Vorstoß zum EU-Stabilitätspakt – Gabriel erhält Unterstützung

Sigmar Gabriel (SPD)
Sigmar Gabriel (SPD)

Berlin. In der Diskussion um den EU-Stabilitätspakt springt der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder dem amtierenden Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) bei: Es sei „im deutschen Interesse, unseren Partnern in Europa durch eine Flexibilisierung der Austeritätspolitik mehr Zeit für Reformen zu lassen“, schreibt Schröder in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“. „Daher ist der Vorstoß von Vizekanzler Sigmar Gabriel und der europäischen Sozialdemokraten richtig, den krisengebeutelten Staaten mehr Zeit und mehr haushaltspolitische Flexibilität bei der Umsetzung der Reformpolitik zu gewähren“, unterstreicht der Alt-Bundeskanzler.

Schröder verwies in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen mit der Agenda 2010 in Deutschland: „Es wäre politisch nicht durchsetzbar gewesen, neben schwierigen, politisch und gesellschaftlich umstrittenen Strukturreformen noch Milliardeneinsparungen vorzunehmen und den Haushalt zu sanieren.“ Damals hätten Deutschland und Frankreich eine Reform des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes durchgesetzt. „Diese Reform weichte die Grenzwerte für die Haushaltsdefizite nicht auf, sondern flexibilisierte ein zu statisches Regelwerk. Sie eröffnete Deutschland die Möglichkeit zu Strukturreformen auch in einer schwierigen Haushaltslage.“ Weiter schreibt Schröder: „Nur deshalb war es möglich, die Agenda 2010 zu realisieren.“

Der Altkanzler sieht viele Krisenstaaten heute in einer ähnlichen Lage. Auch sie müssten schwierige Reformen in Angriff nehmen, die ihre Wirkung erst in einigen Jahren entfalten würden. Diese Zeit müsse überbrückt werden „durch Wachstumsprogramme, aber auch durch Programme, die die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen“, fordert Schröder. „Dafür brauchen Staaten finanzielle Spielräume, die sie unter der Bedingung bekommen müssen, dass sie die notwendigen Strukturreformen auch wirklich anpacken.“ Mit Blick auf die Gewinne der populistischen Parteien bei der Europawahl warnte Schröder: Gebe man den Krisenstaaten keine Spielräume, „ist ein Scheitern der europafreundlichen Parteien in den Südländern programmiert. Wenn dann die Grillos und Le Pens das Sagen haben, dann hat die EU keine gute Zukunft mehr.“ Der Altkanzler fordert: „Wenn wir Deutschen wollen, dass das Projekt Europa nicht zerstört wird, dann müssen wir die gemäßigten politischen Kräfte in den Südländern stärken, die für Demokratie, Soziale Marktwirtschaft und europäische Integration stehen.“

Auch Ex-Finanzminister Eichel verteidigt Vorstoß

Der frühere Finanzminister Hans Eichel nimmt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) für dessen Forderungen nach flexibleren Schuldenregeln in Europa in Schutz: „Strukturreformen und restriktive Finanzpolitik bei schwachem Wachstum sind außerordentlich anstrengend. Wenn ein Staat in so einer Situation harte Reformen auch noch mit einer restriktiven Finanzpolitik kombiniert, kocht der Topf über“, sagte Eichel der „Welt“. Und weiter: „Reformieren und gleichzeitig hart sparen ist ökonomisch nicht vernünftig.“ Eichel hatte als Finanzminister in der rot-grünen Regierung 2003 eine Aufweichung des Stabilitätspakts erreicht. Obwohl Frankreich und Deutschland damals wegen zu hoher Verschuldung gegen Auflagen des Pakts verstießen, stellte die EU die Verfahren gegen die beiden Länder ein. Dieser Schritt war später häufig von Experten als eine Ursache für den Ausbruch der Staatsschuldenkrise gesehen worden. „Unsere Politik damals war richtig“, sagte dagegen Eichel. Bereits 2005 und 2006 sei das Haushaltsdefizit geringer ausgefallen als erwartet. „Das wäre ohne unsere Finanzpolitik nicht möglich gewesen.“ Das Prinzip „mehr Zeit für Haushaltskonsolidierung gegen Reformen“ sei sinnvoll. „Wenn Strukturreformen gemacht werden, kann ein Land mehr Zeit bekommen. Aber nur, wenn es die Reformen auch umsetzt“, so Eichel. +++ fuldainfo

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