geld
Anwalt Lehnen und der VW-Bank-Anwalt Michael Schlüter wollen vor dem Landgericht Berlin jetzt über eine außergerichtliche Einigung verhandeln. Gestritten wird um einen vom VW-Skandal betroffenen Wagen ohne korrekte Abgasreinigung zum FAQ Abgasskandal. „Vielleicht ist das ja Anlass für die Beklagte, sich großzügig zu zeigen“, gab Richterin Marianne Voigt dem Bankenanwalt Schlüter mit auf den Weg. Er ist Partner der renommierten Kanzlei Schlüter, Meyer-Degering & Partner aus Braunschweig und war eigens für die Verhandlung nach Berlin gereist. Das zeigt: VW nimmt die Kreditwiderrufsklagen offenbar sehr ernst. Üblicherweise wird für Gerichtsverhandlungen ein am Gerichtsort ansässiger Rechtsanwalt als Vertreter geschickt, statt Spitzenanwälte mit Stundensätzen von gerne 300 bis 400 Euro auf Reisen zu schicken. Tatsächlich geht es für den Volkswagen-Konzern um viel Geld: Die VW-Bank hatte am Ende 2015 einen Bestand von 2,15 Millionen Finanzierungsverträgen. Die Forderungen aus diesen Verträgen beliefen sich auf 23,3 Milliarden Euro.
Tipps und Musterbrief für Betroffene
Wenn sich die VW-Bank mit Kunden über die widerrufene Verträge außergerichtlich einigen sollte, wird von den Streitigkeiten wahrscheinlich nichts mehr zu hören sein. Bestandteil solcher Einigungen ist in der Regel eine Schweigeverpflichtung. Andere Kunden haben dann kein Urteil, dass ihnen in einem eigenen Rechtsstreit helfen könnte. Sie sollten die Flinte aber keinesfalls ins Korn werfen, wenn Sie ihre Rechte geltend machen wollen. test.de bietet Tipps und einen Musterbrief. +++