Unionsfraktion streitet über Umgang mit Ungeimpften

Opposition fürchtet Vernichtung von Corona-Impfstoff

Vor dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder zeigt sich die Union uneins bei der Frage, ob gegen Covid-19 Geimpfte bessergestellt werden sollen als Ungeimpfte. „Klar ist: Geimpfte müssen jetzt in vollem Umfang zur Normalität zurückkehren dürfen“, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge dem „Handelsblatt“. Von Geimpften gehe keine relevante Gefahr mehr aus. „Geimpfte müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen der Staat wieder alle Freiheiten lässt“, so Sorge.

Michael Hennrich, Obmann der Union im Gesundheitsausschuss, sagte hingegen, dass er „keinen Impfzwang und auch keinen kalten Impfzwang“ wolle. Mit den bestehenden Regeln, die gleichermaßen für Geimpfte, Getestete und Genesene gelten, „sollten wir durch Herbst und Winter kommen“, sagte Hennrich der Zeitung. Zuvor hatte sich bereits in der Führungsebene der Union ein Dissens gezeigt. Während Fraktionschef Ralph Brinkhaus  in der „Welt am Sonntag“ forderte, mit Blick auf Ungeimpfte „nicht die nächsten 30 Jahre unser Leben Covid unterordnen“ zu können, erwiderte Parteichef Armin Laschet in der „Bild am Sonntag“: „Wer geimpft, genesen oder getestet ist, den darf der Staat nicht von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausnehmen.“ Die Unionsfraktion ist sich auch nicht in der Frage einig, ob Corona-Schnelltests künftig kostenpflichtig sein sollen. Das Bundesgesundheitsministerium will die kostenlosen Tests Mitte Oktober beenden. Der Abgeordnete Sorge befürwortet das, Hennrich hingegen hält den Plan für nicht zielführend. Auch Geimpfte könnten das Virus weitertragen. Außerdem würden Politik und Behörden den Überblick über das Infektionsgeschehen verlieren, weil sich auch viele Geimpfte testen ließen. Hennrich hält den Vorschlag zudem für sozial fraglich. „Familien mit Kindern und Menschen mit geringerem Einkommen würden benachteiligt. Das vertieft die Spaltung in der Gesellschaft“, kritisierte er.

Opposition fürchtet Vernichtung von Corona-Impfstoff
Die Opposition im Bundestag sorgt sich um weitere Verwendung von überschüssigem Impfstoff, den die Bundesländer derzeit an den Bund zurückgeben können. „Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass überschüssige Impfdosen anderen Ländern weltweit zur Verfügung gestellt und vor der Vernichtung gerettet werden“, sagte Michael Theurer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im Bundestag, der „Welt“. Bis zu diesem Montag können die Länder melden, wie viele bereits ausgelieferte Impfdosen sie nicht benötigen und zurückgeben wollen. Der Impfstoff soll abgeholt und zunächst zentral beim Bund gelagert werden. Zur weiteren Verwendung schlägt Theurer eine internationale Impfoffensive vor, um Länder mit besonders großem Bedarf kostenlos mit Impfstoff aus Deutschland zu versorgen. „Dabei sollte das Windhundprinzip gelten.“ Regierungen, die ihren Bedarf besonders schnell anmelden, sollten vorrangig beliefert werden. „Das Land, das den Impfstoff einsetzt, sollte auch für die Haftungsfragen zuständig sein.“ Die Grünen gehen bei der Haftung noch über die Forderung der Liberalen hinaus. Der Grünen-Abgeordnete Janosch Dahmen, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags, sieht Deutschland als Entwicklungsort des ersten Impfstoffs in einer besonderen Vorbildrolle. Daher müsse die Bundesregierung nicht nur sicherstellen, dass die Impfstoffspenden nicht an bürokratischen Hürden – wie etwa der Haftungsfrage – scheitern. „Notfalls muss Deutschland für diese Impfstoffe auch wie im eigenen Land die Haftungsverantwortung übernehmen“, sagte er.

Nach Laschet auch Scholz für kostenpflichtige Corona-Tests
Im Kampf gegen weiter steigende Infektionszahlen erhöht die Politik den Druck auf Ungeimpfte. Nach Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) spricht sich nun auch Vizekanzler Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD, klar dafür aus, von Herbst an für Corona-Tests Geld zu verlangen. Scholz sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Wichtig ist mir, dass diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, auch weiterhin über Tests die Möglichkeit haben, am öffentlichen Leben teilzunehmen.“ Allerdings werde die Allgemeinheit diese Tests „nicht auf Dauer“ bezahlen. „Ich denke, im Herbst werden sie kostenpflichtig werden für alle Erwachsenen, bei denen keine gesundheitlichen Gründe gegen eine Impfung bestehen.“ Gut anderthalb Monate vor der Bundestagswahl vertreten die Kanzlerkandidaten von Union und SPD somit in einer zentralen Frage der Pandemiebekämpfung ähnliche Auffassungen. Scholz erklärte, neben „geimpft“ und „genesen“ solle weiterhin „getestet“ als Weg offenstehen. Am Dienstag beraten die Ministerpräsidenten der Länder mit der Bundesregierung über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie. Es werden schwierige Gespräche erwartet. Vizekanzler Scholz äußerte vor der Konferenz die Hoffnung, dass Deutschland dank der Impfungen dieses Mal besser durch den Herbst und Winter kommt. „Es sollte keinen weiteren Lockdown geben“, sagte er der SZ. Präsenzunterricht an den Schulen habe „oberste Priorität“. +++