Verzweifelter Hilferuf des heimischen Gastgewerbes

Die Corona-Politik und ihr Ausmaß

Die Tourismusbranche in Deutschland hat auch im Jahr 2021 erheblich unter der Coronakrise gelitten, konnte sich jedoch im Vergleich zum ersten Pandemiejahr 2020 etwas erholen. Das teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) nach vorläufigen Ergebnissen vergangenen Donnerstag mit. Demnach verzeichneten die Beherbergungsbetriebe im vergangenen Jahr 310,3 Millionen Gästeübernachtungen. Das waren 2,7 Prozent mehr als im Jahr 2020, aber noch 37,4 Prozent weniger als im Vorkrisenjahr 2019.

Im Dezember 2021 verbuchten die Beherbergungsbetriebe mehr als zweieinhalb Mal so viele Gästeübernachtungen gegenüber dem Dezember 2020, als ein bundesweites Beherbergungsverbot für private Übernachtungen galt. Die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Inland stieg im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 3,3 Prozent auf 279,3 Millionen. Die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland war mit 31,0 Millionen jedoch 3,1 Prozent geringer als 2020. Gemessen am Gästeaufkommen, erreichte der Anteil der Gäste aus dem Ausland im vergangenen Jahr lediglich 10,0 Prozent gegenüber 10,6 Prozent im Jahr 2020 und 18,1 Prozent im Rekordjahr 2019. Die Ergebnisse belegen, dass die weltweiten Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den internationalen Tourismus auch in Deutschland deutlich zu spüren sind. Der Blick auf die verschiedenen Betriebsarten zeigt, dass im Vergleich zum Jahr 2019 in den vergangenen zwei Jahren vor allem Betriebe der Hotellerie – also Hotels, Gasthöfe und Pensionen – unter den Corona-bedingten Einschränkungen gelitten haben, so die Statistiker. Im Jahr 2021 verzeichneten sie 45,2 Prozent weniger Übernachtungen als im Jahr 2019, während der Rückgang der Übernachtungszahlen auf Campingplätzen im gleichen Zeitraum lediglich 7,8 Prozent betrug.

„Unter der neuen Bundesregierung verschlechtern sich die Hilfsprogramme“

Wir haben bei den Betrieben in der Region nachgefragt, wie sich für sie die Situation darstellt. Bedauerlicherweise haben wir lediglich von zwei Mitgliedsbetrieben der DEHOGA Hessen eine Antwort erhalten. Einer davon ist Stefan Faulstich, gelernter Koch, Gastronom sowie Inhaber des Landhotels, Restaurants sowie Country Pubs „Rhönblick“ in Petersberg-Steinau im Landkreis Fulda. Auf die Frage, wie er die momentane Lage sieht, erklärt er: „Nachdem wieder keine politische Debatte über die Rücknahme der momentanen Beschränkungen aufgekommen ist, schwindet die Zuversicht und Kraft immer mehr. Es gibt Kollegen, die die Branche verlassen haben.“ Unter der neuen Bundesregierung verschlechterten sich alle Hilfsprogramme, so Faulstich. Viele Entscheidungen wirkten planlos und sind vom Populismus getrieben. „Und das, obwohl das Gastgewerbe, so Mediziner, bei der Verbreitung des Virus keine besondere Rolle spielt; Und dennoch werden Ängste geschürt und wir Gastronomen werden quasi in einen Lockdown versetzt. Wer die nächsten Monate übersteht, der wird im Sommer in der Außengastronomie auch wieder guten Umsatz machen – so weit bis der nächste Winter kommt. Und was wird dann? Mit der Verzeichnung weiterer Infektionszahlen wird es neue Beschränkungen geben womit für viele die Lage aufs Neue ernst wird“, so der Gastronom.

Corona-Politik für das Gastgewerbe nicht unbedingt positiv

Die Erfahrungen, die uns das City Partner Hotel Lenz in Fulda schilderte, dürfte den Querschnitt vieler regionaler Betriebe widerspiegeln. „Die momentane Lage gestaltet sich äußerst schwierig, da sich die Buchungslage einerseits sehr schlecht gestaltet. Im Vergleich zu Januar 2019 verzeichneten wir einen Buchungsrückgang von 86,23 Prozent. Für viele Mitarbeiter, die derzeit auch wieder in Kurzarbeit sind, ist die fortwährende Unsicherheit ausschlaggebend dafür, sich in anderen Branchen eine Beschäftigung zu suchen, was uns dann Personalmangel bescheren wird, wenn sich die Buchungssituation wieder normalisiert und wir dann möglicherweise aus Personalmangel Veranstaltungen absagen müssen. Die Stornierung von Messen oder anderen Großveranstaltungen in Fulda führt zu einem verminderten Reservierungsaufkommen für Übernachtungen. Die nicht bundeseinheitliche Regelung und die immer wieder neuen Regelungen von Vorschriften erschweren die Situation sehr. Dabei ist die Branche Hotellerie und Gastronomie auch immer eine der ersten Branchen, in denen extreme Einschränkungen vorgegeben sind und die letzte, bei der gelockert wird. Zum Beispiel dürfen Geschäftsreisende ungeimpft mit Test anreisen, Touristen ausschließlich mit 2G; die Kontrollen bei Anreise oder Restaurantbesuchen ist personalintensiv und zeitaufwändig und oft sind wir die Personen, die den Unmut über die Vorgaben der Politik aushalten müssen und zum Teil dafür beschimpft werden. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb in einem Lebensmittelladen keinerlei Abstände kontrolliert werden und in der Hotellerie/Gastronomie so hohe Auflagen vorgegeben sind, dabei hat die Hotellerie/Gastronomie sehr viel investiert, um den Anforderungen gerecht zu werden – Luftfiltersysteme, Plexiglas-Trennwände, Desinfektionsspender und vieles mehr.

„Die finanziellen Reserven sind aufgebraucht“

Dennoch ist es eine für uns sehr schwierige Zeit, da nicht abzusehen ist, wann sich was für unsere Branche ändert. Sobald wir wieder einigermaßen ‚normal‘ arbeiten können (gerne weiterhin mit Abstand und Maske), wird sich die Situation sicherlich verbessern. Ein Umsatz- und Ergebnisniveau wie vor 2019 werden wir sicherlich erst in drei bis fünf Jahren erreichen. Hinzu kommt das Thema Personal; die Mitarbeiter sind nun seit fast zwei Jahren in Kurzarbeit; viele suchen sich eine Beschäftigung in anderen, krisensicheren Branchen und sind somit für die Hotellerie/Gastronomie verloren. Es besteht die Gefahr, dass Buchungen für Tagungen oder Übernachtungen nicht angenommen werden können, da es keinen ausreichenden Personalstamm gibt. Sollten die Unterstützungszahlungen wie Kurzarbeit oder Überbrückungshilfen im März 2022 enden, wird es spätestens im September 2022 für uns kritisch“, so die Geschwister Augustinus und Veronika Lenz. Die Reserven sind aufgebraucht, die Corona Darlehen sowie andere Darlehen müssen zurückbezahlt werden. Da diese Kosten nicht zu den Fixkosten zählen, liegt die Last alleine beim Unternehmer. Beschäftigungsverhältnisse müssten gekündigt werden, wenn das Geschäft nicht wieder anzieht und genügend Umsatz generiert werden kann. Beginn der Tagungssaison ist Herbst; das Sommergeschäft mit Touristen ist für uns kein Umsatztreiber, da wir nicht in der Stadtmitte (für Touristen) liegen und unser Hauptgeschäft eben Tagungen sind. Als Unternehmer sind wir von Beginn an von der Unterstützung ausgeschlossen – aber auch wir haben Kosten und müssen drei Familien ernähren, heißt es zum Schluss in der Antwort unserer Anfrage.

„Die Corona-Politik ist voller Widersprüche“

Des Weiteren haben wir mit dem Koch und Gastronomen Fritz Wiegand vom gleichnamigen Partyservice und Catering-Unternehmen aus Fulda über die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf das Gastgewerbe gesprochen. Auf die Frage wie er die momentane Lage beurteilt, antwortete der Unternehmer: „Als Partyservice Fulda sind wir Caterer für kleine und große Veranstaltungen. Wir leben davon, dass wir zu unseren Kunden nach Hause oder in die Firma kommen, Essen ausliefern oder Eventgäste vor Ort bekochen. Vor den staatlich verordneten Corona-Maßnahmen bekochten wir im Jahr dutzende Geburtstage, Firmenfeiern, Hochzeiten und Großevents wie Abibälle mit über 600 Gästen. Heute liegt das Hauptgeschäft nur noch bei kleinen Geburtstagen und Tröstern. Die Lage ist also sehr bescheiden.“

fuldainfo.de: Wie beurteilen Sie die Corona-Politik?

Fritz Wiegand: „Das fragen Sie mich besser nicht. Bei diesem Thema kann ich mich nur schwer beherrschen. Kurzum, sie ist eine Katastrophe. Der Sündenbock für eine verfehlte Pandemiepolitik ist die Gastronomie. Nachweißlich ist sie kein Pandemietreiber. Auch hat sie nachweißlich gute Hygienekonzepte. Nachweißlich sind geordnete Treffen in kontrollierten Räumen besser als Feiern zu hause. Doch diese Corona-Politik ist voller Widersprüche und folgenschwerer Verkettungen von Fehlentscheidungen. Wenn nur alle einen Mundschutz tragen, könne sich niemand anstecken. Wenn nur alle genügend Abstand halten, könne sich niemand anstecken. Wenn wir erst einmal die Herdenimmunität erreicht haben, sei die Pandemie vorbei. Wenn dreiviertel der Staatsbürger geimpft sind, könne man wieder öffnen. All das haben wir bereits, aber wir werden immer noch auf Sparflamme gehalten. Und Warum? Weil ihre Maßnahmen nicht den gewünschten Effekt erzielt haben. Weil sie immer noch daran glauben, dass man die Verbreitung des Virus stoppen und es ausrotten könne. Je eher die Politik akzeptiert, dass man mit diesem Virus leben muss, desto eher können wir zur ‚alten‘ Normalität übergehen. Soweit das überhaupt noch möglich ist.“

fuldainfo.de: Wie schätzen Sie Ihre Zukunftsaussichten ein?

Fritz Wiegand: „Sobald die Maßnahmen außer Kraft gesetzt werden, könnten wir den Betrieb wieder hochfahren. Allerdings benötigen wir für unsere Veranstaltungen auch Personal und Servicekräfte. Viele Angestellte haben sich in der Pandemie generell umorientiert und der Gastronomie den Rücken gekehrt. Es wird sehr schwer, diese Lücke zu schließen. Auch wird sich zeigen, wie die Preisentwicklung für Lebensmittel, Strom, Gas und Treibstoff weitergeht. Da erwarte ich keine Entspannung. Wir stehen erst am Anfang einer gewaltigen Inflation, die wohl noch viele Menschen überraschen wird. Am Ende wird der Kunde das Ergebnis staatlicher Entscheidungen zahlen. Es wird sich zeigen, ob dieser dann noch bereit ist, die steigenden Preise für Catering und Grill-Events zu zahlen.“

fuldainfo.de: An welchem Punkt glauben Sie wird die Lage existenzbedrohend?

Fritz Wiegand: „Wenn der Staat für die von ihren Maßnahmen verursachten Umsatzausfälle nicht mehr aufkommt, sehen sich viele Gastronomen gezwungen, zu schließen. Wir arbeiten gerade einmal kostendeckend. Wir sind ein Familienbetrieb, da packt jeder mit an. Wir stehen zusammen. Wer aber viele Angestellte hat, Miete bezahlen muss, externe Lager, große Kühlhäuser und weite Wege hat, den fressen die Kosten immer mehr auf.“

„Die Koalition aus CDU, FDP und CWE wird alles daransetzen, den Gastronomen im Rahmen des kommunal Möglichen entgegenzukommen“

Der Vorsitzende des Ausschusses für Digitalisierung, Wirtschaft und Verkehr in der Fuldaer Stadtverordnetenversammlung, Helge Mühr (FDP), hat vor genau einem Jahr zahlreiche Gespräche mit Gastronomen geführt. Er kennt ihre Situation, Sorgen und Ängste. „Der Schaden, der für die Fuldaer Gastronomiebetriebe durch Corona entstanden ist, ist erheblich“, so der Stadtverordnete in einem Telefonat gegenüber fuldainfo.de. „Die Gastronomen werden immer noch als Problembereich gesehen und auch so behandelt, obwohl sie nie ein Pandemietreiber waren“, sagt er. Viele Gastronomen blicken mit Sorge in ihre Zukunft. Die steigenden Rohstoff- und Lebensmittelpreise müssen sie an die Kunden weitergeben. Gerade beim Lebensmittel-Großhändler spüren sie an der Kasse die erheblichen Preissteigerungen. Wer kein großes Lager und Kühlräume hat, um sich Vorräte anzulegen, muss die immer höheren Lebensmittelpreise Woche für Woche mitnehmen. Und der Dauerbetrieb von gastronomischen Anlagen kostet viel Strom. Der ist jetzt schon um ein Viertel gestiegen als noch vor einem halben Jahr. In diesen Bereichen ist keine Entspannung in Sicht. Aber die steigenden Rohstoffpreise betreffen ja das ganze produzierende Gewerbe und Dienstleister gleichermaßen.“

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Stadtverordnetenfraktion versichert: „Die Koalition aus CDU, FDP und CWE wird alles daransetzen, den Gastronomen im Rahmen des kommunal Möglichen entgegenzukommen.“ Dies betreffe vor allem die Gebühren für die außengastronomisch bewirtschafteten Flächen und die ganzjährige Nutzungsmöglichkeit dieser Bereiche. „Und sicher sind auch die Betriebszeiten in der Außengastronomie wieder ein Thema. Aber auf die einschränkenden Corona-Maßnahmen haben wir leider keinen Einfluss“, so Helge Mühr abschließend. +++